Dass es ein Überraschungssieg war, zeigte sich daran, dass der
Sieger schon wieder abgereist war. Für seine Goldene Palme in
Cannes für "Der Pianist" mussten die Verantwortlichen Roman
Polanski zurückholen
Die 55. Internationalen Filmfestspiele von Cannes sind nach zehn
Tagen gestern Abend mit einer faustdicken Überraschung geendet:
Roman Polanski wurde für sein polnisches Drama "Der Pianist" mit
dem Hauptpreis, der Goldenen Palme, ausgezeichnet. Wie unverhofft
diese Ehrung selbst für den Künstler kam, zeigte sich allein schon
an der Tatsache, dass Polanski bereits wieder aus Cannes abgereist
war. Offenbar rechnete er nach den mauen Rezensionen der Kritiker
nicht mit einem Sieg und musste von den Verantwortlichen des
Festivals zurückgerufen werden.
Um so bewegter war der 68jährige über seine erste Auszeichnung beim
wichtigsten Filmfestival der Welt: Mit dem Preis sei ein "Film
Polens" ausgezeichnet worden. Sein Titeldarsteller Adrien Brody
vergoss Tränen im Parkett. "Der Pianist", der in den Babelsberger
Filmstudios gedreht wurde, erzählt vom Überleben eines jüdischen
Pianisten im Warschauer Ghetto während des Zweiten Weltkriegs,
wurde mit polnischem Geld mitfinanziert und soll seine offizielle
Weltpremiere am 6. September in Warschau erfahren. Polanski selbst
überlebte die Nazi-Besetzung im Krakauer Ghetto, seine Mutter aber
starb in Auschwitz.
Den Großen Preis der Jury - sozusagen der zweite Platz - erhielt
der finnische Regisseur Aki Kaurismäki für "Mies vailla
Menneisyyttä" ("Der Mann ohne Eigenschaften"). Dieser Film hatte
als der eigentliche Favorit sowohl bei Kritikern wie auch Publikum
gegolten. Als "Beste Schauspielerin" wurde die finnische Akteurin
Kati Outinen für ebenfalls diesen Streifen geehrt, der damit
immerhin als einziger zwei Preise erhielt. Als "Bester
Hauptdarsteller" wurde überraschend nicht der favorisierte Jack
Nicholson, sondern der Belgier Olivier Gourmet für "Le Fils"
prämiert. Für die "Beste Regie" hatte sich die Jury unter Vorsitz
von David Lynch nicht einigen können und vergab gleich zwei
Auszeichnungen: Einmal an Paul Thomas Anderson aus den Vereinigten
Staaten für "Punch-Drunk Love" und an Im Kwon-Taek aus Südkorea für
"Chihwaseon".
David Lynch machte deutlich, dass es ihm und seinen acht weiteren
Jury-Mitgliedern nicht leicht gefallen sei, allen Filmen gerecht zu
werden: "Es gab nicht genügend Preise, um alle unsere Wünsche
widerzuspiegeln, aber als Jury fühlen wir uns mit unseren
endgültigen Entscheidungen sehr wohl"
Hier die vollständige Liste der Preisträger:
Goldene Palme: Roman Polanski für "Der Pianist" (Polen)
Großer Preis: Aki Kaurismäki für "Mies vailla Menneisyyttä"
(Finnland)
Jury Preis: Elia Suleiman für "Yadon Ilaheyya" (Palästina)
Spezialpreis: Michael Moore für "Bowling for Columbine" (USA)
Beste Regie: Paul Thomas Anderson für "Punch-Drunk Love" (USA) und
Im Kwon-Taek für "Chihwaseon" (Südkorea)
Bestes Regiedebut: Julie Lopes-Curval für "Bord de Mer"
(Frankreich)
Bestes Drehbuch: Paul Laverty für "Sweet Sixteen" (Belgien)
Beste Schauspielerin: Kati Outinen für "Mies vailla Menneisyyttä"
(Finnland)
Bester Schauspieler: Olivier Gourmet für "Le Fils" (Belgien)
Bester Kurzfilm: Peter Meszaros für "Eso Utan" (Ungarn)