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Kein Boykott von Cannes

Woody Allen eröffnet Filmfestival

Gestern Abend sind die 55. Internationalen Filmfestspiele von Cannes eröffnet worden. Erstmals kam Woody Allen an die Riviera - trotz Boykott-Aufrufs

Das wichtigste und glamouröseste Filmfestival der Welt ist eröffnet: Gestern Abend begannen bei herrlichstem Frühlingswetter die 55. Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Zum Auftakt stand ein kleiner, nervöser Mann aus Amerika im Mittelpunkt und wurde begeistert gefeiert.

Erstmals gab sich Woody Allen die Ehre - nach seinem überraschenden Auftritt auf der "Oscar"-Verleihung Ende März scheint es, als habe der Filmemacher seinen Frieden mit der Filmindustrie und dem Starrummel gemacht - passenderweise Themen seiner neuen Komödie "Hollywood Ending". Diese war gestern der Auftaktfilm des Festivals, wurde aber außer Konkurrenz ausgestrahlt. "Ich unterdrücke die Panik", antwortete der öffentlichkeitsscheue Star auf die Frage, wie er sich fühle, am Abend über den Roten Teppich zu schreiten. "Die Franzosen haben mich so sehr unterstützt und sind so liebenswürdig zu mir gewesen, dass ich das Gefühl hatte, nach so vielen Jahren dem französischen Volk meine Dankbarkeit zu zeigen", begründete Allen sein Kommen.

Die französische Schauspielerin Virginie Ledoyen moderierte den Premierenabend und stellte die neunköpfige Jury auf der Bühne vor. In diesem Jahr sitzt dieser David Lynch vor, und Mitglieder sind unter anderem Sharon Stone und Michelle Yeoh. In diesem Jahr gehen 22 Beiträge ins Rennen um die Goldene Palme. Danach wurde eine 26minütige Montage von Festivalhöhepunkten der letzten 55 Jahre gezeigt, die Gilles Jacob, der Vorsitzende des Festivals, zusammengestellt hatte.

Vor der Ausstrahlung von "Hollywood Ending" zeichnete Jacob Allen, der mit seiner Frau Soon-Yi erschienen war, mit der "Palme der Palmen" - einer Art Super-"Goldenen Palme" - für sein Lebenswerk aus. Dabei bedachte das Publikum den 66jährigen mit einer fünf Minuten langen Stehenden Ovation, die der Geehrte verlegen entgegennahm. In seiner Dankesrede witzelte Woody: "Die Franzosen machen immer zwei Fehler, was mich betrifft. Zunächst mal glauben sie, ich sei wegen meiner Brille ein Intellektueller. Zum zweiten denken sie, dass ich ein Künstler sei, weil meine Filme Geld verlieren. Nichts von beidem stimmt."

"Hollywood Ending" wurde mit freundlichem Applaus bedacht, aber mehr als gemischte Reaktionen löste er nicht aus. Auf dem anschließenden Empfang mit Gala-Dinner im Lumiere Theater hielt es Allen dann nicht lange aus. Nachdem er eine Zeit lang neben Monsieur Jacob gesessen hatte, war er verschwunden, noch bevor das Essen serviert wurde.

Wäre es nach dem Willen des Amerikanischen Jüdischen Kongresses gegangen, wäre Woody am besten gar nicht auf dem Festival erschienen. Nachdem die Franzosen den Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen Anfang des Monats überraschend zum zweitstärksten Kandidaten gewählt hatten, forderte der Kongress die Festivalbesucher per Zeitungsannoncen auf, sich in Cannes deutlich gegen Anti-Semitismus auszusprechen. Doch Allen meinte dazu nur: "Ich habe nie geglaubt, dass die Franzosen in irgendeiner Art anti-semitisch sind." Prompt tadelte Jack Rosen, der Vorsitzende des Kongresses: "Es ist schade, dass Woody Allen, ein führendes Mitglied der Unterhaltungsindustrie, nicht die Gelegenheit ergriffen hat, mit einer einzigen Aussage die neuerlichen anti-semitischen Ausbrüche in Frankreich anzugreifen."


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