Stell Dir vor, Du hat den "Oscar" für den "Besten Film" gewonnen
- und keinen interessiert´s
Es war eine denkwürdige "Oscar"-Nacht. Nicht nur wegen der Rückkehr
der Show nach Hollywood, dem Überraschungsauftritt von Woody Allen
oder der Tatsache, dass es die längste Gala in der Academy
Awards-Geschichte gewesen ist. Nein, nach den vier Stunden und 16
Minuten gab es nur noch ein Thema in der Unterhaltungswelt: Black
is Beautiful. Dass "A Beautiful Mind" die Krone als "Bester Film"
aufgesetzt bekommen hatte, geriet dabei völlig in den
Hintergrund.
Im Vorfeld der 74. Academy Awards war massiv die Rassenkarte
gespielt worden. Nachdem erstmals gleich drei afro-amerikanische
Darsteller als "Beste Hauptdarsteller" nominiert worden waren,
wurden Stimmen laut, dass es neben Alibi-Nominierungen auch endlich
mal farbige Gewinner geben müsse: Ein einziger afro-amerikanischer
"Oscar"-Sieger in der Hauptdarstellersparte in 73 Jahren - Sidney
Poitier gewann 1963 für "Lilien auf dem Feld" - stünde im grotesken
Missverhältnis zur Arbeit von Farbigen im Filmgeschäft.
Ob es dieser öffentliche Druck der politischen Korrektheit gewesen
ist, der die Academy-Wähler dazu bewegte, mit Halle Berry und
Denzel Washington gleich zwei Afro-Amerikaner zu "Oscar"-Ehren
kommen zu lassen, sei dahingestellt. Miss Berry hat bereits im
Vorfeld Preise gewonnen, darunter den Silbernen Bären auf der
Berlinale und den wichtigen Screen Actors Guild, und ihre
Darstellung in dem Lions Gate Films-Drama "Monster´s Ball" ist
wirklich ausgezeichnet.
Allerdings lief sie Gefahr, ihren "Oscar" wieder abgenommen und von
der Bühne getragen zu werden, denn bei ihrer Dankesrede kombinierte
die 33jährige die Hysterie einer Gwyneth Paltrow mit dem
Endlospalaver einer Julia Roberts. Zweifelsohne war es ein
wichtiger Moment, als erste farbige Hauptdarstellerin den Academy
Award in Empfang nehmen zu können, aber es zum Kampf einer ganzen
Rasse gegen die gottgegebene Unterdrückung zu stilisieren - "Dieser
Augenblick ist so viel größer als ich. Dieser Augenblick ist für
jede namenlose, gesichtslose farbige Frau, die nun eine Chance hat,
weil diese Tür heute Abend geöffnet worden ist" -, war ein wenig zu
viel des Guten, zumindest wenn man es auf über drei Minuten
streckte.
Bei Washington, dessen Sieg eine wirkliche Überraschung ist,
spielten die Tatsache, dass er bereits zum fünften Mal nominiert
war und er sich der Sympathie seiner Kollegen sicher sein konnte,
sicher auch eine Rolle. Der große Favorit Russell Crowe hatte es
sich - des zweiten "Oscar"-Triumphs hintereinander allzu sicher -
durch sein großkotziges Auftreten scheinbar mit zu vielen Wählern
verscherzt. Jetzt konnte er keine Rede mehr halten, geschweige denn
Gedichte rezitieren.
Ob dieser Meilenstein in der Academy Awards-Geschichte mit zwei
farbigen Preisträgern nachhaltig Folgen haben wird in der
Vertretung von Minderheiten unter den Nominierten und Siegern von
"Oscars", wird sich zeigen müssen. Im schlimmsten Fall könnte sich
Hollywoods kollektives Gewissen jetzt sagen, dass es mit dem
gestrigen Abend erst mal reicht.