Eigentlich gilt es als ausgemacht, dass Videocassetten eine aussterbende Spezies sind, ein unhandlicher Datenträger aus vorsintflutlicher, sprich: Vor-DVD-Zeit. Nichts kann den Erfolg der Silberscheiben mehr aufhalten, die das erfolgreichste Unterhaltungsmedium aller Zeiten mit enormen Zuwachsraten sind. Videos werden da vermutlich so schnell verschwinden wie einst die Schallplatten bei Verbreitung der CD.
Um so überraschender, dass ausgerechnet einige der großen Hollywood-Studios jetzt gegen den Strom schwimmen und weiter auf das Videocassettenformat setzen. Vorgestern kündigten 20th Century Fox, Universal Pictures, DreamWorks Pictures und Artisan Entertainment an, dass sie ab Juni Spielfilme auf D-VHS veröffentlichen werden. Darunter sollen die "Terminator"-Filme, "Stirb langsam", "X-Men", "Independance Day" und "U-571" sein.
D-VHS bietet eine mehr als doppelt so hohe Bildauflösung und besseren Ton als eine DVD. Mit 44 Gigabyte kann sie wesentlich mehr Daten fassen als eine DVD, die höchstens 18 Gigabyte speichern kann. Dieses neue Format soll besonders bei Besitzern von hochauflösenden Fernsehern nachgefragt werden. Die entsprechenden D-VHS-Player werden auch normale VHS-Cassetten abspielen können. Da diese Player der japanischen JVC mit aktuellen Listenpreisen um 2000 Dollar noch immer recht teuer sind und es nur wenige Besitzer von hochauflösenden Fernsehern gibt, bleibt der D-VHS-Markt allerdings eher ein Nischengeschäft. In den Vereinigten Staaten besitzen zwei Millionen Haushalte HDTV-Fernseher, aber bereits in 30 Millionen Heimen steht ein DVD-Player und in 90 Millionen ein DVD-Player.
Warner Brothers, Walt Disney Company und Columbia Pictures halten sich daher auch von dieser Innovation fern. "Soweit es uns betrifft, ist D-VHS kein kommerzielles Produkt. Wegen des enormen Erfolgs der DVD glauben wir, sowohl intuitiv wie auch praktisch, dass es eine starke Präferenz für Disc-bezogene Produkte gibt", erklärt Ben Feingold, der Vorsitzende von Columbia TriStar Home Entertainment. Marsha King von Warner hält dem Format entgegen, dass es die gesamten Vorteile von DVDs wie sofortigen Zugriff, zusätzlichen Sprachen, erweiterten Inhalten, welche die Silberscheibe auch populär gemacht habe, nicht bieten könne.
Dagegen meint Craig Kornblau, der Vorsitzende von Universal Home Video: "Man hat heutzutage Konsumenten, die gerne eine Hochauflösungsalternative hätten und denen wir nichts anbieten können. Ich glaube, dass es einen bestehenden Bedarf gibt, den es zu erfüllen gilt, und mit der D-VHS können wir diese Nachfrage bedienen, wobei wir zugleich einen erstklassigen Kopierschutz bieten."
Was Letzteres angeht sind sich fast alle Branchenkenner einig; es ist daher das größte Plus dieses Mediums aus Sicht der Industrie, die mit Rechtsmitteln dagegen kämpft, dass Decodierungsprogramme für ihren DVD-Kopierschutz veröffentlicht werden, sich aber klar darüber ist, dass der Kampf gegen DVD-Piraterie nicht gänzlich zu gewinnen ist. Bei Warner Brothers argumentiert man allerdings zu Gunsten der DVD, dass es in spätestens zwei Jahren einen verbesserten Kopierschutz für DVDs geben soll, der dem der D-VHS überlegen sein werde.