Während die Filmstudios ihre Action-Kracher nicht in die Kinos
zu bringen wagen, leihen sich die Amerikaner seit einer Woche
gerade solche Filme in den Videotheken aus
Es ist paradox: Während die Filmstudios Premieren von Filmen wie
"Collateral Damage" oder "Big Trouble" verschieben, weil sie der
durch die Terrorangriffe vom Dienstag letzter Woche geschockten
Bevölkerung Bomben, Explosionen und Terroristen nicht zumuten
wollen, liehen sich die Amerikaner über die letzte Woche genau
solche Filme aus.
Die Videotheken vermeldeten seit Dienstagnachmittag letzter Woche,
also noch am Tag der Anschläge von New York und Washington, einen
starken Anstieg der Ausleihquote. Ein Verkäufer der "Hollywood
Video"-Videothek in Los Angeles berichtete, dass "wir am Dienstag
dreimal so viel Umsatz wie gewöhnlich gemacht haben, als die Leute
reinkamen, die traurig, deprimiert und satt von dem waren, was sie
im Fernsehen gesehen hatten. Die Kunden sagten, sie wollten kein
Fernsehen mehr gucken, weil es zu niederschmetternd sei."
Natürlich griffen die Kunden am liebsten zu Komödien, um sich
abzulenken. Chris Reidy von "Videoactive" in Los Angeles
bestätigte: "Die Leute kommen wegen der Trostspenderfilme."
Streifen wie "Kevin allein zu Haus" oder Disney-Zeichentrickfilme
standen hoch im Kurs. Ein Angestellter bei "Wherehouse Music" in
Los Angeles erzählte von einem Kunden, der erst den Terroristen in
New York-Thriller "Ausnahmezustand" ausleihen wollte, "sich dann
aber entschloss, es nicht zu tun, weil es zu deprimierend sei", und
stattdessen etwas Leichteres mitnahm.
Dennoch erfreuen sich gerade Titel wie "Ausnahmezustand", der
inhaltlich den Geschehnissen vom vorletzten Dienstag wohl am
nächsten kommt, oder "Stirb langsam" ebenfalls vermehrter
Ausleihfreudigkeit. "Die Kunden wollen patriotische Streifen oder
alles, wo Terroristen in den Arsch getreten wird", vermeldete ein
"Blockbuster"-Verkäufer in Los Angeles.
Bizarrerweise stieg auch die Nachfrage nach dem britischen Drama
"Nostradamus" von 1994 sprunghaft an. Angeblich soll der
französische Astrologe aus dem 16. Jahrhundert die Terroranschläge
vorausgesagt haben. "Ich habe zehn Anfragen am Tag für Nostradamus,
und wir haben nur ein Exemplar", stöhnte ein Angestellter der
"Blockbuster"-Videothek im kalifornischen Tustin.