"Traffic" scheint zur späten Ehrenrettung für ein schwaches
US-Kinojahr zu werden
Die Chancen, von Steven Soderbergh, im März einen "Oscar" zu
erhalten, sind weiter gestiegen. Nachdem vor zwei Wochen die
Kritikervereinigung National Board of Review den Regisseur für
seinen Doppelschlag mit "Erin Brockovich" und "Traffic" geehrt
hatte, hat sich der New York Film Critics Circle dem am vergangenen
Mittwoch angeschlossen. Durch die Bekanntgabe ihrer Favoriten
dieses Filmjahres, denen am 14. Januar in Manhattan die Preise
übergeben werden, sind der Filmemacher und sein Werk "Traffic"
selbst, das als "Bester Film des Jahres" herausgepickt wurde, zu
ernsthaften "Oscar"-Anwärtern geworden.
Für ein schwaches amerikanisches Filmjahr ist es bezeichnend, daß
ein Film gepriesen wird, der nicht mal mehr im Kalenderjahr 2000
seine Uraufführung feiern wird. Landesweit kommt das Drogendrama
"Traffic" erst am 12. Januar in die US-Kinos und scheint zur späten
Ehrenrettung des amerikanischen Films zu werden. "Ich bin
überrascht, aber glücklich", kommentierte Soderbergh die
Auszeichnung seiner Produktion. "Der Film ist das Resultat harter
Arbeit vieler Leute vor und hinter der Kamera. Es ist toll zu
sehen, daß ihr Beitrag von einer solch renommierten Vereinigung
gewürdigt wird."
David Sterritt, Filmkritiker von "Christian Science Monitor" und
derzeitiger Vorsitzender des New York Film Critics Circle, einem
Komitee von 35 Rezensenten, die viele der führenden US-Zeitungen
und Zeitschriften, welche in New York ihren Sitz haben,
repräsentieren, gab dann auch zu, daß es bei der diesjährigen 66.
Verleihung schwer war, überhaupt Preiswürdiges zu finden: "Wir
wußten, daß es nicht einfach werden würde, eine Wahl zu treffen.
Das war ein sehr schwaches Jahr für das Hollywood-Kino. Daher hat
es mich nicht überrascht, daß wir viele Preise Independent- und
ausländischen Produktionen zugesprochen haben. Ich finde, daß die
diesjährigen Auszeichnungen ein wunderbares Gleichgewicht zwischen
der Unterhaltung und dem Künstlerischen gefunden haben. Wenn man
zugleich Preise an Tom Hanks und den Film George Washington
vergeben hat, wird das klar, denke ich."
Überraschend - gemessen an den anderen Nennungen für "Erin
Brockovich" - wurde nicht wieder Julia Roberts als "Beste
Schauspielerin" geehrt, sondern Laura Linney ("Die Truman Show")
für ihre Leistung in dem Independent-Drama "You Can Count on Me".
Der Film wurde bisher nur auf dem Sundance Filmfestival, in Los
Angeles und New York gezeigt, um ihn überhaupt für die Kritiker
wählbar zu machen; landesweit dagegen ist auch "You Can Count on
Me" noch nicht in die Kinos gekommen. Gleiches gilt für das Drama
"Cast Away", für das nun Tom Hanks ("The Green Mile") als "Bester
Schauspieler" mit seinem Part als Gestrandeter ausgezeichnet worden
ist.
Bei den Nebendarstellern wurden Marcia Gay Harden ("Space Cowboys")
für ihre Leistung in Ed Harris´ "Pollock" und Benicio Del Toro
("Fear and Loathing in Las Vegas") für seine Rolle in "Traffic"
gewürdigt.
Hier die Liste der Preisträger:
Bester Film: "Traffic"
Bester Regisseur: Steven Soderbergh für "Traffic"
Bestes Drehbuch: Kenneth Lonergan für "You Can Count on Me"
Beste Hauptdarstellerin: Laura Linney für "You Can Count on
Me"
Bester Hauptdarsteller: Tom Hanks für "Cast Away"
Beste Nebendarstellerin: Marcia Gay Harden für "Pollock"
Bester Nebendarsteller: Benicio Del Toro für "Traffic"
Beste Kamera: Peter Pau für "Crounching Tiger, Hidden Dragon"
Bester fremdsprachiger Film: "Yi Yi"
Bester Dokumentarfilm: "The Life and Times of Hank Greenberg"
Bester Animationsfilm: "Hennen rennen"
Bester Debutfilm: "George Washington"
Spezialpreis: Jules Dassin für "Rififi"