In dieser Woche macht Hollywood mal Pause und erfreuliche gleich drei deutsche Produktionen streben auf die hiesigen Leinwände: Til Schweiger's Neuester "Die Rettung der uns bekannten Welt", der Kinoableger der Web-Serie "Krass Klassenfahrt" und das Biopic "Lieber Thomas" mit einem außerordentlichen Albrecht Schuch als Thomas Brasch. Mittendrin noch "Last Night in Soho", der irre Mind-Trip von Edgar Wright. Was lohnt den Kinobesuch? Und wann lässt man das Portemonnaie besser stecken?
"Die Rettung der uns bekannten Welt"
Deutschland
Drama
135 Minuten
FSK 12
Unsere Empfehlung: Spart Euch das Geld!
Ein bipolarer Jugendlicher (Emilio Sakraya) verliebt sich in einem Therapiezentrum in eine von ihrem Onkel sexuell missbrauchte Gleichaltrige (Tijan Marei) und flüchtet mit ihr aus der Klinik.
Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Nebendarsteller Til Schweiger ("Keinohrhasen") kehrt zu seinem Erfolgsrezept von "Honig im Kopf" zurück, diesmal mit einer bipolaren Störung statt der Alzheimer-Erkrankung, aber auch im Gewande eines Road Movies. Und auch wie dort versetzt der Künstler sein deutsches Drama mit viel Humor. Es ist ein ambitioniertes Werk, denn die Warner Brothers Pictures-Produktion setzt sich mit durchweg ernsten Themen wie Depressionen, Missbrauch, Selbstverletzung und Suizid auseinander. Und es ist ein echter Schweiger: Der "letzte deutsche Autorenfilmer" macht weiter "sein Ding" und das ist "in seiner Durchgeknalltheit auch irgendwie einzigartig und faszinierend", wie Kritiker Jochen Werner findet. Nur leider kein gutes Kino, sondern oft peinlich und geschmacklos mit seinen deplazierten Toiletten- und Furzwitzen und tonal konfus mit einem völlig überflüssigen zweiten Handlungsstrang. Die ersten Kritiken sind negativ.
Unser Kritiker Björn Schneider lässt auch keine Milde walten: "Nach gängigem Til Schweiger-Muster inszenierter, überkonstruierter und pathetischer Drama-Komödien-Coming-of-Age-Mix, dem bei der Beschreibung und Darstellung der Krankheit Authentizität und Wahrhaftigkeit abgehen."
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"Last Night in Soho"
Horror
Großbritannien
117 Minuten
FSK 16
Unsere Empfehlung: Reingehen!
Eine angehende Modedesignerin (Thomasin McKenzie) zieht nach London und gerät dort in geheimnisvolle Zeitreisen in die sechziger Jahre, bei denen sie immer wieder in den Körper einer jungen Sängerin (Anya Taylor-Joy) schlüpft. Doch bald verwandeln sich diese traumhaften Ausflüge in Alpträume...
Visuell berauschend, ein toller Soundtrack und eine Handlung, die einen gespannt auf den Ausgang warten lässt - Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Edgar Wright ("Baby Driver") zeigt sich bei seinem britischen Horrorfilm so ambitioniert und stilsicher wie eh und je. Die 43 Millionen Dollar teure Universal Pictures-Produktion hat gute Kritiken und Zuschauerreaktionen geerntet.
Auch von unserem Rezensenten Andreas Köhnemann: "Ein wuchtiger, bildstarker Ritt durch dunkelbunte Genre-Welten, der die Experimentierfreude von Edgar Wright und das Talent von Thomasin McKenzie und Anya Taylor-Joy eindrücklich unterstreicht."
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"Krass Klassenfahrt"
Komödie
Deutschland
97 Minuten
FSK 12
Unsere Empfehlung: Spart Euch das Geld!
Eine Schulklasse fährt zur Feier des Abiturs nach Kroatien. Dort entspinnen sich nicht zuletzt wegen der Anwesenheit eines verehrten Rap-Musikers (Zejhun Demirov) einige Turbulenzen...
"Wer die Serie oder den Kinofilm guckt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", witzelt ein Zuschauer. Die Kinoausgabe zu der seit 2019 erst auf dem eigenen YouTube-Kanal und seit Staffel neun auf Joyn als Video on Demand abrufbaren Serie, die Produzent und Hauptdarsteller Jonas Ems und Jonas Wuttke ersannen, ist professionell gemacht - das muss man Regisseur und Drehbuchautor Felix Charin lassen. Ob das schon reicht, das Eintrittsgeld für die Leonine-Produktion zu berappen, ist eine andere Frage.
Unser Kollege Andreas Köhnemann hat die Antwort: "Eine souverän gefilmte, aber wenig einfallsreiche Webserien-Adaption mit stereotypem Personal."
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"Lieber Thomas"
Drama
Deutschland
156 Minuten
FSK 16
Unsere Empfehlung: Reingehen!
Ein ebenso intelligenter wie rebellischer junger Mann (Albrecht Schuch) beginnt Ende der Sechziger, das unterdrückende DDR-System in seinen künstlerischen Arbeiten zu kritisieren.
So eigenwillig, mutig und exzessiv wie der Schriftsteller, Filmemacher und Übersetzer Thomas Brasch, der von 1945 bis 2001 lebte und hier von Albrecht Schuch grandios zum Leben erweckt wird, ist auch das deutsche Drama von Regisseur Andreas Kleinert ("Freischwimmer") und Drehbuchautor Thomas Wendrich ("Je suis Karl"). Die überlange Wild Bunch-Produktion schafft es mit ihrer radikalen, fragmentarischen und widersprüchlichen Erzählweise die Essenz eines Freigeistes herauszumeißeln.
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