"Hass", Arte, 22:00 Uhr
Nachdem ein 16-Jähriger während eines Polizeiverhörs lebensbedrohlich verletzt worden ist, schwört ein anderer Jugendlicher (Vincent Cassel), einen Polizisten zu töten, falls er stirbt.
Welche eine Wendung. Nach seinem Regiedebut "Métisse" ("Lola liebt's schwarzweiß"), einer solala romantischen Komödie, legte Regisseur, Drehbuchautor und Cutter Matthieu Kassovitz ("Rebellion") dieses knallharte Schwarzweiß-Meisterwerk vor. Der damals 27-Jährige hatte sein Thema gefunden, und das lag auf der Straße beziehungsweise sprang ihn aus den Nachrichten an: 1993 wurde während eines Verhörs auf einem Polizeirevier in einer der berüchtigten Banlieues, der Pariser Vorstädte, ein 16 Jahre alter Zairer namens Makomé Bowole von einem Polizisten durch einen Schuss in die Schläfe getötet. Bowole war zu diesem Zeitpunkt mit Handschellen an einen Heizkörper gefesselt gewesen...
Eine weitere Inspiration war der Fall von Malik Oussekine, eines 22-jährigen Studenten, der 1986 von der Polizei so zusammen geschlagen worden war, dass er starb - obwohl er an der Massendemonstration, die Auslöser für den Polizeieinsatz gewesen war, gar nicht teilgenommen hatte.
Kassowitz nahm diese und weitere wahre Begegebenheiten, nutzte Aufnahmen echter Krawalle, tauchte mit seinem Team in das Banlieue von Chanteloup-les-Vignes ab, beschäftigte auch Laiendarsteller, ließ improvisieren und nutzte französischen HipHop und Rap für den Soundtrack.
Das französische Drama ist Atem beraubend wirkungsvoll geraten und wirft einen kompromisslosen Blick in das von Kriminalität, Drogenkonsum und Armut geprägte Leben von Jugendlichen der Vorstädte, zeigt Gewalt und Solidarität in eindringlichen Bildern.
"La haine" kam 1995 wie eine Naturgewalt auf die Leinwände und über das Publikum - bis heute gibt es keinen Kritiker, der sich unbeeindruckt zeigt, und kaum Zuschauer, die nicht überwältigt sind. Der damalige französische Premierminister Alain Juppé zeigte den Film seinem Kabinett - mit Anwesenheitspflicht für alle Minister. Bei den Filmfestspielen von Cannes wurde Matthieu Kassovitz für seine Regie ausgezeichnet. Französische Filmpreise gingen an den Film, an Produzent Christophe Rossignon und an die Cutter; nominiert waren Regisseur Kassovitz, sein Drehbuch, Hauptdarsteller Vincent Cassel, Kameramann Pierre Aïm und die Tontechniker. Auch kommerziell wurde die umgerechnet 2 Millionen Dollar teure Produktion mit einem weltweiten Einspiel von 15 Millionen Dollar eine Erfolg.
Ein Zuschauer schwärmt: "Einer hat mal gesagt: 'Wenn Göttlichkeit auf der beschriebenen Seite existieren kann, dann hat Vladimir Nabokov den Gottesbeweis geliefert. Über diesen erbarmungslosen Film lässt sich eine ähnliche Schlussfolgerung für die Leinwand ziehen. Erhaben, leidenschaftlich, großartig - keine Aufzählung von Adjektiven kann wirklich die Wirkung beschreiben, die dieser Streifen auf den Zuschauer hat. Von Anfang bis zum Schluss Atem beraubend, lässt jedes kleine Detail die Kinnlade runterklappen. Das Werk beinhaltet eine starke moralische Botschaft, ist aber keineswegs belehrend und war eine unheimliche Vorahnung der schweren Banlieu-Krawalle im Jahr 2005."
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