Die Sympathien der Kinobesitzer dürfte Scarlett Johansson bei diesem Rechtsstreit besitzen, den die gesamte Branche mit Interesse verfolgen wird, denn er berührt den seit Jahren schwelenden und nun durch die Zeit der Kinoschließungen zugespitzten Streit zwischen den Kinoketten auf der einen und den Filmstudios auf der anderen Seite über die Zeitfenster, in denen die Lichtspielhäuser einen Streifen exklusiv zeigen dürfen. Waren es früher Monate, bevor Spielfilme nach ihrer Kinopremiere auf Video und Disc zweitverwertet durften, hat sich das Fenster bei einigen Gesellschaften wie Walt Disney Studios und Warner Brothers Pictures inzwischen auf null geschlossen. Im Zuge einer neuen Verleihpolitik und dank der Verfügbarkeit des Internets geben diese Studios ihre Produktionen inzwischen zeitgleich zum Streamen frei.
Johansson hat gestern am Obersten Gericht in Los Angeles ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den wohl mächtigsten Medienkonzern aller Zeiten, die Walt Disney Company, angestrengt und verlangt einen ungenannten Schadensersatz. Die Aktrice behauptet, dass gemäß des zwischen ihr und Disney für "Black Widow" geschlossenen Arbeitsvertrags der Film nicht zeitgleich hätte auf Disney+ veröffentlicht werden dürfen. Während der Medienkonzern die Abonnentenzahl seines Streaming-Dienstes habe vergrößern und damit seinen Aktienkurs nach oben treiben wollen, sei das auf ihre Kosten gegangen, denn ihr Honorar basiere hauptsächlich auf einer Gewinnbeteiligung an den Kinoeinnahmen, die durch den gleichzeitigen Streaming-Start geschmälert worden seien. Die Disney-Chefs und -Manager wiederum profitierten von steigenden Aktienkursen, was diese Geschäftsstrategie erkläre.
"Zusammen gefasst lautete die Botschaft an und vom Top-Management bei Disney: Erhöht die Disney+-Abonnentenzahl, kümmert euch nicht um eure Vertragsversprechen und werdet belohnt", heißt es in der Klageschrift. Scarlett's Anwalt John Berlinski ergänzt: "Mit dieser kurzsichtigen Strategie verletzen sie die Verträge der Künstler, die für den Erfolg ihrer Filme verantwortlich sind. Das wird sicherlich nicht der letzte Fall sein, bei dem Hollywood-Talente Disney die Stirn bieten und klarstellen, dass - was immer die Firma vorspiegelt - sie eine rechtliche Verpflichtung besitzen, Verträge zu respektieren."
Für Johansson ist dieser Schritt, der eine künftige Zusammenarbeit mit Disney verunmöglichen dürfte, zum jetzigen Zeitpunkt insofern einfach, weil klar ist, dass ihr Auftritt als Natasha Romanoff in "Black Widow" ihr letzter im Marvel Cinematic Universe gewesen ist.
Disney haben inzwischen voll zurück gefeuert und dabei auch nicht davor zurück geschreckt, das bisherige Honorar der Darstellerin für "Black Widow" - angeblich 20 Millionen Dollar - zu veröffentlichen, was den guten Gepflogenheiten widerspricht. "Diese Klage ist besonders traurig und betrüblich in ihrer kaltschnäuzigen Missachtung der schrecklichen und verlängerten globalen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie", erklärt der Konzern in einer schriftlichen Stellungnahme.