Der unzeremonielle und abrupte Schluss der Gala könnte auf eine Fehlkalkulation der Produzenten zurückzuführen sein, die mit einem Sieg des im August verstorbenen Chadwick Boseman für "Ma Rainey's Black Bottom" rechneten, der natürlich keine Dankesrede hätte halten können, auf jeden Fall aber für einen emotionalen Abschluss gesorgt hätte. Statt dessen schwieg der in Wales gebliebene Hopkins.
Aufgrund der Corona-Pandemie, der die Academy Awards-Gala im vergangenen Februar noch knapp entgangen war, musste die Academy of Motion Picture Arts and Sciences die Show dieses Mal um zwei Monate in den April verschieben - womit sie an die ganz guten, alten Zeiten anknüpfte, als der wichtigste Filmpreis stets so spät verliehen worden war. Zudem mussten, um überhaupt genügend preiswürdige Filme zuzulassen, auch Streifen einbezogen werden, die gar nicht auf eine Leinwand gekommen waren, sondern nur im Internet gestreamt wurden. Die Diskussionen der Vorjahre, ob Streaming-Filme preiswürdig sein dürften, wurde so durch Corona abrupt und eindeutig beantwortet. Passend dazu gewann Netflix mit sieben Trophäen die mit Abstand meisten des Abends.
Auch die Show selbst lief natürlich anders als gewohnt ab. Zwar konnte die Verleihung als Präsenzveranstaltung stattfinden - alle Nominierten und Gäste mussten sich mindestens dreimal auf Covid-19 innerhalb einer Woche testen lassen -, und wurde auch live im Sender ABC übertragen. Statt dem gewohnten Dolby Theatre fand die Veranstaltung aber diesmal im Bahnhof Union Station in Los Angeles statt, und die Gästeschar war auf 170 Anwesende begrenzt.
Dagegen hielten sich, wie erwähnt, Überraschungen bei den Preisen à la "Parasite" und "Moonlight" in engen Grenzen. Mit "Nomadland" siegte der Film, der als erster zu Beginn der Preisverleihungssaison als Favorit genannt worden war und diesen Status mit Siegen bei den Golden Globes, Britischen Filmpreisen und den Producers Guild Awards hatte zementieren können. Zugleich gewann hier nochmal Old Hollywood, denn das Drama über eine ältere Frau, die nach der Wirtschaftskrise der nuller Jahre gezwungen ist, in einem Wohnwagen zu leben, ist eine Produktion von Fox Searchlight Pictures, die Walt Disney Studios durch deren Übernahme der Muttergesellschaft 20th Century Fox geerbt haben.
Für Hauptdarstellerin Frances McDormand sorgt ihr Sieg nicht nur für ihren dritten Gewinn nach "Fargo" und "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri", sondern beschert ihr als Produzentin von "Nomadland" sogar noch einen vierten. Es war ebenfalls nach dem Gewinn des Britischen Filmpreises und Nominierungen für den Golden Globe und Screen Actors Guild Award ein erwartbarer Gewinn und wie bei Hopkins eine eher konservative Wahl - auch hier gewinnt sozusagen buchstäblich Old Hollywood.
"Nomadland" konnte einen dritten Oscar für Regisseurin Chloe Zhao einstreichen, was nach Golden Globe, Britischem Filmpreis und Directors Guild Award auch keine Überraschung darstellt, aber diejenigen befriedigen wird, die es als skandalös empfanden, dass in der bisherigen Historie der Academy Awards seit 1929 mit Kathyrin Bigelow nur eine Filmemacherin zu Ehren kam.
Die drei Academy Awards für "Nomadland" waren an diesen Abend schon das höchste der Gefühle, und damit schaffte erstmals seit 2006 kein Film mehr als einen Hattrick. Von den zehn und damit meisten Nominierungen für "Mank" hatte sich die Presse blenden lassen und das Drama über die Entstehungsgeschichte des Drehbuchs zu "Citizen Kane" und dessen Autoren Herman J. Mankiewicz zum Favoriten gekürt. Doch schon die Golden Globes entlarvten den David Fincher-Film als Scheinriesen, als er mit sechs Nominierungen - und damit ebenfalls den meisten - keinen einzigen Preis gewinnen konnte. Diesmal war ihm solch ein bitterer Ausgang nicht beschieden; immerhin zwei Goldjungen gab es für Kameramann Erik Messerschmidt und die Bühnenbildner - zwei Kategorien, die bei den Globes nicht ausgelobt werden.
Eine #OscarsSoWhite-Diskussion über fast oder ganz ausschließlich weiße Nominierte hatte sich in diesem Jahr bereits mit den Nominierungen erledigt. Neun Nennungen für farbige Darsteller stellen sogar einen Rekord in der Oscar-Historie dar. Nun gewannen mit der chinesischen Regisseurin Zhao, der koreanischen Nebendarstellerin Youn Yuh-jung für "Minari" und dem englischen Nebendarsteller Daniel Kaluuya für "Judas and the Black Messiah" gleich drei farbige Künstler in wichtigen Kategorien.
Keine Überraschungen in den Filmkategorien: Der Oscar für den besten internationalen Film ging wie erwartet an den dänischen "Druk" ("Der Rausch"), für den Animationsstreifen an das Pixar-Werk "Soul" und für den Dokumentarfilm an "My Octopus Teacher".
"Bitte seht unseren Film auf der größtmöglichen Leinwand und nehmt bald jeden, den ihr kennt, Schulter an Schulter an diesen dunklen Ort mit und schaut euch jeden Film an, der hier heute Abend vertreten ist", bat Frances McDormand in ihrer Dankesrede und gab der Hoffnung Ausdruck, dass dieses ungewöhnliche Kinojahr und dessen Abschluss eine bedauerliche Einmaligkeit bleiben wird.
Hier die vollständige Liste der Nominierungen und Gewinner:
Bester Film:
- "The Father"
- "Judas and the Black Messiah"
- "Mank"
- "Minari"
- "Nomadland"
- "Promising Young Woman"
- "Sound of Metal"
- "The Trial of the Chicago 7"
- "Druk" ("Der Rausch" / Dänemark)
- "Better Days" (Hong Kong)
- "Colectiv" (Rumänien)
- "The Man Who Sold His Skin" (Tunesien)
- "Quo Vadis, Aida?"(Bosnien und Herzegowina)
- "Colectiv"
- "Crip Camp"
- "The Mole Agent"
- "My Octopus Teacher"
- "Time"
Beste Regie:
- Thomas Vinterberg ("Druk")
- David Fincher ("Mank")
- Lee Isaac Chung ("Minari")
- Chloé Zhao ("Nomadland")
- Emerald Fennell ("Promising Young Woman")
- Will Berson, Shaka King, Keith Lucas, Kenneth Lucas ("Judas and the Black Messiah")
- Lee Isaac Chung ("Minari")
- Emerald Fennell ("Promising Young Woman")
- Abraham Marder, Darius Marder und Derek Cianfrance ("Sound of Metal")
- Aaron Sorkin ("The Trial of the Chicago 7")
- Peter Baynham, Sacha Baron Cohen, Jena Friedman, Anthony Hines, Lee Kern, Dan Mazer, Nina Pedrad, Erica Rivinoja und Dan Swimer ("Borat Subsequent Moviefilm")
- Christopher Hampton und Florian Zeller ("The Father")
- Chloé Zhao ("Nomadland")
- Kemp Powers ("One Night in Miami")
- Ramin Bahrani ("The White Tiger")
- Viola Davis ("Ma Rainey’s Black Bottom")
- Andra Day ("The United States v. Billie Holiday")
- Vanessa Kirby ("Pieces of a Woman")
- Frances McDormand ("Nomadland")
- Carey Mulligan ("Promising Young Woman")
- Riz Ahmed ("Sound of Metal")
- Chadwick Boseman ("Ma Rainey’s Black Bottom")
- Anthony Hopkins ("The Father")
- Gary Oldman ("Mank")
- Steven Yeun ("Minari")
- Maria Bakalova ("Borat Subsequent Moviefilm")
- Glenn Close ("Hillbilly Elegy")
- Olivia Colman ("The Father")
- Amanda Seyfried ("Mank")
- Youn Yuh-jung ("Minari")
- Sacha Baron Cohen ("The Trial of the Chicago 7")
- Daniel Kaluuya ("Judas and the Black Messiah")
- Leslie Odom Jr. ("One Night in Miami")
- Paul Raci ("Sound of Metal")
- Lakeith Stanfield ("Judas and the Black Messiah")
- Sean Bobbitt ("Judas and the Black Messiah")
- Erik Messerschmidt ("Mank")
- Dariusz Wolski ("News of the World")
- Joshua James Richards ("Nomadland")
- Phedon Papamichael ("The Trial of the Chicago 7")
- Terence Blanchard ("Da 5 Bloods")
- Trent Reznor und Atticus Ross ("Mank")
- Emile Mosseri ("Minari")
- James Newton Howard ("News of the World")
- Trent Reznor, Atticus Ross und Jon Batiste ("Soul")
- "Fight for You" ("Judas and the Black Messiah")
- "Hear My Voice" ("The Trial of the Chicago 7")
- "Húsavík" ("Eurovision Song Contest")
- "Io Si (Seen)" ("The Life Ahead")
- "Speak Now" ("One Night in Miami")
- Yorgos Lamprinos ("The Father")
- Chloé Zhao ("Nomadland")
- Frédéric Thoraval ("Promising Young Woman")
- Mikkel E.G. Nielsen ("Sound of Metal")
- Alan Baumgarten ("The Trial of the Chicago 7")
- Peter Francis und Cathy Featherstone ("The Father")
- Mark Ricker, Karen O’Hara und Diana Stoughton ("Ma Rainey’s Black Bottom")
- Donald Graham Burt und Jan Pascale ("Mank")
- David Crank und Elizabeth Keenan ("News of the World")
- Nathan Crowley und Kathy Lucas ("Tenet")
- Alexandra Byrne ("Emma")
- Trish Summerville ("Mank")
- Ann Roth ("Ma Rainey’s Black Bottom")
- Bina Daigeler ("Mulan")
- Massimo Cantini Parrini ("Pinocchio")
- Marese Langan ("Emma")
- Eryn Krueger Mekash, Patricia Dehaney und Matthew Mungle ("Hillbilly Elegy")
- Matiki Anoff, Mia Neal und Larry M. Cherry ("Ma Rainey’s Black Bottom")
- Kimberley Spiteri und Gigi Williams ("Mank")
- Dalia Colli, Anna Kieber, Sebastian Lochmann und Stephen Murphy ("Pinocchio")
- Matt Sloan, Genevieve Camilleri, Matt Everitt und Brian Cox ("Love and Monsters")
- Matt Kasmir, Chris Lawrence, Dave Watkins und Max Solomon ("The Midnight Sky")
- Sean Faden, Anders Langlands, Seth Maury und Steve Ingram ("Mulan")
- Nick Davis, Greg Fisher, Ben Jones und Santiago Colomo Martinez ("The One and Only Ivan")
- Andrew Jackson, Andrew Lockley, Scott R. Fisher und Mike Chambers ("Tenet")
- Odin Benitez, Jason King, Christian P. Minkler, Michael Minkler und Jeff Sawyer ("Greyhound")
- Ren Klyce, Jeremy Molod, David Parker, Nathan Nance und Drew Kunin ("Mank")
- John Pritchett, Mike Prestwood Smith, William Miller, Oliver Tarney und Michael Fentum ("News of the World")
- Coya Elliott, Ren Klyce, David Parker und Vince Caro ("Soul")
- Phillip Bladh, Nicolas Becker, Jaime Baksht, Michelle Couttolenc, Carlos Cortés und Carolina Santana ("Sound of Metal")
- "Feeling Through"
- "The Letter Room"
- "The Present"
- "Two Distant Strangers"
- "White Eye"
- "Colette"
- "A Concerto Is a Conversation"
- "Do Not Split"
- "Hunger Ward"
- "A Love Song for Latasha"
- "Burrow"
- "Genius Loci"
- "If Anything Happens I Love You"
- "Opera"
- "Yes-People"