"Deadpool", Pro7, 20:15 Uhr
Ein Söldner (Ryan Reynolds) mit losem Mundwerk und tiefschwarzem Humor wird einem abseitigen Experiment unterzogen, das ihn mit erhöhten Heilkräften und einem Verlangen nach Rache ausstaffiert.
Deadpool alias Wade Winston Wilson ist ein Charakter, der erstmals 1991 in einem Marvel Comic auftauchte und 1997 seine eigene Comic-Reihe erhielt. Im "X-Men"-Universum ist Deadpool der etwas andere Held, sogar eher ein Anti-Held mit einer sehr sarkastischen Attitüde, der fortwährend die vierte Wand durchbricht, sich also direkt an den Leser wendet und Sprüche über Pop-Kultur bringt, während die Autoren oft aktuelle Filme und Serien parodieren.
Entsprechend groß war die Enttäuschung bei Fans der Figur, als Deadpool 2009 zum ersten Mal in "X-Men Origins: Wolverine" auftauchte. Der von Ryan Reynolds verkörperte Charakter brachte nämlich keinerlei Sprüche und wendete sich auch nicht an das Publikum. Marvel-Leser mussten den Eindruck erhalten, dass die Filmemacher keinen Schimmer hatten, was Deadpool ausmachte und seinen Stellenwert bei Fans begründete.
Kein Wunder also, dass Reynolds - als die Pläne für einen Deadpool-Solo-Film konkret wurden - versicherte, man werde den Geist der Comic-Vorlagen auf die Leinwand übertragen. Doch bis das so weit war, wurde hinter den Kulissen bei 20th Century Fox jahrelang heftig gekämpft.
Das Studio hatte die Rechte an der Figur bereits 2005 erworben und wollte nach dem Erfolg von "X-Men Origins: Wolverine" auch Deadpool entsprechend ins Kino bringen. Doch die Studiobosse konnten sich überhaupt nicht mit dem Drehbuch von Rhett Reese und Paul Wernick anfreunden, dessen vulgäre Sprüche allein schon garantierten, dass der US-Fantasy-Film keine "PG-13"-Altersfreigabe erhalten würde, sondern das gefürchtete "R" ("Restricted"). Damit würden Jugendliche unter 17 Jahren nur in Erwachsenenbegleitung ins Kino kommen. Comic-Verfilmungen wie "300" im Jahr 2006 und "Watchmen" im Jahr 2009, die mit "R" freigegeben worden waren, hatten zum Start nur die Hälfte des Ergebnisses erreicht, die Superheldenfilme sonst erzielten. "Kick-Ass", dessen Tonfall am ehesten mit dem eines potentiellen "Deadpool" zu vergleichen war, kam sogar mit lediglich knapp 20 Millionen Dollar aus den Startlöchern.
Was das "Deadpool"-Projekt dann scheinbar auf absehbare Zeit beerdigte, war der Flop von "Green Lantern", in dem ausgerechnet Ryan Reynolds diese Figur aus dem DC Comics-Universum verkörperte. Die Fox-Manager zählten eins und eins - "R"-Rating und "Kassengift" Ryan Reynolds - zusammen und stoppten die Vorproduktion. Sie ließen sich auch nicht von Probeaufnahmen von Reynolds als Deadpool beeindrucken, die der avisierte Regisseur Tim Miller ("Terminator: Dark Fate"), dessen Debut dies werden sollte, gedreht hatte.
Im Juli 2014 nahm die endlose Vorproduktionsgeschichte eine überraschende Wendung. Irgendjemand - bis heute ist nicht klar, wer es war - veröffentlichte die Testaufnahmen im Internet. Die Reaktion auf das Material war überwältigend positiv - so sehr, dass Fox einknickten und im September grünes Licht für die Dreharbeiten zu einem Streifen à la Tim Miller gaben. Dass der Superhelden-Filmzyklus mit dem gigantischen Erfolg von "The Avengers" inzwischen in eine neue, Erfolg versprechende Phase eingetreten war, trug sein Scherflein sicherlich auch dazu bei.
So konnte im Frühjahr 2015 im kanadischen Vancouver gedreht werden. Dass das Filmstudio immer noch skeptisch war, zeigte sich indes in dem immer wieder nach unten gekürzten Budget, das schließlich vergleichsweise bescheidene 58 Millionen Dollar betrug. Für die Anwesenheit der Drehbuchautoren Reese und Wernick am Drehort wollte das Studio zum Beispiel nichts bezahlen, so dass Reynolds deren Arbeitszeit aus eigener Tasche finanzierte, um mit ihnen vor Ort ständig neue Sprüche improvisieren zu können.
Wie versprochen klopft Deadpool nicht jugendfreie Sprüche ohne Ende, wendet sich ständig an die Zuschauer und macht sich über alles lustig, was links und rechts des Weges liegt. So kommentiert er die Anwesenheit von zwei X-Men-Superhelden: "Nur zwei? Mehr wollten Fox wohl nicht bezahlen." Er bittet darum, nicht grün und animiert zu werden - eine Anspielung auf Green Lantern - und fragt an einer Stelle, ob man gerade in der X-Men-Zeitachse sei, wo Patrick Stewart oder James McAvoy Professor X spielten.
Schnell, witzig und mit Schmackes profan, unterwanderte das Werk das Superheldenschemata mit äußerst unterhaltsamem und definitiv nicht familienfreundlichem Ergebnis. Auch auf visueller Ebene wollten Miller und sein Kameramann Ken Seng ihren Streifen auch nicht zu geleckt aussehen lassen und sorgten in der Nachproduktion dafür, dass das digitale Bildmaterial eine künstliche Grobkörnung, die man von Zelluloid kennt, erhielt. Sechs Firmen sorgten darüber hinaus für rund 1500 Spezialeffekte.
Am Schluss wird an der Kinokasse abgerechnet, wer Recht behielt - die skeptischen Studiobosse oder die wagemutigen Künstler. Nachdem die Kritiker bereits den Daumen gehoben hatten, stürmten die Zuschauer 2016 die Kinos und machten "Deadpool" mit weltweit 783 Millionen Dollar zu einem Riesenerfolg. Es zeigte sich, dass nun viele Fans kamen, die honorierten, einmal keine verwässerte, auf Kinderaugengeschmack getrimmte Geschichte vorgesetzt zu bekommen, sondern eine sozusagen werkgetreue Verfilmung. Die witzige Marketing-Kampagne hatte ebenfalls Lust auf diesen etwas anderen Superhelden gemacht. 20th Century Fox gaben nun sofort die Fortsetzung in Auftrag, die zwei Jahre später auf die Leinwände traf und mit 785 Millionen Dollar genauso erfolgreich werden sollte.
James Gunn, der Regisseur von "Guardians of the Galaxy", erklärte: "Der Film ist ein Erfolg, weil er originell und verdammt gut ist und keine Angst hatte, Risiken einzugehen. Ich hoffe, dass die Filmstudios die richtige Lehre daraus ziehen."
Bei den Golden Globes wurden der Film und Hauptdarsteller Ryan Reynolds nominiert.
Kritikerin Sarah Marrs befand in "Lainey Gossip": "Der Film ist kess und witzig, die meisten Witze treffen ins Schwarze, und das Ganze verspottet ganz offen das übliche Moralisieren in den Superheldenfilmen. Statt dessen sorgt der Streifen Hände reibend für Brutalitäten, bei denen die Eingeweide nur so spritzen, und Obszönitäten."
"Teheran Tabu", Arte, 22:00 Uhr
Vier junge Menschen im iranischen Teheran sind auf ihrer Suche nach Freiheit und Glück gezwungen, Tabus ihrer beengenden islamischen Gesellschaft zu brechen.
Man mag es diesem Animationsstreifen aus dem Jahr 2017 nicht ansehen, aber es handelt sich um eine deutsche Produktion, deren Komponist Ali N. Askin folgerichtig als Nominierter bei den Deutschen Filmpreisen auftauchte. Regisseur und Drehbuchautor Ali Soozadeneh lebt in Deutschland und erhielt dank einer Mischung aus Fördermitteln deutscher und österreichischer Fördertöpfe die Gelegenheit, sein Langfilmdebut zu geben.
Gedreht wurde mit iranischen Schauspielern auf Persisch in einem Wiener Filmstudio vor Greenscreen; über die Darsteller legte man dann wie zum Beispiel bei "Waltz with Bashir" oder "Persepolis" mit Hilfe von Motion Capture und Rotoskopie Zeichentrickfiguren. So wurde es Soozadeneh ermöglicht, Bilder aus Teheran zeigen zu können, wo er naturgemäß mit seinem kritischen Werk nicht drehen konnte.
Die deutsche Filmwirtschaft war von der Little Dream Entertainment-Produktion so überzeugt, dass sie auf der Auswahlliste derjenigen Werke landete, die man für eine Oscar-Nominierung in Erwägung zog. Unter anderem schaffte es "Teheran Tabu", der durchweg gute Kritiken erhielt, auch in eine Nebensektion des Cannes Film Festival.
"Teheran Tabu" überzeugt mit seiner geschickten und fesselnden Geschichte und der wunderschön realisierten Rotoskopie-Photographie und erschafft eine überzeugende Welt sich kreuzenden städtischen Elends und Herausforderungen.
ARTE zeigt den Film, den es selbst mitproduziert hat, als TV-Premiere.
Kritikerin Beth Accomando schrieb in "KPBS": "Ein erhellender und unterhaltsamer Film, der es schafft, zugleich tragisch und von trockenem Witz zu sein, während er soziale, kulturelle und politische Themen des modernen Iran erforscht."
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