"Dunkirk", Pro7, 20:15 Uhr
Die im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Armee in der französischen Küstenstadt Dünkirchen eingekesselten rund 340 000 britischen und französischen Soldaten sollen über den Ärmelkanal evakuiert werden.
"Operation Dynamo", die erfolgreiche, nicht für möglich gehaltene Rettung einer ganzen Armee über den Ärmelkanal innerhalb von zehn Tagen vom 26. Mai bis 4. Juni 1940, ist im Kino kein großes Thema gewesen; die Briten hatten die Geschichte nur 1958 bereits verfilmt. Zwei Gründe mögen eine Rolle gespielt haben: Es waren keine Amerikaner involviert, was das Interesse Hollywoods schon einmal gemindert haben dürfte, und es handelt sich auch um keinen Sieg, sondern bei Licht besehen um einen schmählichen Rückzug. Aber es war eben auch eine gewaltige logistische Leistung und ein Zeichen großen nationalen Zusammenstehens und Engagements von Zivilisten für ihre Landsleute - und auch französische Soldaten - und die Geburtsstunde und Grundlegung des Mythos des Behauptungswillens des United Kingdom gegenüber der scheinbar übermächtigen Dampfwalze der deutschen Armeen, symbolisiert durch die Rede "We Shall Fight on the Beaches" des britischen Premierministers Winston Churchill.
Dieser stand im Mittelpunkt von Joe Wright's "Darkest Hour", der wie "Dunkirk" 2017 Premiere feierte. Beide Werke verhalten sich zueinander wie zwei Seiten derselben Münze: Während Wright die politischen Auseinandersetzungen zeigt, die schließlich zur Evakuierungsentscheidung und zur genannten Rede führten, konzentriert sich Christopher Nolan ("Interstellar") ganz auf das Geschehen am Kriegsort und verzichtet völlig auf über Karten brütende Generäle oder Reden schwingende Staatsmänner. Sein Ziel mit diesem britischen Abenteuerfilm war es, den Zuschauer von der ersten Minute an in das Geschehen der titelgebenden Stadt zu werfen und für rund 90 Minuten nicht mehr loszulassen. Das Publikum sollte die Lage der Soldaten am Boden, zu Wasser und in der Luft direkt nachempfinden.
Nolan gelingt dies mit dem Einsatz des ihm zur Verfügung stehenden cinematischen Arsenals, dem Einsatz verschiedener Kameratypen, einer gewaltigen Klangkulisse und praktischen Effekten, während er computergenerierte Effekte und auch Dialoge spärlich einsetzte. Für sein eigenes Drehbuch hatte der Engländer zuvor gründlich recherchiert und Historiker und Zeitzeugen interviewt. Vor der Kamera setzte man die Flugzeuge, Kriegsschiffe und Kleinboote ein, die rund ein dreiviertel Jahrhundert zuvor zum Einsatz gekommen waren und die man weltweit zusammen gesucht hatte. Veteranen der "Operation Dynamo" bezeugten nach der Premiere die Authentizität des Gezeigten.
Gedreht wurde im gleichen Jahreszeitraum ab Mai 2016 vor Ort in Dünkirchen, in der englischen Grafschaft Dorset, auf dem niederländischen Ijsselmeer, das für Dreharbeiten besser geeignet war als der unruhigere Ärmelkanal, und in Rancho Palos Verdes im US-Bundesstaat California, an deren Steilküste mit Blick auf den Pazifik Luftgefechte in Szene gesetzt wurden.
Für die Besetzung setzte Christopher auf ausschließlich britische Akteure und dabei auf einige Debutanten wie Tom Glynn-Carney, Fionn Whitehead und den Sänger Harry Styles. Die unbekannten Gesichter sollten die Identifikation mit den jungen Soldaten erleichtern und zum Realismus beitragen.
Nolan wäre nicht Nolan, wenn er die Handlung linear führen würde. Der Filmemacher, in dessen Werken das Thema Zeit oft präsent ist und der mit Vorliebe verschiedene Handlungsstränge parallel führt, stellte sein Material aus rund 54 Stunden Aufnahmen so zusammen, dass drei Stränge, die unterschiedlich lange Zeiträume abdecken - die Soldaten am Strand, die eine Woche ausharren oder versuchen überzusetzen, die Rettungsboote von England kommend, die einen Tag unterwegs sind, und Piloten, die sich eine Stunde lang Luftgefechte mit den Deutschen zur Absicherung der Evakuierung liefern -, parallel laufen und zum Schluss ineinander münden.
"Dunkirk" ist ein emotional aufwühlendes Spektakel, das von einer großartigen Besetzung und einem Regisseur in völliger Beherrschung seines Handwerks zum Leben erweckt wird und den historischen Geschehnissen zur Ehre gereicht.
Die Warner Brothers Pictures-Produktion erhielt durchweg gute Kritiken und wurde mit weltweit 525 Millionen Dollar ein großer Erfolg. Bei den Academy Awards wurden Cutter Lee Smith, der Tonschnitt und die Tonmischung ausgezeichnet; nominiert waren der Film, Regisseur Christopher Nolan, Kameramann Hoyte van Hoytema, Komponist Hans Zimmer und die Bühnenbildner. Bei den Golden Globes waren der Film, Regisseur Christopher Nolan und Komponist Zimmer nominiert; bei den Britischen Filmpreisen gewannen die Tontechniker; nominiert waren der Film, Regisseur Nolan, Kameramann van Hoytema, Komponist Zimmer, Cutter Smith, die Bühnenbildner und die Visuellen Effekte.
Kritiker Nick Monahan schrieb in "Cultered Vultures": "Mit einem exzellenten 'Zeigen, nicht beschreiben', umwerfender Photographie und einer wahrhaft unheimlichen Tonspur und Musik schafft es der Film, die Zuschauer direkt in eine wenig besungene, um so düstere Zeit im Zweiten Weltkrieg hineinzukatapultieren."
"Rain Man", Arte, 20:15 Uhr
Ein selbstsüchtiger Yuppie (Tom Cruise) wird im Testament seines Vaters zu Gunsten seines ihm bislang unbekannten Bruders (Dustin Hoffman) übergangen, der als Autist in einer Klinik lebt. Kurzerhand nimmt er den kranken Bruder auf eine Reise quer durch Amerika mit.
Dieses Drama ist einer der Triumphe in der an großartigen Darstellungen nicht gerade armen Karriere von Dustin Hoffman. Und während seine Teilnahme an der MGM-Produktion von Beginn an vorgesehen war, so doch nicht in der Rolle des Autisten Raymond Babbitt, sondern zunächst im Part, den später dann Tom Cruise übernehmen sollte. Für Raymond kontaktierte die Schauspieleragentur CAA zunächst Bill Murray. Als dieser absagte, erhielt Hoffman die Rolle.
Drehbuchautor Barry Morrow hatte die Idee zu dem Streifen entwickelt, nachdem er von Laurence Kim Peek erfahren hatte, einem Amerikaner mit einer Inselbegabung. Peek verfügte über ein unglaubliches Gedächtnis und konnte unter anderem den Inhalt von 12 000 Büchern Wort für Wort wiedergeben, nachdem er ein Buch nur einmal gelesen hatte. Aber er war nicht in der Lage, motorisch einfache Vorgänge wie das Aufknöpfen eines Hemdes durchzuführen oder sich in gesellschaftlichen Zusammenhängen zu bewegen. Medizinisch wurde er mit der Diagnose Autismus bedacht, was sich im Nachhinein zwar als falsch herausstellte, aber Morrow den Ausgangspunkt für sein Skript zu "Rain Man" lieferte.
Der immens populäre Streifen, der mit einem weltweiten Einspiel von 355 Millionen Dollar zum erfolgreichsten Film des Jahres 1988 wurde, machte die breite Öffentlichkeit erstmals mit dem Krankheitsbild des Autismus bekannt, erweckte dabei aber den Eindruck, dass dies mit zahlreichen Inselbegabungen einher geht, was nicht stimmt.
Regisseur Barry Levinson drehte vor Ort in Los Angeles, Cincinnatti und Las Vegas und in der Wüste nahe des kalifornischen Palm Springs für 25 Millionen Dollar. Da der Streik der Drehbuchautoren begonnen hatte, wurde das Skript nicht ganz fertig. Vielleicht hätte unter anderen Umständen die Handlung etwas fokussierter gewirkt und der Film mehr wie aus einem Guss, aber dank der beeindruckenden Inszenierung von Levinson und der starken Darstellungen von Cruise und insbesondere Hoffman fesselt das Werk in seinen tragischen Situationen und amüsiert mit seinen komischen Komponenten.
"Rain Man" wurde für acht Oscars nominiert und konnte davon vier Hauptpreise gewinnen: Als "Bester Film", für Regie, Drehbuch und Hauptdarsteller Dustin Hoffman. Leer gingen Kameramann John Seale, der deutsche Komponist Hans Zimmer - für den dies seinen Durchbruch in Hollywood bedeutete -, Cutter Stu Linder und die Ausstatter aus. Bei den Golden Globes gewannen der Film und Hoffman; nominiert waren Regie und Drehbuch. Bei den Britischen Filmpreisen lagen das Drehbuch, Hauptdarsteller Hoffman und Cutter Lindner im Rennen.
Ein Zuschauer meint: "Wo soll man beginnen, diesen Film zu preisen? Sicherlich mit Dustin Hoffman. Ich bin verblüfft, was er in dieser Rolle erreicht hat. Den leeren Gesichtsausdruck, die monotone Stimme, das Schreien - es war unglaublich. Niemals gab es einen gerechtfertigteren Oscar-Sieg. Tom Cruise ist auch sehr gut als Schurke des Stückes, der eine solche subtile Wandlung durchmacht, dass man es bis zum Schluss fast gar nicht bemerkt. Ich habe wohl keine berührendere Szene gesehen, als die im Motelzimmer, in der Charlie alias Cruise erkennt, wer der Rain Man wirklich ist. Absolut wundervoll."
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