Während des Zweiten Weltkriegs versteckt sich in Amsterdam ein jüdisches Mädchen (Lea van Acken) mit ihrer Familie vor den Deutschen.
Der beste Zugang zu Geschichte vermittelt sich über persönliche Erfahrungen. So verwundert es nicht, dass das Bild der Judenverfolgung und -vernichtung während des Zweiten Weltkriegs besonders durch das Tagebuch eines 13-jährigen Teenagers geprägt worden ist. Der Schrecken bekam Gesicht und Stimme, das Abstrakte, das einen kalt lassen kann, wurde zum Konkreten, das einen mitfühlen lässt.
Die Familie von Anne Frank war gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 aus Frankfurt am Main nach Amsterdam geflohen. 1940 besetzten die Deutschen die Niederlande. Anne's Vater Otto bereitete bereits ein Versteck im Hinterhaus seiner Firma vor, in dem die Familie am 6. Juli 1942 zusammen mit zweiten weiteren Familien unterschlüpfte, um sich dem Zugriff der Gestapo zu entziehen. Zwei Jahre lebten sie dort, bis sie verraten und am 4. August 1944 verhaftet wurden. Anne kam ins Vernichtungslager Auschwitz, wo sie der Vergasung nur entging, weil sie gerade 15 Jahre alt geworden war - alle jüngeren Jugendlichen und Kinder wurden sofort ermordet. Die Deutschen evakuierten Auschwitz Monate später vor der nahenden sowjetischen Armee, und Anne kam ins Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo sie im März 1945 am Fleckfieber starb.
Vom 12. Juni 1942 bis zum 1. August 1944 hatte das Mädchen Tagebuch geführt. Miep Gies, die Helferin der Familie Frank, konnte es an sich nehmen und so vor dem Zugriff der Deutschen bewahren. Das Tagebuch übergab sie nach dem Krieg an Anne's Vater, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt hatte. Dieser veröffentlichte 1947 die Aufzeichnungen, die schon in den Fünfzigern zum meistverkauften Taschenbuch und meistaufgeführten Bühnenstück in der Bundesrepublik Deutschland wurden. Ein niederländischer Journalist schrieb: "Dieses scheinbar belanglose Tagebuch eines Kindes, dieses in einer Kinderstimme gestotterte de profundis, verkörpert die Grässlichkeit des Faschismus besser als alle Beweise von Nürnberg zusammen."
Das Tagebuch wurde in über 70 Sprachen übersetzt und machte die Autorin zu einem der bekanntesten Opfer des Holocausts. 2009 nahm die UNESCO das Werk in das Weltdokumentenerbe auf. Es wurde mehrfach für das Kino und Fernsehen verfilmt; am bekanntesten 1959 in den USA als "The Diary of Anne Frank".
2014 beschlossen deutsche Filmemacher, dass die Zeit reif für eine Erzählung auch aus dem Land der Täter für die große Leinwand war. Mit Drehbuchautor Fred Breinersdorfer nahm sich ein bewährter Erzähler historischer Stoffe aus dem Dritten Reich der Geschichte an: Er hatte das Skript für "Sophie Scholl - Die letzten Tage" und "Elser - Er hätte die Welt verändert" verfasst. Die Regie übernahm Hans Steinbichler, der sein Werk "aus der subjektiven und somit authentischen Erfahrung eines frechen, ungemein klugen Mädchens in der Pubertät, das unter aberwitzigen Bedingungen aufwachsen muss", erzählen und damit besonders die junge Generation ansprechen wollte.
Unterstützt wurden die Dreharbeiten vom Anne Frank-Fonds in Basel, der das Erbe des jüdischen Mädchens verwaltet. Dadurch konnten die Filmemacher auf ein umfangreiches Archiv und Recherchematerial zurückgreifen. Gedreht wurde in den MMC-Studios in Köln sowie in Bayern, Berlin und Brandenburg und Originalschauplätzen in Amsterdam, allerdings nicht im Anne Frank-Haus, das sich zu sehr seit den Originalgeschehnissen 70 Jahre zuvor verändert hatte. Die Szenen, die im Konzentrationslager spielen, wurden im Gebäude einer ehemaligen Spinnerei im bayerischen Mainleus gedreht. Die Urlaubsszene wurde im schweizerischen Sils-Maria gedreht, wobei im Hintergrund die originale Villa Laret zu sehen, die damals Anne Frank's Tante gehörte. Die Strandszene entstand auf Norderney.
"Das Tagebuch der Anne Frank" ist ein intelligent gemachtes, anteilnehmendes und werkgetreues deutsches Drama mit einer eindrucksvollen Lea van Acken in der Titelrolle. Der von Universal Pictures mitproduzierte Streifen erhielt 2016 gute Kritiken, wurde mit 432 000 Zuschauern aber nur mäßig erfolgreich. Bei den Deutschen Filmpreisen wurde Szenenbildner Volker Schäfer nominiert.
Kritiker Bernd Dörries schrieb in der "Süddeutsche Zeitung": "Es wird nichts überhöht, es werden keine Denkmäler gebaut oder Botschaften versendet. Es ist, wie es ist, wie es war – und stärker kann es auch nicht werden. Näher als durch den Film kommt man Anne Frank nur beim Lesen ihres Buches."
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