Als vor einigen Monaten der amerikanische Abenteuerfilm "U-571"
in die Kinos kam, protestierten britische Historiker und Medien
gegen die Darstellung, die deutsche Chiffriermaschine "Enigma" sei
von den Amerikanern erbeutet worden.
Als vor einigen Monaten der amerikanische Abenteuerfilm "U-571" in
die Kinos kam, protestierten britische Historiker und Medien gegen
die Darstellung, die deutsche Chiffriermaschine "Enigma" sei von
den Amerikanern erbeutet worden. In der Wirklichkeit waren es
nämlich die Briten gewesen, denen dieser kriegsverkürzende
Schachzug gelang. Entschlüsselt wurde der Code von Dechiffrierern
in Bletchley Park, Buckinghamshire, die ebenfalls empört darüber
waren, dass die Amerikaner dies im Film für sich reklamierten.
Jetzt wird die "Enigma"-Maschine - nachdem sie in dem Thriller, äh,
"Enigma", dessen Dreharbeiten im Frühling beendet wurden, von den
Briten ergattert wird - in dem Film "All the Queen´s Men" von einem
angloamerikanischen Team erbeutet werden. Weniger dies hat eine
neue Kontroverse angestoßen, als die Tatsache, dass das Ganze als
eine Komödie daherkommt. Die Atlantic Streamline-Produktion, die
ein Budget von etwa 30 Millionen Mark besitzt, wird am Donnerstag
mit den Dreharbeiten in Wien und Budapest beginnen und von Stefan
Ruzowitzky ("Anatomie") inszeniert. Erzählt wird, wie alliierte
Geheimdienstleute, als Frauen verkleidet, im
nationalsozialistischen Deutschland eine Berliner Fabrik
infiltrieren, um an die dort produzierte Chiffriermaschine zu
gelangen. Angeführt wird die Gruppe von Matt Le Blanc ("Lost in
Space") und dem britischen Komiker Eddie Izzard ("Mit Schirm,
Charme und Melone"). Die meisten Witze drehen sich natürlich um
Männer in Frauenkleidern. Und das alles vor dem Hintergrund des
Nazi-Deutschlands? "Schindlers Liste" trifft "Tootsie"? Der
britische Komiker David Schneider (Bild) ist sich bewusst, dass er
mit seinem Drehbuch heikles Terrain ansteuert. Zunächst mal betont
er, sich positiv von gewissen anderen Filmen abzuheben: "Wir haben
uns, hoffe ich, keine Freiheiten mit den historischen Details
herausgenommen, zumindest nicht in der Weise, wie das dieser
U-Boot-Film getan hat, aber ein solch sensibles Thema zu behandeln,
war dennoch recht schwierig." Der Autor, der selbst jüdisch ist,
räumt ein, "dass die Leute verärgert darüber sein können, wenn wir
diese Dinge mit Humor behandeln. Ich hoffe, dass ich dies umgehen
konnte, indem ich so geschmackvoll und so wahrheitsgetreu wie
möglich bei den Schrecken des Nazi-Regimes gewesen bin. Für mich
ist es als Jude wie auch als Drehbuchautor eine interessante Reise
gewesen. Und es wird eine interessante Mischung sein." Jüdische
Glaubensgenossen sind da skeptischer, da ihnen die ganze Richtung
von "Nimm die Nazis mit Humor"-Filmen nicht passt: "Als die
italienische Komödie Das Leben ist schön herauskam", meint Trudy
Gold, die Vorsitzende des Jüdischen Kulturzentrums in London, "gab
es eine Menge Kontroversen über ihre humorvolle Einstellung. Eine
Menge Leute, die wir in unserem Holocaust-Überlebendenzentrum
trafen, waren über den Ton besorgt." Auch Miss Gold ist jetzt der
Ansicht, dass "sich bestimmte Themen nicht für Späße eignen. Sind
Komödien eine gute Art, sich mit Dingen zu beschäftigen, bei denen
so viele Menschen leideten?" Gerade die Entschlüsselung des
"Enigma"-Codes "bedeutet den Juden eine Menge, denn sie rettete
tausende Leben". Ein solches Thema könne nur mit Moral und im
historischen Kontext angegangen werden. Aber woher kommt jetzt mit
einem Male das Bedürfnis, Nationalsozialismus und Holocaust mit
einem Lachen zu begegnen? Oder in den Worten von Miss Gold gesagt:
"Man muss sich fragen, warum diese Grenzen jetzt überschritten
werden. Das ist fürchterlich umstritten. Es kann sein, dass
Schindler´s Liste ein Wendepunkt war. Auf seine eigene Art war das
ein sehr erfolgreicher Film, aber davor hatte jeder geglaubt, dass
es unmöglich sei, Unterhaltung aus dem zu machen, was die Nazis
taten. Es stimmt, dass Chaplin Der große Diktator und Ernst
Lubitsch Sein oder Nichtsein über die Nazis drehten; aber diese
frühen Komödien wurden beide gemacht, bevor man viel über die
Vernichtungslager wusste. Wir bringen Holocaust-Überlebende in die
Schulen, was, glaube ich, eine sehr wirkungsvolle Sache ist. Ich
weiß, dass Leute argumentieren, Satire könne auch funktionieren,
aber in diesem Fall bin ich mir nicht so sicher."