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Ludwig II - Helmut Berger
Ludwig II - Helmut Berger
© Kinowelt

TV-Tipps für Sonntag (15.12.): Helmut Berger verfällt dem Wahnsinn

Arte zeigt "Ludwig II"

Am Sonntagabend treten im Hauptprogramm parallel zwei Klassiker gegen den TATORT an. Arte zeigt die vollständige vierstündige Version von Luchino Visconti's "Ludwig II", während Kabel1 mit "16 Uhr 50 ab Paddington" den ersten der vier Miss Marple-Krimis mit Margaret Rutherford ausstrahlt.

"16 Uhr 50 ab Paddington", Kabel1, 20:15 Uhr
Nachdem eine ältere Dame (Margaret Rutherford) einen Mord in einem vorbeifahrenden Zug gesehen hat, glaubt ihr die Polizei nicht, so dass sie selbst beginnt, Ermittlungen anzustellen.

Agatha Christie, auf deren Roman "4.50 from Paddington" aus dem Jahr 1957 dieser britische Kriminalfilm beruht, konnte der Leinwandversion nicht viel abgewinnen. Zu sehr war ihr Buch von den Drehbuchautoren abgeändert worden, insbesondere was die Hauptperson betraf. Im Buch ist Miss Marple eine kleine, zierliche Dame, die den Fall praktisch vom Lehnstuhl aus löst, während auf der Leinwand die resolute, proppere Margaret Rutherford zu sehen ist. Dass diese gegenüber Produzent George H. Brown hatte durchsetzen können, ihren Gatten Stringer Davis als Mr. Stringer - der im Roman nicht vorkommt - zu besetzen, gefiel der Schriftstellerin ebenfalls nicht.

Aber das Publikum gefiel, was es 1961 von Regisseur George Pollock serviert bekam, dessen bekanntester Streifen "Murder She Said" - so der Originalitel - werden sollte. Ein gut inszenierter, humorvoller und spannender Streifen, dessen Lebendigkeit zu einem Großteil auf die damals 68 Jahre alte Hauptdarstellerin zurückzuführen war. Rutherfords Portrait ist bis heute das definitive auf der Leinwand, zementiert durch drei Fortsetzungen, die dem großen Erfolg dieser MGM-Produktion in den kommenden drei Jahren folgen sollten.

Gedreht wurde in den MGM-Studios in der Grafschaft Herfortshire, in deren Umgebung und in der Grafschaft Buckinghamshire.

Eine Zuschauerin lobt: "Alles an diesem Film ist - ich glaube, 'entzückend' ist das beste Wort, um es zusammen zu fassen. Vom Moment an, an dem Ron Goodwin's mitreißende Musik einsetzt, ist dies so harmlos, unterhaltsam und manierlich, wie das britische Kino nur sein kann. Voller Humor, Spannung, ländlichem England und knackiger Schwarzweiß-Photographie, ist das Werk ein echtes Juwel. Natürlich ist der unbestrittene Star des Ganzen Margaret Rutherford, die eine wundervoll exzentrische, aber messerscharfe Version von Miss Marple verkörpert, welche die Szenere in Mantel und Schal dominiert. Da dies der erste von vieren war, habe ich immer eine bestimmte Vorliebe für ihn gehegt. Köstlich!"



"Ludwig II", Arte, 20:15 Uhr
Mit 18 Jahren wird Ludwig II (Helmut Berger) König von Bayern und sorgt mit seiner Freundschaft zum Komponisten Richard Wagner (Trevor Howard) und seinen kostspieligen Bauten für Kritik im Königreich.

Wenn es je einen König gegeben hat, der sich für einen Kinofilm geradezu aufgedrängt hat, dann Ludwig II, dessen kurzes Leben - er wurde nur 40 Jahre alt - und Regentschaft von 1864 bis 1886 genügend Stoff liefert, bis zu seinem Tod unter nie ganz geklärten Umständen im Starnberger See.

Bereits 1955 hatte Helmut Käutner das Leben des Monarchen zum Gegenstand seines deutschen Dramas "Ludwig II" mit O.W. Fischer in der Titelrolle gemacht. Knapp 20 Jahre später nahm sich Luchino Visconti der Biographie in diesem italienischen, aber auf Englisch gedrehten Drama mit internationaler Besetzung in ganz großem Stil an.

Auf vier Stunden Spieldauer brachte es sein Werk, das für umgerechnet 12 Millionen Mark an den Originalschauplätzen Schloss Neuschwanstein, Schloss Hohenschwangau, Schloss Linderhof, Schloss Herrenchiemsee, Schloss Nymphenburg, das Cuvilliés-Theater, die Kaiservilla in Bad Ischl, der Starnberger See und dem Casino auf der Roseninsel gedreht wurde. Lediglich am Schloss Berg konnte nicht gefilmt werden, da die Familie der Wittelsbacher keine Drehgenehmigung erteilt hatte. Stattdessen filmte man am Schloss Possenhoffen, das auch am Starnberger See liegt. Die Innenaufnahmen entstanden in den Filmstudios der Cinecittà-Studios in Rom.

Visconti, der während der Dreharbeiten einen Schlaganfall erlitt, war von der Geschichte des Einzelgängers und Ästheten Ludwig II. fasziniert und sah ihn als "letzten absolutistischen Herrscher, der lieber mit der Kunst als mit der Politik regieren wollte". Er hielt sich penibel an die historischen Fakten, konzentrierte sich dabei stark auf die Person Ludwigs und weniger auf die politisch-gesellschaftlichen Vorgänge jener Zeit.

Stilsicher, prunvoll poetisch, einfühlsam und durchdringend nähert sich der elegische Streifen einer Persönlichkeit, die auch nach eigener Einschätzung wie aus der Zeit gefallen war und die verzweifelt und letztlich vergeblich versuchte, ihre Bedürfnisse in eine Passung mit der Gegenwart zu bringen.

Die von Luchino beabsichtige vierstündige Fassung, die von einer Pause unterbrochen werden sollte, schaffte es nicht in die Lichtspielhäuser. Auf Geheiß der Produzenten musste der Regisseur sein Werk auf drei Stunden kürzen. Diese Fassung wurde 1973 in Bonn uraufgeführt - und erntete aus konservativen Kreisen heftige Kritik für die thematisierte Homosexualität der Titelfigur. Gehorsam schnitt der deutsche Gloria-Verleih daraufhin weitere 55 Minuten - und nicht nur jene, die um die Sexualität kreisten, sondern auch solche, die man offenbar für "langweilig" hielt - für den deutschen Markt heraus und verstümmelte den Film nun vollends.

Die deutschen Filmkritiker reagierten empört: Die "Frankfurter Rundschau" schrieb von "übelster Filmbarberei", und Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg fragte: "Wessen Ludwig II ist das eigentlich?" Wolfram Schütte meinte: "Wer diese Fassung gesehen hat, hat den Film nicht gesehen. Hier erkennt man nur in Ansätzen die ganze Meisterschaft des Regisseurs und die subtile Metapher des Films. Die vierstündige Fassung ist ein anderer, ein neuer Film."

Mit dieser Version wollten sich Cutter Ruggero Mastroianni und Drehbuchautorin Suso Cecchi D'Amico nicht abfinden und rekonstruierten im Auftrag des italienischen Fernsehsenders RAI die vollständige Fassung, die 1980 bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt wurde und die Arte heute Abend ausstrahlt.

Kostümbildner Piero Tosi wurde für den Academy Award nominiert. Romy Schneider, die nach knapp 20 Jahren wieder ihre Paraderolle als Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn alias "Sissi" übernommen hatte, und Helmut Berger wurden für den Deutschen Filmpreis als "Beste Hauptdarsteller" nominiert. Bei den Italienischen Filmpreisen gewannen der Film, Regisseur Luchino Visconti und Hauptdarsteller Helmut Berger.

Ein Zuschauer schwärmt: "Ein Atem beraubender Film. Wir sehen prächtige Schlösser, goldenen Glitter, Männer in Schwarz oder Silber, die über Moral reden, und Menschen, die gegen ihr Schicksal ankämpfen. Und es gibt noch etwas obendrauf: Niemals habe ich den 110-prozentigen Engländer Trevor Howard besser gesehen als der sehr deutsche Richard Wagner. Man kann keine Worte finden für eine weitere brillante Leistung Romy Schneiders als in der ihrer eigenen Rolle als Sissi. Und Helmut Berger übertrifft sich selbst als König Ludwig - der Junge, der verdammt war, als Mann in sich selbst zu ersticken."



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