(15.07.2020) Update
Das Schadensersatzangebot in Höhe von knapp 19 Millionen Dollar der Weinstein Company und ihrer ehemaligen Besitzer Harvey und Robert Weinstein an neun Klägerinnen, die Harvey sexueller Gewalt bezichtigen, ist vom Tisch. Gestern hat Bezirksrichter Alvin Hellerstein in New York City das Angebot der Bezirksstaatsanwaltschaft, der Insolvenzverwalter und der Rechtsanwälte der Klägerinnen verworfen und erklärt, dass er Teile des Angebots für "widerlich" in Bezug auf eine gerechte Entschädigung der Klägerinnen halte.
"Wir werden die Entscheidung auswerten und unsere nächsten Schritte beraten", erklärt Bezirksstaatsanwältin Leticia James. "Unser Büro hat unermüdlich für die Gerechtigkeit dieser tapferen Frauen gekämpft und wird das weiter tun."
Douglas Wigdor, einer der Klägerinnenanwälte, ist zufrieden, dass "der Richter dieses einseitige Angebote schnell zurückgewiesen hat". Man habe seit eineinhalb Jahren erklärt, dass die Bedingungen der Einigung unfair seien: "Millionen Dollar gehen hier an Anwälte, Firmen und bekannte Schauspieler zu Lasten der Überlebenden, während die Versicherungsgesellschaften billig davonkommen und Harvey Weinstein selbst gar nichts zahlt."
Wigdor spielt darauf an, dass die 19 Millionen Dollar Teil eines 47 Millionen Dollar schweren Schadensersatzpakets sein sollten; der Großteil der Summe war für Anwälte und Gläubiger des Produzenten gedacht, der inzwischen eine 23-jährige Haftstrafe verbüßt. Die Schadenssumme für die Klägerinnen sollte aus Versicherungssummen beglichen werden.
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(30.08.2019) Prozess gegen Harvey Weinstein verschoben
Er kam und ging schnell, und zwischendurch erklärte er sich für "nicht schuldig".
Harvey Weinstein, der auf Kaution in Höhe von 1 Million Dollar auf freiem Fuß ist, hat vor Gericht in New York City Stellung zu einer neuerlichen Anklage wegen Vergewaltigung nehmen müssen. Die Staatsanwaltschaft hat den Fall der Schauspielerin Annabella Sciorra vorgebracht, die im Oktober 2017 im "New Yorker" behauptete, der Produzent habe sie 1993 in seinem Apartement in Manhattan vergewaltigt.
Weinstein kann wegen dieses mutmaßlichen Verbrechens nicht mehr verurteilt werden, da es nach den Gesetzen des Bundesstaates New York verjährt ist. Aber die Staatsanwaltschaft will auf diese Weise Sciorra als Zeugin vorladen, deren Aussage die Behauptung der Anklage untermauern soll, dass es sich bei Harvey um einen Serientäter handelt.
Die neue Anklage, von den Anwälten des 67-Jährigen als "Manöver in letzter Minute" kritisiert, hat den Richter jetzt bewogen, den Beginn des eigentlich für den 9. September angesetzten Gerichtsverfahrens auf Anfang kommenden Jahres zu verschieben.
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(13.12.2019) Harvey Weinstein strebt Vergleich an
Harvey Weinstein hat laut "The New York Times" einen vorläufigen Vergleich über 25 Millionen Dollar Schadensersatz mit über 30 Klägerinnen, die ihn wegen sexueller Übergriffigkeiten angezeigt hatten, vor einem Gericht in New York City vorgelegt. Der Vergleich betrifft indes nur die Zivilklagen; das strafrechtliche Vergehen, welches kommenden Monat beginnen soll, bleibt davon unberührt. Dem ehemaligen Produzenten und Studioboss droht weiterhin lebenslängliches Gefängnis für die angezeigte Vergewaltigung zweier Frauen. Der Vergleich hängt noch von der Zustimmung zweier Richter ab.
Teil der Einigung ist, dass Weinstein kein Schuldeingeständis ablegen muss und auch nicht finanziell persönlich zur Rechenschaft gezogen wird. Die Summe wird von den Versicherungsgesellschaften der sich in Insolvenz befindlichen Weinstein Company gezahlt werden. Sollte der angestrebte Deal so durchgehen, würden sich 18 Klägerinnen 6,2 Millionen Dollar teilen müssen. Weitere 18,5 Millionen Dollar würden für die weiteren Klägerinnen bereit gestellt.
Ob der Vergleich so zustande kommt, scheint zweifelhaft. Einige Frauen haben bereits angekündigt, diese Vereinbarung als zu milde gegenüber Weinstein zu empfinden und nicht zustimmen zu wollen. "Wir weisen die Vorstellung zurück, dass dies die beste Einigung war, die im Namen der Opfer erzielt werden konnte", erklärte zum Beispiel Anwalt Douglas Wigdor, der zwei mutmaßliche Weinstein-Opfer vertritt.
Kritik kommt auch von der "Time's Up"-Kampagne, die aufgrund der Vorwürfe gegen Weinstein entstanden war: "Wenn dies die bestmögliche Lösung für die Opfer ist, dann ist das System kaputt."
Derweil erhöhte Richter James Burke Weinstein's Kaution von 1 auf 2 Millionen Dollar. Die Staatsanwaltschaft hatte vergangene Woche eine drastische Erhöhung auf sogar 5 Millionen Dollar gefordert. Sie begründete dies mit Fluchtgefahr: Der einstige Hollywood-Mogul könne versuchen, vor Prozessbeginn aus dem Land zu fliehen. Nach Angaben der Staatsanwälte war in den vergangenen Monaten wiederholt kein Signal von der elektronischen Fessel des Beklagten empfangen worden.
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(25.02.2020) Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung verurteilt und freigesprochen
Gestern ist Harvey Weinstein von einer New Yorker Geschworenengericht für schuldig gesprochen worden - aber nicht in allen Punkten. Daher wird der Produzent für mindestens fünf Jahre, aber nicht lebenslänglich ins Gefängnis wandern.
Für schuldig befand die zwölfköpfige Jury den Angeklagten in zwei Fällen: 2006 habe er eine Produktionsassistentin zum Oralsex gezwungen, was als "schwere sexuelle Nötigung" gewertet wurde; zudem habe er 2013 eine Schauspielerin gegen ihren Willen, aber ohne Gewalt zum Sex gezwungen, was als "Vergewaltigung in einem minderschweren Fall" durchging.
Beim schwerwiegendsten Anklagepunkt, der "räuberischen, sexuellen Erpressung" mit dem Vorwurf, dass Weinstein Frauen systematisch sexuell bedrängt und vergewaltigt habe, haben sich die Geschworenen indes nicht einigen können. Auch vom Vorwurf der "schweren Vergewaltigung" ist er freigesprochen worden.
Der Richter wird nun am 11. März über das Strafmaß für Harvey entscheiden. Für "schwere sexuelle Nötigung" sieht das amerikanische Recht bis zu 25 Jahre Haft vor. Da in Los Angeles noch ein weiterer Prozess auf den Produzenten wartet, wo er ebenfalls wegen "schwerer sexueller Nötigung" angeklagt ist, und er bei einer dortigen Verurteilung als Wiederholungstäter gelten würde, wird Weinstein auf jeden Fall ins Gefängnis müssen - nur womöglich nicht so lange, wie es sich viele Frauen der #metoo-Bewegung, die durch den Weinstein-Skandal entstanden ist, erhofft haben dürften.
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(12.03.2020) Harvey Weinstein zu 23 Jahren Haft verurteilt
Vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, und nicht wenige Kommentatoren sprechen allein deshalb wohl nicht zu Unrecht von einem "historischen, Atem beraubenden, die Erde erschütternden Tag".
Harvey Weinstein, allmächtiger Produzent und Studioboss, eine der markantesten und einflussreichsten Figuren Hollywoods, dicke mit Politikern wie den Clintons, befreundet mit Filmstars und Millionären wie Jeff Bezos, ist gestern von einem Gericht in New York City zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen verurteilt worden. Richter James Burke blieb damit sechs Jahre unter dem möglichen Höchstmaß von 29 Jahren Freiheitsentzug. Dennoch kommen auch die 23 Jahre für den 67-Jährigen so gut wie einem "Lebenslänglich" gleich, zumal noch ein weiterer Prozess im US-Bundesstaat California aussteht.
Weinstein's Verteidiger haben Einspruch gegen das Urteil eingelegt, während der Beschuldigte sich keiner Schuld bewusst ist und sich während des Prozesses mit dem US-Schriftsteller Dalton Trumbo, der wegen angeblicher kommunistischer Umtriebe in den Vierzigern de facto ein Berufsverbot in Hollwood erhielt, und die Times Up-Kampagne mit der Kommunistenschreck-Kampagne jener Zeit verglich.
Opfer des nun auch offziell Kriminellen wie Mira Sorvino machten aus ihrer Freude über dieses Urteil keinen Hehl: "Ich habe geweint vor Erstaunen und Dankbarkeit, dass das Rechtssystem heute im Sinne aller Opfer geurteilt hat", schrieb die Schauspielerin auf Twitter.
Für viele - nicht nur die Opfer der sexuellen Übergriffe und die Frauen, die 2017 den Mut hatten, es mit diesem Power Player der US-Unterhaltungsindustrie aufzunehmen und dadurch die #metoo und Time's Up-Bewegungen ins Leben riefen - ist die Genugtuung groß, dass sie einen der seltenen Momente erleben dürfen, in denen eine mächtige Figur nicht nur vom Sockel gestoßen wird, sondern sogar hinter Gittern landet. "Er war ein verabscheuungswürdiger Mensch", erklärt ein Mitarbeiter der Weinstein Company gegenüber "The Wrap". "Ich habe immer vermutet, dass er unsere e-mails liest, Menschen einschüchtert und unsere Telephone abhört. Heute weiß ich, dass alles davon wahr ist."
Stunden nach der Urteilsverkündung erklärte das Bezirksgericht in Los Angeles, dass man die Auslieferung von Harvey nach California beantragt habe, um ihm dort wegen zwei weiterer mutmaßlicher Fälle von sexueller Gewalt ebenfalls den Prozess machen zu können. Bei einer Verurteilung als dann Wiederholungstäter droht Weinstein eine weitere hohe Strafe.