"The Hurt Locker", RTL2, 22:25 Uhr
Während des Irak-Kriegs legt sich ein dem Bombenentschärfungs-Team neu zugeteilter Sergeant (Jeremy Renner) durch seine eigenwillige Arbeitsweise mit seinen Kollegen an.
Der Triumph von "The Hurt Locker" bei den Academy Awards 2009 über den Giganten "Avatar" ist sicherlich eine der größten Oscar-Überraschungen. Nicht nur, dass der Film als solcher gewann, auch Regisseurin Kathryn Bigelow wurde als erste Frau in der 82-jährigen Geschichte der Filmpreise ausgezeichnet. Manche meinten, die Academy-Mitglieder hätten ihrem Ex-Mann, dem nicht allseits beliebten "Avatar"-Regisseur James Cameron, eins auswischen wollen. Aber an der schieren Qualität dieses Thrillers, das sich in den fast durchgängig hymnischen Besprechungen, den über 100 Preisen und noch weiteren über 100 Nominierungen sowie dem Auftauchen auf fast jeder Jahresbestenliste der Filmjournalisten manifestierte, war eben auch schwer vorbeizukommen.
Dennoch sprach viel gegen die für insgesamt neun Academy Awards nominierte Independent-Produktion. An den Kinokassen war das 15 Millionen Dollar teure Werk in den USA mit nur 17 Millionen Dollar Umsatz gefloppt. Weltweit waren lediglich 49 Millionen Dollar zusammen gekommen. Damit hatte kein Oscar-Film hat so wenig verdient wie dieser. Und Produzent Nicolas Chartier schien seinem Streifen im Vorfeld der Verleihung einen Bärendienst erwiesen zu haben, als er etwas zu aggressiv Werbung machte und in einer e-mail die Academy-Mitglieder bat, für "The Hurt Locker" und "nicht für einen 500 Millionen Dollar-Film", also "Avatar", zu stimmen. Als Konsequenz lud man Chartier von der Preisverleihungsgala aus.
Doch am 7. März 2010 lief es dann wider Erwarten prächtig für den Außenseiter. Nur Hauptdarsteller Jeremy Renner, Kameramann Barry Ackroyd und Komponist Marco Beltrami gingen leer aus; neben den Produzenten und der Regisseurin gab es Goldjungen für das Originaldrehbuch von Mark Boal ("Triple Frontier"), den Schnitt, die Tonmischung und den Tonschnitt.
Es war der Lohn für ein mit viel Herzblut umgesetztes Projekt, bei dem Bigelow ihre Vision einer authentischen Wiedergabe eines Einsatzes in einem Kriegsgebiet so weit wie möglich hatte umsetzen können. Zwar musste sie ihr Vorhaben, gar vor Ort im Irak zu drehen, aus Sicherheitsgründen aufgeben, aber auch Jordanien - einige Kilometer von der irakischen Grenze entfernt - gab mit seiner Hitze, seinem Staub und den irakischen Geflohenen als Statisten einen realistischen Schauplatz ab.
Dort ließ die Filmemacherin, deren erstes Projekt seit fünf Jahren und dem gefloppten Harrison Ford-Thriller "K-19" dies war, oft mehrere Kameras gleichzeitig laufen, so dass am Ende rund 200 Stunden Material zusammen kamen, für dessen Schnitt die Cutter Bob Murawski und Chris Innis acht Monate benötigten. Heraus kam ein gut gespielter, intensiv gefilmter und mit Action angefüllter Streifen, der eine der besten Dramatisierungen des Irak-Kriegs darstellt.
Bigelow's Interesse an der Geschichte hatte Drehbuchautor Boal geweckt, der 2004 als freiberuflicher Journalist für zwei Wochen mit der Armee im Irak unterwegs gewesen war. Er wollte einen Film aus Sicht der einfachen Soldaten zeigen. Ob die Geschehnisse auf der Leinwand dann der Realität entsprachen, war umstritten. Viele Kriegsveteranen kritisierten den Film als "absurd", einige priesen aber die Atmosphäre.
Das Wort "Hurt Locker" lässt sich nicht direkt ins Deutsche übersetzen, weshalb der Verleih wohl auch den tranigen Titel "Tödliches Kommando" wählte. Im Film ist es der Soldatenjargon für einen Ort, an dem man seinen Schmerz wegsperrt.
Kritiker Drew McWheeny schrieb in "Hit Fix": "Der Film funktioniert so gut, weil er nicht versucht, irgendeinen falschen Erzählbogen zu erfinden, um die ganze Sache daran aufzuhängen. Dieser Streifen ist statt dessen ein Stück aus dem wahren Leben und dabei sehr beobachtend."
"Victoria", Arte, 01:45 Uhr
Der Flirt einer jungen spanischen Frau (Laia Costa), neu zugezogen in Berlin, mit einem Berliner (Frederick Lau) nimmt eine gefährliche Wendung, als er und seine Freunde in einen Bankraub verwickelt werden.
Siegreicher "Victoria". Vor vier Jahren ging dieser deutsche Kriminalfilm als großer Gewinner aus den Deutschen Filmpreisen hervor. Am Ende des Abends hatte der von Arte mitproduzierte Streifen nicht weniger als sechs Lolas eingeheimst: Als "Bester Film", für Regisseur Sebastian Schipper, Hauptdarstellerin Laia Costa, Hauptdarsteller Frederick Lau, Kameramann Sturla Brandth Grovlen und Komponist Niels Frahm. Allein die ebenfalls nominierten Tongestalter gingen leer aus.
Es war ein Triumph, den viele Kritiker und Zuschauer dem ehrgeizigen Werk zwei Monate zuvor schon auf den Filmfestspielen von Berlin gegönnt hatten; dort musste sich "Victoria" indes mit einem Silbernen Bären für Kameramann Grovlen begnügen. Dieser war indes mehr als verdient, denn die technische und künstlerische Meisterschaft des Norwegers ermöglichte das Projekt erst.
Schipper hatte sich zum Ziel gesetzt, einen Film mit einer einzigen Einstellung zu drehen, also ohne Schnitt. Dies bedeutete, dass die über 130 Minuten wie ein Echtzeit-Theater in den Straßen, auf den Dächern, in der Tiefgarage, im Hotel, im Laden, in der Disko und in der Wohnung in Szene gesetzt werden mussten. Es durfte kein Schauspieler seinen Text vergessen, kein Tontechniker ins Bild stolpern, keine Passanten im Hintergrund winken, während der Kameramann das Bild nicht verwackeln oder unscharf einfangen durfte - ansonsten wäre alles bis dahin Gedrehte für die Katz gewesen.
Eine gewaltige technische Herausforderung, die von allen Beteiligten höchste Konzentration erforderte. Mit vielen Probedurchläufen bereiteten sich die Künstler und Techniker vor, bevor es ernst wurde: Dreimal filmte Sebastian das von ihm geschriebene Drehbuch, das aus nur zwölf Seiten bestand und Raum für Improvisation erlaubte, um die potentielle Fehleranfälligkeit durch zu viele Dialoge zu senken. Sechs Regieassistenten, drei komplette Ton-Teams und 150 Statisten kamen jeweils zum Einsatz. Die dritte Fassung, die am 27. April 2014 zwischen 4.30 und 6.30 Uhr in Kreuzberg und in Mitte gedreht worden war, wurde schließlich diejenige, die der Filmemacher verwendete.
Die technische Errungenschaft ist ganz zweifellos erstaunlich und beeindruckend. Sie alleine würde aber nicht über zwei Stunden tragen. "Victoria" ist auch ein wirkungsvoller deutscher Krimimalfilm aus eigenem Recht, der die tonalen Veränderungen der Geschichte genauso geschickt meistert wie die technischen Komplexitäten.
Mit 408 000 Zuschauern wurde der Film ein solider Erfolg. Die Pläne, ihn als Anwärter auf den Oscar für den "Besten nicht englischsprachigen Film" nach Hollywood zu schicken, machte die Academy of Motion Picture Arts and Sciences zunichte - ironischer Weise, weil im Film zu viel Englisch gesprochen wurde, was ihn eben für die Kategorie "nicht englischsprachig" disqualifizierte. Statt dessen entschied sich die deutsche Filmwirtschaft für "Labyrinth der Lügen", der dann nicht nominiert wurde.
Kritiker Matthew Turner meinte in "WOW": "Ein sensationeller, unbedingt sehenswerter Film, der eine umwerfende technische Errungenschaft mit einer durch und durch packenden Geschichte und tollen Darstellungen verbindet."
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