"Das Mädchen Rosemarie", 3sat, 20:15 Uhr
Als eine stadtbekannte Prostituierte (Nadja Tiller) ermordet wird, schlägt der Fall hohe Wellen, weil auch Prominente zu ihren Kunden gehört.
Es ist einer der skandalträchtigsten und bis heute berühmt-berüchtigsten Kriminalfälle der Bundesrepublik Deutschland: 1957 war in Frankfurt am Main die Prostituierte Rosemarie Nitribitt ermordet worden, und schnell wurde ruchbar, dass ihre "Kunden" aus höheren Kreisen kamen, so dass der Blätterwald rauschte. Da der Mordfall nicht aufgeklärt werden konnte, verfestigte sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass bestimmte Kreise aus Wirtschaft und Politik die Aufklärung zu verhindern suchten.
Die Münchener Roxy Film wollte die Druckerpresse nicht trocknen lassen und brachte bereits ein Jahr später den Film zu den Schlagzeilen. Gedreht wurde vor Ort in Frankfurt am Main und die Innenaufnahmen in den CCC-Film-Ateliers in West-Berlin. Regisseur und Drehbuchautor Rolf Thiele setzte das deutsche Drama mit einem erlesenen Ensemble in Szene. Am Ende stand einer der umstrittendsten und erfolgreichsten Streifen der Fünfziger. Das sorgfältig inszenierte Werk legt in einer Mischung aus Kabarett, Moritat und Persiflage die Doppelmoral der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit frei, wobei manche Übertreibungen über das Ziel hinausschießen und manche Songs den Handlungslauf unnötig unterbrechen.
Skandalös gerieten dann auch die Umstände um den Film selbst. Als auf Vorschlag der italienischen Festspielverantwortlichen das Werk noch vor seinem Deutschland-Start im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Venedig gezeigt werden sollte, versuchte das Auswärtige Amt die Aufführung zu verhindern. "Das Mädchen Rosemarie" schade dem Ansehen Deutschlands. Man drohte staatlicherseits mit Kürzung von Zuschüssen und der Einführung einer Exportkontrolle und versuchte, die Venediger Verantwortlichen zu überreden, die Einladung zurückzunehmen. Ohne Erfolg - der Film lief, und Thiele gewann sogar einen Preis für seine Regie.
Noch dümmer standen die Beamten und Politiker da, als dann diese Machenschaften der Presse bekannt wurden. Eine weitere Ohrfeige: "Das Mädchen Rosemarie" gewann den Golden Globe als "Bester fremdsprachiger Film". Bei den Deutschen Filmpreisen waren Regisseur Rolf Thiele und Hauptdarstellerin Nadja Tiller nominiert.
Ein Zuschauer schreibt: "Abgesehen davon, dass das ein gut gemachter Film ist, bildet er sehr schön das Dilemma der Adenauer-Zeit ab: Die personelle Kontinuität zur Nazi-Zeit gerade in den Eliten der Bundesrepublik. Die moralische Bankrotterklärung dieser Herrschaften steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Das Thema Prostitution passt da sehr gut. Ich kenne keinen anderen Streifen, der in so klarer, scharfer und rücksichtloser Weise mit diesem Thema umgeht."
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