In Frankreich tobt die Schlacht zwischen Politikern, Künstlern, Demonstranten, Gerichten, Kinobesitzern um den Thriller "Baise-Moi" (Fick mich), der mit seiner drastischen Darstellung von Sex und Gewalt die Gemüter erregt.
In Frankreich tobt die Schlacht zwischen Politikern, Künstlern, Demonstranten, Gerichten, Kinobesitzern um den Thriller "Baise-Moi" (Fick mich), der mit seiner drastischen Darstellung von Sex und Gewalt die Gemüter erregt. Für Konservative stellt der Film eine gefährliche Verrohung der Sitten da, Liberale preisen ihn als eine Art Exkurs in "moralischem Nihilismus". Nachdem der für umgerechnet etwa drei Millionen Mark in Nordfrankreich hergestellte Streifen zunächst mit der Altersfreigabe von "Ab 16 Jahre" in die Kinos kommen durfte - und in der Premierenwoche im Juni von 30 000 Besuchern gesehen wurde - wird er jetzt wohl mit der Freigabe "Ab 18 Jahren" weiter laufen, nachdem durch einen Gerichtsentscheid nach Protesten rechter Gruppen einige Kinos ihn vorläufig aus dem Programm genommen hatten. Für das Produktionsteam von "Baise-Moi" ist sein Werk nicht als Provokation oder Kitzel gedacht, sondern als eine wichtige Aussage zu sexueller Gewalt, Prostitution oder Freundschaft: "Jeder, der ihn sich ansehen will, um sich aufzugeilen, wird enttäuscht werden", macht die Mitregisseurin, der ehemalige Porno-Star Coralie Trinh Thi, klar. Nichtsdestotrotz sind die 90 Minuten fast unentwegten Sex und Gewalt nichts für sensible Gemüter und wirken wie die Hardcore-Version von "Thelma und Louise". Erzählt wird die Geschichte zweier gelangweilter junger Frauen, die eine Odyssee starten, nachdem eine von ihnen brutal vergewaltigt wurde und dann ihren Bruder bei einem Streit erschossen hat. Auf ihrer Reise erschießen sie einen Passanten, um an seine EC-Karte zu kommen. Ein Landstreicher, der sie sexuell belästigt, nimmt das gleiche Ende. Zwei Gendarmen, die sie zur Passkontrolle anhalten, werden ebenfalls von ihnen ermordet. Einen Mann lassen sie zum Sex an sich heran, trampeln ihn dann aber mit ihren hohen Absätzen zu Tode. Einen anderen töten sie in einem Sexclub durch einen Schuss in den Hintern, nachdem sie ihn gezwungen haben, sich auszuziehen und ein Schwein nachzuahmen. Zwischendurch gibt es immer wieder Aufnahmen von Geschlechtsverkehr und oraler Befriedigung in Großaufnahme. Allen Kontroversen zum Trotz bemühen sich drei Verleiher in Großbritannien, den Film auf die Insel zu holen. Letzte Woche führte beispielsweise Optimum Releasing, ein in London ansässiger unabhängiger Verleiher, Gespräche mit dem französischen Pendent Canal Plus. Will Clarke, der Vorsitzende von Optimum Releasing, meint, dass Produktionen wie "Baise-Moi" "eine wichtige Funktion erfüllen können. Wir sind an Qualitätsfilmen interessiert. Der kontroverse Blickwinkel ist von Interesse, aber er muss künstlerisch anständig sein." In Großbritannien soll er dann allerdings unter dem Titel "Rape Me" (Vergewaltige mich) laufen. Es ist abzusehen, dass der Streit um den Streifen vom Kontinent auf die Insel schwappen wird: "Man kann unmöglich einen solchen Film zulassen", empört sich jetzt schon John Beyer von der National Viewers and Listeners Association. "Wir haben eine steigende Anzahl von Sexualstraftaten, und wenn ständig Lebensstile und Verhalten verherrlicht werden, die unserer Gesellschaft schaden, dann wird das alles verschlimmert." "Baise-Moi" wird vielleicht aus dem Vereinigten Königreich ausgesperrt bleiben, das wäre dann aber die Ausnahme. Laut Vincent Maraval von Canal Plus hat der Verleiher den Film bereits an 30 Länder verkauft, darunter Spanien, Italien und Japan. Ein noch größerer Prestigeerfolg für die Produktion ist allerdings die gerade bekannt gewordene Einladung zum Filmfestival in Locarno, wo sie nächsten Monat im Wettbewerb laufen wird.