"Aviator", Arte, 20:15 Uhr
Die frühen Karrierejahre des legendären Fliegers, Filmemachers und Geschäftsmanns Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) von den Zwanzigern bis in die Vierziger.
Howard Hughes, der von 1905 bis 1979 lebte, ist eine der faszinierenden Persönlichkeiten der US-Geschichte, um den sich unzählige Mythen und Geschichten ranken. Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbrachte der je nach Betrachtungsweise exzentrische oder psychisch gestörte Unternehmer abgeschottet in Hotelsuiten in Las Vegas und wurde so zu einer Sagengestalt, die das Interesse Hollywoods ab den Sechzigern erregte.
1964 lief der Riesenerfolg "The Carpetbaggers" ("Die Unersättlichen") mit George Peppard als Quasi-Hughes, die Figur des Milliardärs Willard Whyte im James Bond-Film "Diamonds Are Forever" von 1971 erinnert ebenfalls an ihn. Ganz offiziell verkörperte ihn Tommy Lee Jones 1977 im TV-Zweiteiler "The Amazing Howard Hughes". Die Bemühungen von Warren Beatty Anfang der Siebziger, einen Film mit sich in der Hauptrolle zu inszenieren, blieben dagegen fruchtlos. Noch 1990 versuchte er vergeblich, Steven Spielberg für das Projekt zu begeistern. Auch Universal Pictures, die Anfang der nuller Jahre eine Version mit Johnny Depp in der Regie der Hughes Brothers - das "From Hell"-Team - planten, gaben ihre Pläne auf.
Durchsetzen konnten sich schließlich Walt Disney Pictures, die 1998 mit Regisseur Brian De Palma und Nicolas Cage die Biographie als "Mr. Hughes" produzieren wollten, dies aber nach dem Reinfall mit De Palma's und Cage's "Snake Eyes" ("Spiel auf Zeit") auf Eis legten. Stattdessen engagierten sie 1999 Regisseur Michael Mann ("Heat") und Leonardo DiCaprio, um ein Drehbuch von John Logan ("Spectre") zu verfilmen. Nach dem finanziell enttäuschenden "The Insider" wurde Mann, der als Produzent an Bord blieb, schließlich durch Martin Scorsese ("The Wolf of Wall Street") ersetzt, den DiCaprio bei "Gangs of New York" kennen und schätzen gelernt hatte. Zur Realisierung des ambitionierten und damit auch teuren Vorhabens verbündeten sich Disney über ihre Tochter Miramax Films mit Warner Brothers.
Scorsese verantwortete eine 110 Millionen Dollar teure Produktion, die in Kanada und Kalifornien gedreht wurde und mit einem großen Ensemble namhafter Schauspieler aufwartete, zu dem Cate Blanchett, Kate Beckinsale, Alec Baldwin, Jude Law, John C. Reilly, Alan Alda, Ian Holm, Danny Huston und Adam Scott gehörten. Mit großer Akribie zauberte der Filmemacher eine vergangene Ära auf die Leinwand, bei der Wert auf Authentizität gelegt wurde: Alleine die Kostüme kosteten 2 Millionen Dollar. Die Flugzeuge waren Nachbauten; nach der Häme, die "Pearl Harbour" für seine computergenerierten Flugzeuge erhalten hatte, wollte Martin auch hier auf Realismus gehen, selbst wenn es mehr kostete.
Die prächtige Ausstattung, die bis ins kleinste Detail die dargestellte Zeit evoziert, ist dann auch eines der hervorstechendsten Qualitätsmerkmale dieses Dramas, das Scorsese stilsicher inszeniert hat und DiCaprio in Hochform präsentiert. Kritiken und Zuschauer waren angetan, und mit weltweit 213 Millionen Dollar Umsatz wurde "The Aviator" 2004 ein großer Erfolg - aber nicht groß genug, um es in die schwarzen Zahlen angesichts der erheblichen reinen Produktionskosten zu schaffen, von denen der Regisseur zugab, dass sie ihm aus dem Ruder gelaufen waren.
Der Filmindustrie gefiel sein Werk in jedem Fall, wovon alleine elf "Oscar"-Nominierungen zeugen. Einen Goldjungen mit nach Hause nehmen konnten Cate Blanchett als "Beste Nebendarstellerin", Kamermann Robert Richardson, der mit verschiedenen Techniken die Farbsattheit alter Technicolor-Filme erreichte, Scorsese's langjährige Cutterin Thelma Schoonmaker, Kostümentwerferin Sandy Powell und die Ausstatter Dante Ferretti und Francesca Lo Schiavo. Leer gingen der Film selbst, Regisseur Scorsese, Drehbuchautor Logan, Hauptdarsteller DiCaprio, Nebendarsteller Alda und die Tonmischer aus. Bei den Golden Globes und den Britischen Filmpreisen wurde "The Aviator" dagegen auch als "Bester Film" prämiert. Insgesamt war er weltweit für über 100 Preise vorgeschlagen und gewann über 70.
Eine amerikanische Zuschauerin lobt: "Ein Film, der die Essenz eines Zeitalters und eines Mannes wirklich spektakulär einfängt. Wunderschön und außerordentlich gut gespielt wandert der Streifen von einem Höhepunkt von Howard Hughes' Errungenschaften insbesondere in der Fliegerei zum nächsten. Hughes war ein amerikanisches Original und ein tragischer Held. Nach diesem Werk denke ich an ihn nicht länger als einen Verrückten, sondern bewundere ihn, während ich zugleich unglaubliches Mitgefühl für seine psychische Krankheit empfinde. Welch ein Leben!"
"Precious", ARD, 01:10 Uhr
Eine übergewichtige, missbrauchte und analphabetische Teenagerin (Gabourey Sidibe), die gerade im New Yorker Stadtteil Harlem schwanger mit ihrem zweiten Kind ist, wird auf eine alternative Schule eingeladen, in der Hoffnung, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.
Dieses packende US-Drama ist einer der Fälle, in der sich die schiere Qualität über die kommerzielle Aussichten hinweggesetzt hat. Regisseur Lee Daniels ("The Butler") meinte offen: "Dass es der Film überhaupt auf eine Leinwand geschafft hat, zeigt, dass irgendwo ein Engel über mich wacht." Zur Premiere auf dem Sundance Festival 2009 hatte der da noch nach seiner Romanvorlage "Push" von Sapphire aus dem Jahr 1996 benannte Streifen keinen Verleiher, am Ende standen ein Kassenerfolg und über 100 Preise weltweit, darunter zwei Oscars.
In Sundance gewann das düstere, aber schlussendlich triumphierende Werk über Missbrauch und das Großstadtleben, das durch die außergewöhnlichen Leistungen der Schauspieler verstärkt wird, sowohl den Preis der Jury als auch des Publikums, zudem den Schauspielerpreis für Mo'Nique. Das generierte Aufmerksamkeit, und nachdem sich Oprah Winfrey und Tyler Perry ankündigten, Werbung für den Film zu machen und sich dazu auch finanziell zu engagieren, wenn er einen Verleiher fände, griffen Lionsgate Films zu.
"Precious" wurde in die Nebensektion Un Certain Regard zu den Filmfestspielen in Cannes eingeladen, wo er eine 15-minütige Stehende Ovation erhielt. Lionsgate brachten das Werk zunächst in wenige US-Kinos, wo es Rekorde brach. Um Verwirrung mit dem gleichfalls anlaufenden "Push" zu vermeiden, änderten die Verleiher den Titel der für 10 Millionen Dollar vor Ort in New York City gedrehten Produktion in "Precious".
Mit weltweit 64 Millionen Dollar Umsatz wurde der Film, der sich auch in Deutschland schwer tat, einen Verleih zu finden, trotz seines schwierigen, ungeschminkten Inhalts ein Erfolg und erhielt durchgehend positive Kritiken. Für Mo'Nique wurde "Precious" zu einem Triumph. Die Nebendarstellerin gewann den Grand Slam aus Academy Award, Golden Globe, Britischem Filmpreis und Screen Actors Guild. Ebenfalls ein Oscar ging an Drehbuchautor Geoffrey Fletcher; nominiert waren zudem der Film, Regisseur Lee Daniels, Hauptdarstellerin Gabourey Sidibe und Cutter Joe Klotz. Bei den Golden Globes lagen der Film und Hauptdarstellerin Sidibe im Rennen. Bei den Britischen Filmpreisen gab es Nominierungen für den Film, Regisseur Daniels und Hauptdarstellerin Sidibe.
Kritiker Jason Bailey urteilte in "DVD Talk": "Eine klassische Tragödie im griechischen Sinne, die ihre Charaktere und die Zuschauer durch eine Mangel aus Mitleid und Schrecken dreht auf dem Weg zu der umwerfenden Läuterung."
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