"Fahrraddiebe", Arte, 22:30 Uhr
Im Nachkriegs-Italien macht sich ein Arbeiter (Lamberto Maggiorani) mit seinem kleinen Sohn (Enzo Staiola) auf, sein gestohlenes Fahrrad zu finden.
Eines der großen Meisterwerke der Filmgeschichte und ein Zeitdokument. 1945 hatte Roberto Rossellini mit "Roma, cittá aperta" ("Rom, offene Stadt") den ersten italienischen neorealistischen Film veröffentlicht, der eine Welle weiterer solcher Streifen nach sich ziehen sollte und dem italienischen Kino zu Weltruf verhalf. Das Ziel von Rossellini und Kollegen war es, dem Kino zu neuem Realismus zu verhelfen, Geschichten zu erzählen, die in der Alltagsrealität der Menschen verwurzelt waren, gedreht vor Ort, nicht im Studio und mit Laiendarstellern.
1948 folgte Regisseur und Drehbuchautor Vittorio De Sica mit "Fahrraddiebe", der sich diesen Prinzipien verpflichtet sah und daraus seine unmittelbare, ungekünstelte Kraft gewann. De Sica wollte die Armut und Arbeitslosigkeit im Nachkriegs-Italien zeigen, trieb mit Hilfe von Freunden das Budget von umgerechnet 100 000 Dollar für seine Produktion selbst auf und drehte mit Laiendarstellern, die er - wie den damals acht Jahre alten Enzo Staiola - buchstäblich auf der Straße fand. Hauptdarsteller Lamberto Maggiorani war Fabrikarbeiter.
Als Grundlage diente der Roman "Ladri di Biciclette" von Luigi Bartolini aus dem Jahr 1946. Der Autor war mit der Filmversion überhaupt nicht einverstanden, denn De Sica hatte nur einige Motive übernommen, aber die Geschichte eines Intellektuellen aus der Mittelklasse, dessen Leben vom Ansturm kommunistischer Anarchie umtost wird, dabei vollkommen unter den Tisch fallen lassen.
Für Vittorio ging es darum, "das Drama im Alltagsleben zu entdecken, das Wundervolle in den täglichen Nachrichten" und nicht um eine politische Positionierung. Sein Film verbindet menschliche Wärme mit einer sozialen Aussage ohne Sentimentalität. Das Werk zeigt die Menschen und ihr Umfeld ungekünstelt und lebendig, mit zurückhaltenden Darstellern und Herz ergreifenden Emotionen.
"Ladri die biciclette" wurde ein Erfolg in Italien, schlug aber besonders hohe Wellen im Ausland, wo er mit dem Oscar, dem Golden Globe und dem Britischen Filmpreis "die großen Drei" als "Bester fremdsprachiger Film" erringen konnte. Als das britische Magazin "Sight & Sound" 1952 seine erste Liste der besten Filme aller Zeiten veröffentlichte, hatten die Kritiker das Werk auf Rang eins gewählt. Allerdings fiel er dann bei der dritten Auflage 1972 aus den Top Ten heraus.
Ein Zuschauer urteilt: "Der Film hinterlässt den stärksten Eindruck in der niederschmetternden Darstellung von Menschen, die verzweifelt sind, und zeigt, wie diese Verzweiflung selbst den anständigsten Menschen korrumpieren kann. Armut macht hier alle zu Opfern. Die untrainierten Schauspieler bringen eine hohe Authentizität in ihre Rollen und drücken ihre Gefühle sehr überzeugend aus. Der Schnitt sorgt dafür, dass es keine langweiligen Momente gibt und die kurze Spieldauer mit flottem Tempo vergeht. Obwohl der Streifen 70 Jahre alt ist, bleibt er so relevant wie zur Zeit seiner Entstehung. Seine Themen und die unvergessliche Aussage am Schluss machen ihn zeitlos und universell. Auch aus visueller Perspektive ist er wie ein guter Wein gealtert."
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