Am Sonntagabend lockt mit "Johnny Guitar" ein Western-Klassiker vor das Arte-Hauptprogramm. Nachteulen kommen zum Wochenausklang im Nachtprogramm von 3sat mit "Accident" auf ihre Hongkong-Thriller-Kosten.
"Johnny Guitar", Arte, 20:15 Uhr
Nachdem sie einem verwundeten Banditen (Ben Cooper) geholfen hat, wird eine willensstarke Salonbesitzerin (Joan Crawford) des Mordes und des Bankraubes durch einen Lynch-Mob verdächtigt.
Laut Martin Scorsese wussten die Kritiker nicht, was sie aus diesem US-Western aus dem Jahr 1954 machen sollten, "also haben sie ihn entweder ignoriert oder ihn verlacht". Eine zeitgenössische Kritik in der "Variety" spottete: "Der Film beweist, dass Miss Crawford Sattel und Levis anderen überlassen und bei den Lichtern der Großstadt bleiben sollte." Doch angeschoben von den jungen französischen Filmkritikern und Regisseuren der Nouvelle Vague um Francois Truffaut begann sich die Einschätzung über die Republic Pictures-Produktion nach und nach zu ändern. "Nun sah man den Streifen als ein intensives, unkonventionelles und stilisiertes Werk - voller Mehrdeutigkeiten und Subtexten, die ihn als extrem modern erscheinen lassen", wie Scorsese ausführt.
An der Kinokasse kam "Johnny Guitar" mit einem Einspiel von 2,5 Millionen Dollar in den US-Lichtspielhäusern sowieso bei den Zuschauern gut an. Und 2008 widerfuhr dem Film die Ehre, von der Library of Congress als "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsames Werk" in das National Film Registry aufgenommen zu werden.
Der von Scorsese erwähnte Subtext erschließt sich schnell, wenn man weiß, dass nicht der im Vorspann genannte Philip Yordan der Drehbuchautor war, sondern Ben Maddow, der mit einem Arbeitsverbot in der Industrie auf der "Schwarzen Liste" gelandet war. In der Ära von Senator Joseph McCarthy und seiner Jagd auf Kommunisten oder diejenigen, die er dafür hielt, musste Yordan als Strohmann für Maddow fungieren. Dass im Film nun eine Hexenjagd auf Joan Crawford und Sterling Hayden stattfindet, dass aus falschen Anschuldigungen rasch Vorverurteilungen folgen und dass brave Bürger schnell zum Lynch-Mob werden, die nach der Todesstrafe rufen, ist eine nur leicht kaschierte Kritik oder zumindest Kommentierung der damaligen US-Innenpolitik und des gesellschaftlichen Klimas.
Das Drehbuch basiert auf dem 1953 veröffentlichten gleichnamigen Roman von Ray Chonslor. Eigentlich hatten Regisseur Nicholas Ray und Hauptdarstellerin Crawford ursprünglich "Lisbon" bei Paramount Pictures zusammen drehen wollen. Als dies nicht zustande kam, trug Joan dem Regisseur den Roman von Chanslor an, der diesen ihr gewidmet hatte. Mit Republic Pictures fand sich ein kleines Studio, das die Produktion hauptsächlich auf der Studio eigenen Ranch in Sedona im US-Bundesstaat Arizona in den künstlich wirkenden Pastellfarben des hauseigenen TruColor-Verfahrens filmen ließ.
Die Dreharbeiten waren schwierig, weil sich die Darsteller Joan Crawford, Mercedes McCambridge - Crawford hätte lieber Bette Davis oder Barbara Stanwyck als Co-Star gesehen, aber das ließ das schmale Budget nicht zu - und Sterling Hayden nicht leiden konnten. Dazu kamen die Alkoholprobleme von Joan und Mercedes und der Umstand, dass Crawford und Ray während der Dreharbeiten eine Affäre hatten. Nach Produktionsschluss flogen die Giftpfeile hin und her. Crawford über McCambridge: "Ich habe vier Kinder. Ich brauche kein fünftes." McCambridge über Crawford: "Eine gemeine, beduselte, mächtige, niederträchtige Dame." Hayden über Crawford: "Es gibt nicht genügend Geld in ganz Hollywood, um mich zu locken, einen weiteren Film mit Joan Crawford zu drehen. Und ich mag Geld."
Dem fertigen Film merkt man diese Kabale zum Glück nicht an - im Gegenteil: "Johnny Guitar" gleitet selbstbewusst und hervorragend gespielt durch Genre-Konventionen hinweg und endet als ein packendes menschliches Drama, das über den Western-Horizont hinausweist und ein unauslöschliches Zeichen in der Filmgeschichte hinterlassen hat.
Ein Zuschauer schwärmt: "Diesen zu Recht legendären Film muss man gesehen haben, um es glauben zu können. Der Streifen ist in der Durchführung experimentell. Nicholas Ray schwelgt in Farben, Kompositionen und Raum. Als eine rein visuelle Übung ist das Werk ein mitreißender Erfolg. Der Regisseur ist hier blended erfolgreich, weil es keinen zweiten Film wie diesen gibt, und alle Filme, die folgten hinken ihm meiner Meinung nach Jahrzehnte hinterher. Ein Film zum Sehen, zum Erleben, aber sehr schwer zu beschreiben. Ich habe es weiß Gott versucht. Wer sich einen Reim aus der verschachtelten Handlung machen kann, den lade ich zum Essen ein."
"Accident", 3sat, 00:50 Uhr
Ein Auftragsmörder (Louis Koo), der seine Morde als Unfälle tarnt, glaubt nicht an einen Zufall, als einer seiner Helfer (Lam Suet) ums Leben kommt. Er macht sich auf die Suche nach dem möglichen Täter.
Ein von Soi Cheang furios inszenierter Thriller aus Hongkong, der sich mit der Paranoia eines schwer traumatisierten Menschen auseinandersetzt. Spannende Unterhaltung, der gegen Ende hin ein wenig die Luft ausgeht.
"Yi ngoi" - so der Originaltitel - wurde 2009 zum Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Venedig eingeladen. Bei den Hongkong-Filmpreisen gewann Michelle Ye als "Beste Nebendarstellerin".
Ein Kritiker urteilte auf "Movienerd": "Wer von Hongkong-Filmen ausschließlich Non Stop-Action im fünften Gang erwartet, sollte diesen Streifen meiden. Gerade in seiner zweiten Hälfte wandelt er sich zu einem ruhigen, intelligenten Suspense-Stück im Stile von Francis Ford Coppola's 'The Conversation', mit einer Lichtsetzung und Stimmungsführung, die stellenweise sogar an Wong Kar-Wai erinnert. Wunderschönes, philosophisches Spannungskino: Eine Seltenheit."
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