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Jury-Präsident Tom Tykwer und Berlinale-Direktor...tilie
Jury-Präsident Tom Tykwer und Berlinale-Direktor Dieter Kosslick gratulieren Adina Pintilie
© Berlinale

Berlinale: Umstrittener "Touch Me Not" gewinnt Goldenen Bären

Deutsche Beiträge gehen leer aus

Das haben nur wenige kommen sehen - und viele haben sicherlich kein Verständnis für die Entscheidung der Wettbewerbs-Jury um Tom Tykwer. Das umstrittene rumänische Drama "Touch Me Not", das dem Boulevard wegen seiner Sexszenen Schlagzeilen wert gewesen ist, hat gestern Abend den Goldenen Bären als bester Film des Festivals erhalten. Bei den Kritikern grüßte die rumänische Produktion vom Tabellenende, aber folgt man Tykwer's Aussage bei der Preisverleihung, man habe nicht nur würdigen wollen, "was Kino kann, sondern auch, wo es hingehen kann", ist die Auszeichnung eines sperrigen Semi-Experimentalfilms wohl nur folgerichtig.

"Touch Me Not" handelt von einer Frau, die keine Berührung erträgt. In einer Art Laborsituation will sie durch die Konfrontation mit den unterschiedlichsten Arten menschlicher Sexualität wieder zu eigener Körperlichkeit finden. "Der Film ist eine Einladung zum Dialog und eine Ermunterung, uns dem Anderen zu öffnen", sagte Regisseurin Adina Pintilie nach der Verleihung. "Wir bieten den Zuschauern einen Spiegel an, in den sie blicken und sich fragen können, was für sie Intimität bedeutet."

Während vor drei Jahren mit dem iranischen Semi-Dokumentarfilm "Taxi Teheran" und vor zwei Jahren mit dem italienischen Dokumentarfilm "Fuocoammare" cineastisch nicht besonders aufregende, aber politisch sehr korrekte Wahlen getroffen wurden, und letztes Jahr mit dem ungarischen Drama "Teströl és lélekröl" ("Körper und Seele") eine verdiente, aber sehr konventionelle Entscheidung am Ende stand, haben Tykwer und seine fünf Jury-Mitglieder bei der 68. Berlinale auf jeden Fall mal wieder ein Werk auserkoren, das es schwer haben dürfte, über den Berlinale-Palast hinaus Zuschauer zu finden.

Dass nun einige Journalisten die Qualität eines Berlinale-Festivalfilms daran festmachen, wie schnell er einen Kinosaal leerräumt oder dass er möglichst viele Buh-Rufe hervorruft - nach dem Motto "Hauptsache nicht langweilig!" - kann nicht der Bewertungsmaßstab sein. Ein Festival soll auch unkonventionellen Filmen eine Bühne bieten, aber nun die Berlinale-Verantwortlichen aufzufordern, die Unkonventionalität an sich zur Einladungsberechtigung zu machen, wäre ein Dogma, das schnell zum Eigentor geraten würde. Es ist wie überall im Leben: Die Mischung macht's!

Einen klaren Favoriten hatte es unter den 19 Wettbewerbsfilmen zwar nicht gegeben, aber viele Kritiker hätten es wohl gerne gesehen, wenn eine der deutschen Produktionen einen Bären erhalten hätte: "Transit" von Christian Petzold, "In den Gängen" von Thomas Stuber und "3 Tage in Quiberon" von Emily Atef wurden allesamt hoch gehandelt und gingen vollkommen leer aus. Franz Rogowski brillierte gleich in zwei dieser Streifen, Marie Bäumer sorgte als Romy Schneider für Furore - die Jury überzeugten sie anscheinend nicht. Tykwer kann sich auf jeden Fall nicht nachsagen lassen, er sei ein "Heimschiedsrichter".

Der Große Preis der Jury - sozusagen Silber - ging an das polnische Drama "Twarz" ("Gesicht") und damit an eine alte Berlinale-Bekannte. Regisseurin Malgorzata Szumowksa gewann vor drei Jahren den Silbernen Bären für ihre Regie zu "Cialo" ("Body") und saß vor zwei Jahren selbst in der Jury. Dieser Gewinn wurde als wohl verdient angesehen - und ist damit die Ausnahme.

So ist der Silberne Bär für Regisseur Wes Anderson umstritten, denn so positiv sein "Isle of Dogs" zum Auftakt auch aufgenommen worden war - die Regie eines Animationsstreifens ist aber eine schwerer zu quantifizierende Qualität als dessen Drehbuch, die Animation oder die Sprecher. Eine schöne Ironie daher, dass Sprecher Bill Murray statt Anderson den Bären entgegen nahm.

Die als Darsteller ausgezeichnete paraguayische Schauspielerin Ana Brun für das Drama "Las herederas" und der französische Akteur Anthony Bajon für das Drama "La prière" standen in der Gunst der Festival-Beobachter auch nicht höher als Marie Bäumer, Franz Rogowski und Joaquin Phoenix. Dass "Las herederas" den Alfred Bauer-Preis für einen "Film, der neue Perspektiven eröffnet", erhielt, sorgt ebenfalls für Stirnrunzeln. Geschenkt, dass er nicht mal einer der stärksten Wettbewerbsbeiträge gewesen ist, denn diese Kategorisierung soll ja gerade für diesen Sonderpreis nicht gelten. Aber welche Perspektive ist es, die dieser konventionelle Streifen um ein alterndes lesbisches Paar eröffnet?

Ebenso wenig wegweisend ist das mit einem Silbernen Bären bedachte Drehbuch von Regisseur Alonso Ruizpalacios und Manuel Alcalá für ihren mexikanischen Kriminalfilm "Museo". Zustimmung hat die Entscheidung der Jury, Elena Okopnaya den Silbernen Bären für ihre Kostüme in dem russischen Drama "Dovlatov" zuzuerkennen, gefunden.

Insgesamt war es ein laut Beobachtern guter Wettbewerbsjahrgang, wobei viele Favoriten in der zweiten Hälfte des Festivals plaziert waren. Am ersten Wochenende hatte sich sogar schon Unmut über die Qualität der eingeladenen Werke breit gemacht.

Heute enden die 68. Internationalen Filmfestspiele von Berlin mit dem Publikumstag. Insgesamt 385 Filme aus 78 Ländern sind in diesem Jahr zu sehen gewesen.

Die Gewinner der 68. Berlinale:

Goldener Bär für den besten Film: "Touch Me Not" von Adina Pintilie

Großer Preis der Jury - Silberner Bär: "Twarz" von Magorzata Szumowska

Alfred Bauer Preis für neue Perspektiven - Silberner Bär: "Las herederas" von Marcelo Martinessi

Beste Regie - Silberner Bär: Wes Anderson für "Isle of Dogs - Ataris Reise"

Beste Darstellerin - Silberner Bär: Ana Brun in "Las herederas" von Marcelo Martinessi

Bester Darsteller - Silberner Bär: Anthony Bajon in "La prière" von Cédric Kahn

Bestes Drehbuch - Silberner Bär: Manuel Alcalá und Alonso Ruizpalacios für "Museo" von Alonso Ruizpalacios

Silberner Bär für herausragende künstlerische Leistungen: Elena Okopnaya für Kostüme und Produktionsdesign in "Dovlatov" von Alexey German Jr.

Preis für den besten Dokumentarfilm: Ruth Beckermann für "Waldheims Walzer"


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