Ist es Gedankenübertragung, Zufall oder
Betriebsspionage?
Wieder einmal sollen zeitgleich zwei inhaltsgleiche Filme
realisiert werden. Das ist nichts Neues: Es gab in den vergangenen
Jahren schon unter anderem die Duelle "Gefährliche Liebschaften"
gegen "Valmont", "Deep Impact" gegen "Armageddon", "Dante´s Peak"
gegen "Volcano", "1492" gegen "Christopher Columbus" oder "Robin
Hood, König der Diebe" gegen "Robin Hood". Stets blieb dabei ein
Film im Schatten des anderen. Dies droht nun wieder, wenn nicht
noch mehr, denn im Mittelpunkt der Geschichte stehen keine
Meteoriten oder Vulkanausbrüche, sondern der elizabethanische
Dichter Christopher Marlowe, zu seiner Zeit der große Rivale
Shakespeares. Anstoß zu den beiden Werken ist der Erfolg von
"Elizabeth" und "Shakespeare in Love", wobei in Letzterem Marlowe
von Rupert Everett dargestellt wurde. Aber reicht das aus, um das
Kinopublikum vor die Leinwände zu locken? Laut der Macher war
Marlowe mehr als ein Poet, er war auch ein schneidiger,
geheimnisvoller und übermütiger Charakter, der mit 29 Jahren bei
einer Wirtshausschlägerei ums Leben kam. Viele munkelten von einer
Verschwörung gegen den Dichter, der sich viele Feinde gemacht
hatte, beispielsweise durch seinen Atheismus im protestantischen
England, und von dem man munkelte, er habe als Spion in Diensten
von Königin Elizabeth I gestanden. Projekt Nummer eins
"Er forderte jede Art von Autoritäten heraus, die Kirche, den Staat
und die damaligen Gepflogenheiten", charakterisiert Michael Elias
den Stückeschreiber, dessen Leben er nach dem Roman "A Dead Man in
Deptford" von Anthony Burgess verfilmen möchte. "Mein Marlowe wäre
wie ein junger Oliver Reed", beschreibt Elias seine Version des
Dichters. "Mein Kerl ist ein ruppiger, gewalttätiger Mann, der sich
zu Seinesgleichen hingezogen fühlt. Das ist eine großartige Rolle
für einen mutigen Schauspieler." Die eigentliche Besetzung ist aber
noch völlig offen. Klar ist dagegen die inhaltliche Festlegung, die
Produzent Robert Jones ("Dad Savage") so beschreibt: "Unser Film
konzentriert sich hauptsächlich auf Marlowes
Spionagetätigkeit."
Projekt Nummer zwei
"Er war der Rockstar seiner Zeit", meint Produzent Andras Hamori
("Ein Hauch von Sonnenschein"), "und das ist der Marlowe, den wir
zeigen wollen." Als Regisseur hat Hamori John Maybury ("Love Is the
Devil") verpflichtet, der sein eigenes Drehbuch, das er mit Alex
Ayres und John Brownlow zusammen geschrieben hat, verfilmen wird.
In Cannes wurde gemunkelt, der Film werde Marlowe als einen
Schwerenöter präsentieren, der eine heikle Affaire mit der Gattin
eines Mannes aus der Regierung hat. Produzent Hamori relativiert
diese Mutmaßungen: "Es ist schwierig, bei Christopher Marlowe die
schwule Seite nicht zu beleuchten. Aber ich würde ihn nicht als
homosexuell bezeichnen. Ich würde ihn sexuell nennen." Ursprünglich
war Jude Law ("Der talentierte Mr Ripley") für die Rolle des Poeten
vorgesehen, die er sich jetzt aber geschenkt hat, um stattdessen
für Steven Spielberg ("Der Soldat James Ryan") in dem Science
Fiction-Film "A.I." mitzuwirken. Auch hier ist die Besetzung also
offen.
Egal, wer am Ende des Jahres die Nase vorne hat von diesen beiden
Konkurrenzprodukten - einer ist immer der Loser.