(04.11.2017) Update
Nun ist die Entscheidung endgültig. Nach der zu Anfang der Woche getroffenen Maßnahme, die Dreharbeiten zur sechsten Staffel der Netflix-Serie "House of Cards" auf "unbestimmte Zeit" auszusetzen, um die Situation nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Kevin Spacey abzuwägen, haben Netflix gestern Abend die Reißleine gezogen: Spacey ist mit sofortiger Wirkung entlassen worden. In der Pressemitteilung heißt es: "Netflix wird mit keiner weiteren Produktion von 'House of Cards' befasst sein, bei der Kevin Spacey dabei ist. Wir werden weiterhin mit unserem Mitproduzenten Media Rights Capital während dieser Drehpause daran arbeiten, eine gemeinsame Position hinsichtlich der Sendung zu finden."
Anders klang das allerdings in der 30 Minuten später veröffentlichten Pressemitteilung der Mitproduktionsgesellschaft MRC, wo es heißt, Kevin sei lediglich "suspendiert".
Ob "House of Cards" ohne ihn weiter geht, ist offen. Laut Netflix sei ohnehin "schon vor Monaten" beschlossen worden, die seit 2013 laufende Internet-Reihe mit der sechsten Staffel zu beenden. Zudem soll das sich in der Nachproduktion befindliche Drama "Gore", in welchem Spacey den US-Schriftsteller Gore Vidal mimt, nicht veröffentlicht werden.
In den Medien hatten sich immer mehr Mitarbeiter der "House of Cards"-Dreharbeiten oder auch aus dem Theater Old Vic in London, an dem der Amerikaner von 2003 bis 2015 als Künstlerischer Leiter tätig war, gemeldet, die wahlweise von sexuellen Belästigungen oder einer "giftigen Arbeitsatmosphäre" berichteten, die der 58-Jährige verursacht habe.
(01.11.2017) Kevin Spacey outet sich: "Lebe als schwuler Mann"
Es ist möglich, dass Francis J. Underwood noch viel mehr hängen gelassen wird, als man es zum Ende der fünften Staffel in diesem Jahr hätte ahnen können. Denn gestern haben Netflix erklärt, die laufenden Dreharbeiten auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Dies wurde laut "Deadline" der Besetzung und dem Stab gestern mitgeteilt. Damit findet ein weiteres reales Drama als Quasi-Kollateralschaden der Harvey Weinstein-Affaire seinen Höhepunkt.
Seitdem bekannt geworden ist, wie sehr Weinstein offenbar seine Position in Hollywood missbraucht hat, um sich von ihm abhängige Frauen gefügig machen zu wollen, sie zu vergewaltigen und sexuell zu belästigen, haben in der Filmindustrie immer mehr Künstlerinnen den Mut gefunden, über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und Schlimmeren zu berichten.
Aber nicht nur Frauen - und hier kommt Kevin Spacey ins Spiel. Am Sonntag erklärte der Schauspieler Anthony Rapp in einem Interview mit "BuzzFeed News", dass Spacey versucht habe, mit ihm Sex zu haben, als sie 1986 am Broadway arbeiteten. Kevin war damals 26 Jahre alt - Rapp aber nur 14 Jahre alt und damit juristisch gesehen ein Minderjähriger.
Laut Rapp soll Spacey versucht haben, ihn nach einer Party in Kevin's Apartment zu "verführen". Er sei laut Anthony von Spacey auf sein Bett geworfen worden; dann sei Kevin auf ihn geklettert. Er habe sich entwinden können, bevor etwas Gravierendes passieren konnte. Rapp beruft sich hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Offenbarung auf die vielen "mutigen Frauen und Männer, die ihr Schweigen gebrochen haben" und wolle ein "weiteres Licht auf dieses Verhalten werfen, das zu lange toleriert wurde": "Ich hoffe, dass dies einen Unterschied machen kann."
Spacey reagierte schnell und veröffentlichte Stunden später, nachdem der Vorwurf publiziert worden war, am frühen Montagmorgen eine Stellungnahme per Twitter:
"Ich habe großen Respekt und Bewunderung für Anthony Rapp als Schauspieler. Ich bin mehr als entsetzt, seine Geschichte zu hören. Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht an diesen Vorgang, es wäre mehr als 30 Jahre her. Aber wenn ich das getan habe, was er beschreibt, dann schulde ich ihm eine aufrichtige Entschuldigung für unangemessenes Verhalten in Trunkenheit, und es tut mir leid wegen seiner Gefühle, von denen er sagt, dass er sie all die Jahre mit sich herumschleppen musste.
Diese Geschichte hat mich ermutigt, andere Dinge in meinem Leben anzusprechen. Ich weiß, dass es Gerüchte über mich gibt, und einige davon durch die Tatsache, dass ich mein Privatleben sehr abgeschirmt habe, genährt worden sind. Wie diejenigen, die mir nahe stehen, wissen, habe ich in meinem Leben sowohl Beziehungen zu Frauen als auch zu Männern gehabt. Ich habe Zeit meines Lebens Männer geliebt und Beziehungen mit ihnen gehabt, und mich nun entschieden, als schwuler Mann zu leben. Ich will ehrlich und offen damit umgehen, und das beginnt damit, dass ich mein eigenes Verhalten auf den Prüfstand stelle."
Dass der Mime sein Coming Out - 2009 hatte er in einem Interview bestritten, schwul zu sein - ausgerechnet im Zuge der gegen ihn vorgebrachten Anschuldigung vornimmt, hat zu Kritik geführt. Manche schelten es als ein Ablenkungsmanöver, andere kritisieren, hier würde Schwulsein wieder in Verbindung zu Pädophilie gebracht.
Netflix scheint die Anschuldigung auf jeden Fall gravierend genug, um ihre sehr erfolgreiche Serie "House of Cards" womöglich einzustellen, deren Dreharbeiten zur sechsten Staffel in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland bereits begonnen haben. "Wir sind tief verstört über die Nachrichten hinsichtlich Kevin Spacey und haben uns entschlossen, uns die Zeit zu nehmen, um die gegenwärtige Situation zu bewerten und jegliche Bedenken unserer Besetzung und unseres Stabes anzusprechen", heißt es in einer gestrigen Pressemitteilung. Dass die sechste Staffel die letzte sein würde, hatte die Internet-Produktionsgesellschaft bereits einen Tag zuvor verkündet.