Heute eröffnen die 74. Filmfestspiele von Venedig, dem nach Cannes zweitwichtigsten und ältesten Filmfestival der Welt, dessen Bedeutung zuletzt zugenommen hat, nachdem in den letzten vier Jahren dort jeweils Filme zur Aufführung kamen, die dann ein halbes Jahr später jeweils gewichtige Rollen im Oscar-Rennen spielen sollten: "Spotlight", "Gravity", "Birdman" und "La La Land".
In diesem Jahr erwartet der Lido mit besonderer Spannung den Eröffnungsfilm "Downsizing" von Alexander Payne, in dem sich Matt Damon und Kristen Wiig aus Kostengründen auf Miniaturgröße schrumpfen. 21 Spielfilme konkurrieren im Wettbewerb um den Hauptpreis, den Leone d'Oro (Goldenen Löwen), den Leone d'Argento (Silbernen Löwen), den Großen Preis der Jury und den Coppa Volpi für die besten Darsteller. Die Jury unter dem Vorsitz von Annette Bening hat die Qual der Wahl. Zwei Sieger stehen indes bereits fest: Jane Fonda und Robert Redford erhalten den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.
Neben "Downsizing" stehen besonders der Dokumentarfilm "Human Flow" über die Flüchtlingskrise vom chinesischen Künstler Ai Weiwei, der in Berlin Zuflucht vor dem kommunistischen Schergen seines Heimatlands gefunden hat, "Mother!" von Darren Aronofsky, "Suburbicon" von George Clooney und erneut mit Matt Damon sowie "The Shape of Water" von Guillermo del Toro im Fokus. Von den 21 Regisseuren sind 15 das erste Mal im Rennen um den Goldenen Löwen dabei. Eine deutsche Produktion hat es nicht in den Wettbewerb geschafft. Auch Frauen haben es schwer gehabt: Nur die Chinesin Vivian Qu ist mit "Jia Nian Hua" (Engel tragen Weiß) als einzige weibliche Filmemacherin dabei - was aber auch ein Spiegelbild der Unterbeschäftigung von Frauen in der Filmindustrie widerspiegelt.
Wie in Cannes spielt die Frage eine Rolle, ob Produktionen von Firmen wie Amazon und Netflix, die nicht für das Kino, sondern das Internet gedreht werden, in Venedig gezeigt werden können. Cannes hatte im Mai beschlossen, nur noch Werke im Wettbewerb zuzulassen, die auch das Licht einer Leinwand erblicken. Festivaldirektor Alberto Barbera sieht das lockerer: "Wir können dieses Phänomen nicht ignorieren. Die meisten Filmemacher gehen mit ihren Projekten zu Amazon und Netflix. Wenn ein Filmemacher die neuen Spielregeln akzeptiert, sehe ich nicht, warum wir nicht das Gleiche tun können."
Ebenfalls mit der Zeit geht das Festival mit der erstmaligen Einrichtung einer eigenen Sektion für Virtuelle Realität-Filme. Venedig ist damit das erste Festival, das auf diese Technik reagiert. John Landis sitzt hier der Jury vor und stellt auch eine 3D-Version seines Musikvideos zu Michael Jackson's "Thriller" vor.
Die Preise des Wettbewerbs werden zum Abschluss am 9. September vergeben werden.