"Herr der Fliegen", Arte, 00:35 Uhr
30 englische Schüler, die mit dem Flugzeug auf einer unbewohnten Insel abgestürzt sind, entwickeln sich zu mörderischen Wilden.
William Goldman's Roman "Lord of the Flies" aus dem Jahr 1954 ist in den Kanon der Schullektüre übergegangen und dabei alles andere als leichte Kost. Der Engländer, der 1983 - auch wegen dieses gefeierten Werks - den Nobel-Preis erhalten sollte, schildert hier drastisch, wie dünn der Firnis dessen ist, was man Zivilisation nennt, und wie schnell der Mensch - egal, welchen Alters - Hass und Aggressivität auslebt, wenn er die Chance dazu bekommt und von keinerlei Autoritäten beschränkt wird.
Der englische Theaterregisseur Peter Brook nahm die Herausforderung an, das Buch für die Leinwand zu adaptieren. Eine Herausforderung allein deshalb, weil er mit Kindern arbeiten musste, "deren ungeduldige Eltern sie uns nur für die Zeit der Sommerferien ausgeliehen hatten".
Die Jungen hatten keinerlei Schauspielerfahrung und kannten das Buch auch nicht. Bei den Dreharbeiten im Sommer 1961 auf Puerto Rico gab es kein Drehbuch im herkömmlichen Sinn, sondern Brook erklärte den Jungdarstellern jeweils die nächste Szene, die diese dann spielten und viele der Dialoge improvisierten. 60 Stunden Material kamen zusammen, die dann von Cutter Gerald Feil auf vier Stunden und schließlich auf rund 90 Minuten gekürzt wurden. Mit dieser Fassung nahm man schließlich 1963 an den Filmfestspielen in Cannes teil - von den Kritikern gelobt, aber preislos bleibend.
Der britische Abenteuerfilm überzeugt wie das Buch auf mehreren Ebenen - als Studie des Menschen, als politische Parabel und als pessimistische Anti-Utopie - und bewahrt auch dank seiner ungeschminkten Machart, bei welcher der Regisseur die Kamera "einfach draufhält", eine raue Intensität, die noch lange im Gedächtnis bleibt und der weniger werkgetreuen Wiederverfilmung von 1990 überlegen ist.
In Deutschland kam "Lord of the Flies" nicht in die Kinos, sondern wurde erst 1971 im der ARD aufgeführt.
Ein US-Zuschauer lobt: "Man braucht keinen Hannibal Lecter, um einen Film angsteinflößend wirken zu lassen - dieser Streifen ist der Beweis. 'Lord of the Flies' ist eine der erschütterndsten Seherfahrungen meines Lebens. Alle Jungen sind perfekt besetzt und ihre Darstellungen durchgehend stark. Die Inszenierung ist perfekt. Das Tempo ist hier der Schlüssel, denn ist es zu langsam, wird der Film langweilig, ist es zu schnell, fühlt es sich gehetzt an. Der Regisseur trifft es perfekt. Er fängt langsam an und steigert nach und nach die Intensität."
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