(01.09.2017) Update
Labor Day war sein Tag. Von 1966 bis 2010 moderierte Jerry Lewis am Vorabend dieses Feiertages Anfang September jährlich den "The Jerry Lewis MDA Labor Day Telethon". Bei dieser Spendengala, die sich bis in den Nachmittag des Labor Day hineinzog, wurden Gelder für die Forschung gegen die Muskeldystrophie, eine Erbkrankheit, welche die Muskeln schwinden lässt, gesammelt. Über die Jahrzehnte kamen 2,4 Milliarden Dollar zusammen.
Zu Ehren des am 20. August verstorbenen Künstlers organisiert die ArcLight Cinemas-Kette am kommenden Sonntag und Montag, dem Labor Day, Aufführungen von zwei der bedeutendsten Filme von Jerry: "The Nutty Professor" und "The King of Comedy". Die Einnahmen gehen an die Muscular Dystrophy Association.
Gretchen McCourt von ArcLight erklärt: "Jerry Lewis wird immer eine legendäre Ikone der Unterhaltung bleiben, dessen Vermächtnis sowohl auf als auch jenseits der Leinwand bleiben wird. Wir fühlen uns geehrt, zwei von Lewis' vielen großartigen Filmen zu zeigen und eine solch exzellente Gelegenheit zu haben, der MDA etwas im Gedenken an einen solch bedeutenden Schauspieler zu geben."
(21.08.2017)
Jerry Lewis ist tot. Der Regisseur und Schausspieler ist gestern im Alter von 91 Jahren in seinem Zuhause in Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada verstorben. Dies offenbarte seine Familie. Der Schauspieler soll eines natürlichen Todes gestorben sein und verbrachte seine letzten Stunden im Kreise seiner Familie. Immer wieder stand Lewis' Leben auf der Kippe - so erlitt er bereits 1982 einen Herzinfarkt, später musste er gegen Prostata-Krebs kämpfen.
Zahlreiche Prominente zollten ihm auf den sozialen Netzwerken Tribut. So twitterte Jamie Lee Curtis: "Jerry Lewis war in meiner Familie sehr präsent. Viele Filme mit meiner Mama & er hat mit meinen Eltern Janet Leigh und Tony Curtis Filme gemacht. Er hat mich und viele andere zum Lachen gebracht." Jim Carrey erklärte: "Dieser Narr war kein Idiot. Jerry Lewis war ein unleugbares Genie, ein unglaublicher Segen, der Höhepunkt von Comedy!"
Lewis war unbestritten einer der wichtigsten Komiker der Filmgeschichte, einer der erfolgreichsten und bestbezahlten Schauspieler der fünfziger und sechziger Jahre, dessen Stern außerhalb der Kinosäle als Partner von Dean Martin in den Nachtclubs aufgegangen war und der mit seiner Philantropie von 1966 bis 2010 jeden Labor Day via Fernsehen zu Gast in den Wohnstuben der Amerikaner mit seinen Spendenmarathons für den Muskeldystrophie-Verein war. Als innovativer Regisseur und Darsteller adaptierte er die Komik der Stummfilmzeit und kreuzte sie mit knallbunten Versatzstücken, die aus einem Comic hätten stammen können, und manchmal der Sentimentalität eines Charlie Chaplin.
Jerry Lewis wurde als Joseph Levitch am 16. März 1926 in Newark im US-Bundesstaat New Jersey als Sohn russischer Einwanderer geboren. Sein Vater war Schauspieler und seine Mutter Pianistin. Jerry begleitete seine Eltern schon als Kind auf der Bühne und verließ die High School ohne Abschluss. Wegen eines Herzfehlers wurde er während des Zweiten Weltkriegs nicht eingezogen.
1945 arbeitete Lewis, der schon als Jugendlicher sein komisches Talent entdeckt hatte, als Komiker im Glass Hat Club in New York City, wo er den Sänger Dean Martin traf. Im Sommer 1946 empfahl er Martin als Ersatz für einen verhinderten Sänger im 500 Club in Atlantic City und bildete ein Duo mit ihm. Im Gegensatz zu anderen Komikerpaaren wie Bud Abbott und Lou Costello spielten die Zwei keine auswendig gelernten Sketche vor, sondern improvisierten und verließen sich auf ihre kontrastrierenden Stile: Dean sang, und Jerry alberte herum. Die Mischung erwies sich als unwiderstehlich und kam äußerst gut beim Publikum an. Schnell wurden Martin & Lewis landesweit bekannt, spielten vor ausverkauften Häusern und erhielten 1949 im Radio ihre "The Martin and Lewis Show", die auf NBC bis 1953 ausgestrahlt wurde. Ab 1948 traten sie in verschiedenen Sendungen im Fernsehen auf. 1951 vermeldete das "LIFE"-Magazin, die Zwei seien die höchstbezahlten Entertainer im Showbusiness. Ihre Popularität spiegelte sich auch in der Tatsache, dass DC Comics von 1952 bis 1957 eine Serie "The Adventures of Dean Martin und Jerry Lewis" herausbrachte.
Hollywood wurde schnell auf den Erfolg von Martin & Lewis aufmerksam. Paramount Pictures nahm sie unter Vertrag und ließ sie in der Komödie "My Friend Irma" 1949 und in "My Friend Irma Goes West" von 1950 als Gaststars auftreten, bevor sie 1951 in "In War with the Army" ("Krach mit der Kompanie") erstmals Hauptrollen übernahmen. Das Konzept des gutaussehenden und singenden Martin und des tölpelhaften, Grimassen schneidenden Lewis funktionierte auch auf der Leinwand, wobei die Qualität der insgesamt 15 Produktionen zwischen "ordentlich" und "mittelmäßig" schwankte. Es gab keine Ausreißer nach unten, aber auch kein Werk, das Filmgeschichte geschrieben hat. Die Streifen machten aber stets die Paramount-Buchhaltung glücklich und damit auch das Künstlerpaar - nur darauf kam es an.
Doch die für alle so fruchtvolle Partnerschaft, künstlerisch wie kommerziell, sollte ein unerfreuliches Ende finden. Dean, der zunehmend frustriert über seine eindimensionalen Rollen war und zudem fand, dass sein Partner zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte und zog, geriet immer öfter mit dem berüchtigt dünnhäutigen Jerry aneinander. Zumal Lewis ein Arbeitstier war, während Martin nicht mehr als nötig an Aufwand investieren und lieber noch eine Runde Golf spielen wollte. Als eine Geschichte über das Komikerduo im "Look"-Magazin mit nur Lewis auf der Titelseite erschien, war das der berühmte letzte Tropfen, der für Dean das Fass zum Überlaufen brachte. Er entschied sich, seinen Vertrag bei Paramount noch zu erfüllen und dann die Partnerschaft zu beenden. Nachdem Martin seinem Kollegen in einer der erhitzten Auseinandersetzungen an den Kopf geworfen hatte, dass "Du nicht mehr als ein beschissenes Dollar-Zeichen für mich bist", war das Tischtuch zerschnitten. Fast auf dem Tag genau zehn Jahre nach ihrem ersten gemeinsamen Auftritt trennte sich das Paar am 25. Juli 1956.
Die spannende Frage war, ob Lewis wie Martin auch ohne einander Erfolg beim Publikum haben würden. Es gelang: Während Dean als Sänger und Schauspieler weiter reüssierte, blieb Jerry als Schauspieler, der nun auch hinter die Kamera als Regisseur und Produzent wechselte, ebenfalls erfolgreich. Mit eigenen Shows in Las Vegas, Miami, New York City und Washington und mit dem von ihm für Paramount auch produzierten "The Delicate Deliquent" ("Der Held von Brooklyn") bewies Lewis 1957, dass er auch solo erfolgreich sein konnte. Nun brachten DC Comics bis 1971 "The Adventures of Jerry Lewis" heraus.
Ein wichtiger Schritt in der Solo-Karriere war die Zusammenarbeit mit Regisseur Frank Tashlin, dessen visueller Comic-Humor bestens mit Jerry's Darstellungskunst harmonierte und in feiner Slapstick mündete. Sechs Filme drehten die Beiden zusammen: "Rock-a-Bye-Baby" ("Der Babysitter") von 1958, "The Geisha Boy" von 1959, "Cinderfella" ("Aschenblödel") von 1960, "It's Only Money" ("Geld spielt keine Rolle") von 1962, "Who's Minding the Store?" ("Der Ladenhüter") von 1963 und "The Disorderly Orderly" ("Der Tölpel vom Dienst") von 1964.
1959 unterzeichnete Jerry einen Vertrag bei Paramount Pictures, der ihm 10 Millionen Dollar plus 60 Prozent Gewinnbeteiligung an 14 Filmen in sieben Jahren einbrachte. 1960 stand Lewis dabei erstmals auch hinter der Kamera und inszenierte sich selbst in "The Bellboy" ("Hallo, Page!"), der wie kaum ein anderes Werk seine Wurzeln in der Slapstick der Stummfilmzeit verdeutlichte. Mit kleinem Budget und kurzer Drehzeit im Fountainebleau Hotel in Miami gedreht, besteht die Komödie im Grunde aus lose verbundenen Sketchen mit visuellen Witzen ohne Dialoge - und aus Jerry, der als Page für Chaos im Hotel sorgt.
Um einen besseren Überblick über die Produktion und seine eigene Leistung vor der Kamera zu haben, setzte Lewis als erster Filmemacher das neue Medium Video ein, um auf Monitoren sofort die Aufnahmen ansehen zu können und nicht erst bis zum nächsten Tag auf die entwickelten Filmnegative warten zu müssen. Die Technik des Video-Assistenten sollte bald Usus bei Hollywood-Produktionen werden; sie half Jerry, seine Produktionen stets innerhalb der geplanten Zeit und des angesetzten Budgets zu beenden.
In den Sechzigern führte der "totale Filmemacher", wie er sich selbst bezeichnete, bei vielen seiner eigenen Werke Regie, so zum Beispiel bei "The Ladies Man" ("Zu heiß gebatet") von 1961, der insbesondere wegen seiner riesigen Kulisse, die wie ein gigantisches Puppenhaus aufgebaut wurde, bekannt wurde, und "The Nutty Professor" von 1963, in der Jerry die "Dr. Jekyll and Mr. Hyde"-Geschichte clever als Komödie variiert: Hier ist der Normale eigentlich der Verrückte, und der Verrückte eigentlich der Normale, wenn auch von einer äußerst unangenehmen Sorte. In "The Family Jewels" ("Das Familienjuwel") von 1965 spielte er sieben Rollen gleichzeitig.
Ab 1964 begann der Erfolg seiner Filme nachzulassen, so dass Paramount Lewis' Vertrag nicht verlängerten. Der Schauspieler wechselte zu verschiedenen Studios, doch die schwache Qualität von Streifen - ob nun von ihm selbst oder anderen inszeniert - wie "Way...Way Out" ("Das Mondkalb") von 1966 oder dem in Großbritannien produzierten "Don't Raise the Bridge...Lower the River" ("Der Spinner") von 1968 gingen einher mit weiteren Misserfolgen. 1970 entschied sich Jerry daher, erstmals nur hinter der Kamera zu stehen und setzte Sammy Davis Jr. und Peter Lawford in der ebenfalls missratenen Komödie "One More Time" ("Die Pechvögel") in Szene. Sein im gleichen Jahr mit sich selbst inszenierter "Which Way to the Front?" ("Wo bitte geht es hier zur Front?"), von Publikum und Kritikern abgelehnt, kam nur noch in wenige Kinos.
In dieser Situation versuchte sich Jerry an einem Befreiungsschlag, der ihm wieder Anerkennung, auch als ernster Künstler, bringen sollte. "The Day the Clown Cried" war als magnum opus geplant. Ein Drama über einen Clown, der in den Konzentrationslagern der Deutschen die Kinder, die ins Gas geschickt werden, ein letztes Mal erheitern und ablenken muss. Das Werk aus dem Jahr 1972 wurde zum Stoff von Legenden. Aber nicht, weil es so großartig geriert - denn das kann niemand beurteilen. Sondern weil sich Lewis entschied, den gedrehten Film niemals aufzuführen. Ob es nun Rechtsstreitigkeiten waren oder die Einsicht, wie Jerry schließlich rund 30 Jahre später zugab, dass der Film kolossal misslungen war - bis heute hat niemand "The Day the Clown Cried" gesehen. Die US-Library of Congress hat 2015 eine Kopie gekauft, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Derweil hielt Jerry Vorlesungen über das Filmemachen an der University of Southern California in Los Angeles, wo er 1968 den Kurzfilm "Amblin'" eines gewissen Steven Spielberg zeigte und den Studenten erklärte: "Das ist das, worum es beim Filmemachen geht."
Nach dem Debakel mit "The Day the Clown Cried" sollten zehn Jahre vergehen, bis Lewis 1980 erstmals mit dem von ihm selbst inszenierten "Hardly Working" ("Alles in Handarbeit") wieder auf die Leinwand zurückkehren sollte. Der Film litt unter finanziellen Problemen, weil Lewis das Geld ausging und er während der Produktion seine Zahlungsunfähigkeit erklären musste. Der zusammen gestoppelte Streifen, von der Kritik verrrissen, war immerhin ein Erfolg beim Publikum. Aber bereits der 1981 von Jerry gedrehte "Smorgasbord", auch als "Cracking Up" ("Immer auf die Kleinen") verliehen, kam 1983 nur in europäische Kinos und erschien in den USA lediglich auf Videocassette. Es sollte Lewis' letzte Regiearbeit bleiben.
Jerry machte 1982 mehr als Schauspieler von sich reden, als er in Martin Scorsese's tiefschwarzer Komödie "The King of Comedy" die ernste Rolle eines Komikers übernahm, der von einem fanatischen Fan gekidnappt wird. Leider wurde der superbe Film - der mit Abstand beste, in dem Lewis je mitwirkte - kein Erfolg beim Publikum. Nach zwei grauslichen Ausflügen 1984 ins französische Kino - in Frankreich verehrte man Jerry wesentlich mehr als Künstler als in den USA, wo man ihn hauptsächlich als albernen Grimassenschneider sah - reduzierte der Schauspieler seine Auftritte. Nun war er nur noch alle paar Jahre in Nebenrollen in Filmen wie "Cookie" mit Peter Falk von 1989, "Arizona Dreams" mit Johnny Depp von 1993 und "Funny Bones" mit Oliver Platt von 1995 zu sehen. Erst 2013 übernahm er in dem wenig aufgeführten Drama "Max Rose" wieder eine Hauptrolle.
Jerry Lewis war zweimal verheiratet: Von 1944 bis zur Scheidung 1980 mit Patti Palmer und von 1983 an mit SanDee Pitnick. Mit seiner ersten Frau hatte er sechs Kinder; mit seiner zweiten eine adoptierte Tochter. Sein Sohn Joseph starb 2009 im Alter von 45 Jahren an einer Drogenüberdosis.