"Reise nach Indien", Arte, 20:15 Uhr
Kulturelles Misstrauen und böse Anschuldigungen verdüstern die Freundschaft zwischen einer englischen Dame (Judy Davis), einem indischen Arzt (Victor Banerjee) und einem englischen Hochschullehrer (James Fox) im britisch besetzten Indien der Zwanziger.
1970 hatten die Kritiker "Ryan's Daughter" von David Lean ("Lawrence of Arabia") so böse verrissen, dass sich der erfolgsverwöhnte englische Regisseur in den Schmollwinkel zurückzog und über ein Jahrzent lang keinen Film mehr drehte. Doch "Passage to India" lockte ihn Anfang der Achtziger wieder hinter das Megaphon.
Das Projekt war aber auch zu gut, um es abzulehnen. Viele Produzenten und Regisseure hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten vergeblich bemüht, eine Adaption des 1924 erschienenen Romans "A Passage to India" von Edward Morgan Forster auf die Leinwand zu bringen, der in England als Klassiker galt. Aber der Autor weigerte sich, die Verfilmungsrechte zu veräußern. Nach dem Tod des Schriftstellers, der eher für innerenglische Gefühlsaufwallungen in Romanen wie "A Room with a View" und "Howard's End" bekannt war und dessen politischstes Werk "A Passage to India" ist, wanderten die Rechte an das King's College der Universität Cambridge. Dieses gab die Rechte erst 1981 für den Produzenten John Brabourne frei, der sich in den Siebzigern einen Namen mit Agatha Christie-Verfilmungen wie "Murder on the Orient Express" gemacht hatte.
Brabourne gelang es, Lean für die Regie zu interessieren, und der damals 75-Jährige schrieb erstmals seit den Fünfzigern auch sein eigenes Drehbuch, wobei er sich auch an der Theaterfassung des Romans aus dem Jahr 1960 orientierte. Die Dreharbeiten fanden vor Ort in Indien hauptsächlich in und um Bangalore statt.
David inszenierte für 17 Millionen Pfund brillant, brachte die herausragend gezeichneten und gespielten Charakterportraits und die faszinierenden exotischen Bilder in eine befriedigende Balance. So episch der Streifen wirkt, so intim und bewegend ist er auch.
Das britische Drama sollte David Lean's letzter Film werden, und für den Regisseur gab es 1984 die Genugtuung guter Kritiken und vieler Preise und Nominierungen. So war "A Passage to India" für gleich elf Oscars im Rennen: Als "Bester Film", für die Regie, das Drehbuch, Hauptdarstellerin Judy Davis, Nebendarstellerin Peggy Ashcroft, Kameramann Ernest Day, Komponist Maurice Jarre, die Ausstattung, Kostümbildnerin Judy Moorcroft, den von Lean höchstpersönlich besorgten Schnitt und den Ton. Zwei Oscars konnten gewonnen werden: Nebendarstellerin Ashcroft und Komponist Jarre namen den Goldjungen nach Hause. Beide gewannen auch den Golden Globe, Peggy dazu noch den Britischen Filmpreis.
Ein Zuschauer aus dem australischen Melbourne schreibt: "Dieser Film beschäftigt sich mit Unterdrückung, Illusion, Rassismus, Toleranz, Vergebung, Selbstentdeckung und Gerechtigkeit - alles zusammen gepackt in einen unvergesslich symbolischen und visuell Atem beraubenden Streifen. Dies ist eine der emotional bewegendsten Charakterstudien der Filmgeschichte. David Lean ist ein Meister darin, eine mystische Atmosphäre in epischer Breite zu erschaffen, unterlegt mit der magischen, subtilen und unvergesslichen Musik von Maurice Jarre."
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