"Der Major und das Mädchen", Arte, 22:40 Uhr
Eine Frau (Ginger Rogers) verkleidet sich als Kind, um sich eine Zugfahrt leisten zu können, und wird von einem Soldaten (Ray Milland) unter die Fittiche genommen, der das Spiel nicht durchschaut.
Billy Wilder hatte bei seiner Flucht aus Deutschland vor den Nationalsozialisten 1933 zunächst Zuflucht in Paris gefunden und dort auch seinen ersten Spielfilm inszeniert, den französischen "Mauvaise Graine", der heute eher von historischem Interesse ist. Ab seiner Ankunft in Hollywood 1934 machte sich der Österreicher zusammen mit seinem langjährigen Schreibpartner Charles Brackett als Drehbuchautor einen Namen. Das Duo lieferte zumeist erstklassige Arbeit für acht Filme ab, darunter "Ninochtka" von 1939 und "Ball of Fire" ("Wirbelwind der Liebe") von 1941.
Doch Wilder wollte mehr. Nachdem es Preston Sturges als erstem Drehbuchautoren gelungen war, auf den Regiestuhl zu wechseln, drängte auch der damals 35-Jährige darauf, seine Skripts selbst zu inszenieren. Paramount Pictures und Produzent Arthur Hornblow Jr. trauten dem Künstler das zu und ließen ihn sein Drehbuch zu "The Major and the Minor", das auf dem Theaterstück "Connie Goes Home" von Edward Childs Carpenter aus dem Jahr 1934 basierte, in Szene setzen.
Dass Billy die gerade frisch gekrönte Oscar-Preisträgerin Ginger Rogers gewinnen konnte, die sich darauf einließ, mit einem Quasi-Regiedebutanten zu kooperieren, war ein ermutigender Coup. Des Regisseurs erste Wahl für die männliche Hauptrolle, Cary Grant, blieb dagegen ein Wunschtraum, mit Ray Milland konnte aber ein namhafter Ersatz gefunden werden. Die Außenaufnahmen zu dieser Komödie entstanden auf der St. John's Military Academy in Delafield im US-Bundesstaat Wisconsin.
Mit "The Major and the Minor" gab Billy eine starke Visitenkarte in Hollywood ab, die den Grundstein für seine weitere Regiekarriere legte. Die unterhaltsame Komödie, die auf amüsante Weise verlogene Gesellschaftsmoral und Heuchelei auf's Korn nahm - also schon ganz Wilder - kam 1942 hervorragend bei Kritikern und beim Publikum an und wurde ein großer Erfolg an den Kassen, was ja in Hollywood den Ausschlag gibt für das weitere Karrierefortkommen.
Eine US-Zuschauerin lobt: "An dem Film fällt mir auf, dass der 'Lolita'-Aspekt nur ein Element des Themas 'Sex als mögliche Ausbeutung' ist - von den Szenen, in denen Ginger Rogers in New York City von Männern begafft und von Charles Benchley belästigt wird, bis zu den ermüdenden Versuchen, der Libido männlicher Teenager in der Militärakademie zu entgehen. Was Billy Wilder's Behandlung des Themas so wundervoll macht und warum seine Streifen generell nicht einfach nur oberflächlich schlüpfrig sind, ist die Art, wie das Potential eher erwogen wird, statt dass es zum eigentlichen Gegenstand des Films wird. Statt dessen ist der Punkt in diesem wie in seinen späteren Werken die Fähigkeit von gereiften, klarsichtigen Erwachsenen, sexuellen Nachstellungen zu entgehen und ihren eigenen Zynismus zu überwinden, um wahre Liebe zu finden. Hier findet dieses Thema seinen Höhepunkt in der letzten Szene, wenn Rogers prächtig und strahlend als Erwachsene enthüllt wird, die ihr Leben und ihre Sexualität mit offenen Augen und weitem Herzen selbst in die Hand nimmt. Ich glaube, deshalb liebe ich diesen Film. Deshalb und wegen der Tatsache, dass er charmant und urkomisch ist."
"Rocky", RTL2, 23:30 Uhr
Der kleine Boxer Rocky Balboa (Sylvester Stallone) erhält die unglaublich seltene Chance, gegen den Schwergewichtschampion Apollo Creed (Carl Weathers) zu kämpfen, zugleich aber auch um seine Selbstachtung.
Vor zwei Jahren trainierte Rocky Balboa den unehelichen Sohn von Apollo Creed im hochgelobten "Creed" in den US-Kinos. Hier kann man sehen, wie 1976 alles anfing, Sylvester Stallone Filmgeschichte mit diesem Meisterwerk schrieb und über Nacht zum Star wurde.
Seit 1970 trat Stallone in Kleinst- und Nebenrollen auf; sein Ehrgeiz reichte aber weiter: Er wollte Drehbücher schreiben. 1975 sah der damals 29-Jährige im Fernsehen den Boxkampf zwischen Schwergewichtschampion Muhammad Ali, der gegen den unbekannten Herausforderer Chuck Wepner seine liebe Mühe hatte. Wepner hielt sich nicht nur unerwartet lange auf den Beinen, sondern traf Ali sogar in der neunten Runde so schwer, dass dieser angezählt werden musste. Auch wenn sich der Favorit durch technischen K.O. schließlich durchsetzte, ging Wepner doch als moralischer Sieger aus dem ungleichen Duell hervor.
Sylvester verarbeitete diese Konstellation zu einem Drehbuch, welches die Produzenten bei United Artists dermaßen überzeugte, dass sie es für 300 000 Dollar erwarben. Man wollte das Drama für einen namhaften Star wie Ryan O'Neal oder James Caan vorhalten, doch Stallone bestand darauf, selbst die Titelrolle zu übernehmen, akzeptierte daher auch ein niedriges Honorar von 20 000 Dollar, ließ sich aber mit 10 Prozent am Einspielergebnis beteiligen, was sich für den Akteur als wahrer Glücksgriff und Geldsegen rausstellen sollte.
Für fünf Monate trainierte Stallone mit dem Ex-Profi Jimmy Gambina, um sich in eine angemessene physische Erscheinung zu verwandeln und realistische Boxbewegungen simulieren zu können. Gedreht wurden die Außenaufnahmen dann in Philadelphia und in den Hollywood-Studios.
Da das Budget mit 1 Million Dollar extrem niedrig war, konnte man weder viele Komparsen beschäftigen (nur beim Endkampf sind wirklich Zuschauer zu sehen) und auch keine aufwendigen Kulissen bauen (man drehte in echten Wohnungen und Innenräumen). Zum Einsatz kam dabei die noch neue, am Körper befestigte Steadicam-Kamera, mit deren Hilfe der Kameramann nah im Boxring und bei Rocky's Läufen dabei bleiben und sich schnell bewegen konnte, ohne dass die Kamera wackelte. So erhöhte sich für den Zuschauer das Gefühl, nah am authentischen Geschehen zu sein.
Regisseur John G. Avildsen inszenierte die typisch amerikanische Geschichte vom Underdog, der naiv, mutig und zäh seinen Weg nach oben macht. Auch wenn das alles vollkommen vorhersehbar war, wurde es durch die stimmige Figurenpsychologie und die authentische Milieuzeichnung, besonders aber durch Stallone's erstaunliche darstellerische Leistung mehr als aufgewogen.
"Rocky" wurde ein unglaublicher Erfolg. Wie der Außenseiter im Film selbst, schoss das Werk nach oben und wurde mit weitem Abstand der erfolgreichste Film des Jahres 1976 in den USA, wo er 117 Millionen Dollar einbrachte (entspräche heute etwa 490 Millionen Dollar).
Damit nicht genug: Nach den positiven Kritiken entdeckte auch die Filmindustrie ihr Herz für den Underdog und überschüttete ihn mit zehn "Oscar"-Nominierungen: Als "Bester Film", für die Regie, das Drehbuch, für Hauptdarsteller Stallone, Hauptdarstellerin Talia Shire, die Nebendarsteller Burgess Meredith und Burt Young, die Musik, den Schnitt und den Ton. Drei goldene Statuen konnten als "Bester Film", Avildsen für die Regie und für den Ton dann gewonnen werden. Dazu kam der Gewinn des Golden Globe als "Bester Film". 2006 wurde der "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsame" Streifen zum Erhalt in die National Film Registry der US-Library of Congress aufgenommen.
Ein britischer Zuschauer lobt: "Der Beweis, dass es keine hunderte Millionen Dollar braucht, um einen brillanten Film zu drehen. Was ich an diesem Streifen liebe, ist die Tatsache, dass es nicht einfach nur ein Sportfilm mit viel Action ist, sondern er vom Leben eines Mannes handelt und der Möglichkeit, sein Leben mit einer einzigen Chance zu ändern."
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