Kaum im Amt, hat sich der russische Präsident Wladimir Putin
auch schon mit der Filmindustrie angelegt.
Kaum im Amt, hat sich der russische Präsident Wladimir Putin auch
schon mit der Filmindustrie angelegt. Letzte Woche ordnete er im
Rahmen einer Verschlankung des Regierungsapparates an, das
Filmministerium im Kulturministerium aufgehen zu lassen. Russische
Filmemacher haben sich am Wochenende getroffen, um einen Protest an
Putin zu formulieren, den sie diese Woche übergeben wollen. Sie
befürchten den Niedergang der gerade erst wieder in Gang gekommenen
Filmlandschaft ihres Landes, wenn das mächtige Staatliche Komitee
für Cinematographie (Goskino) keine Lobby-Arbeit mehr betreiben
kann. Zu Zeiten der Sowjetunion wäre es noch undenkbar gewesen,
dass die Künstler für den Erhalt dieser Organisation protestiert
hätten. 1919 war die Goskino durch ein Dekret Lenins gegründet
worden, das die Filmindustrie auf den ideologischen Kurs des
Regierung festlegte. Die Aufgabe der Organisation war es, "die
Rolle des Kinos beim Aufbau des Kommunismus zu stärken und bei der
aktiven Verbreitung marxistisch-leninistischer Ansichten unter das
sowjetische Volk mitzuwirken." Im Endeffekt war Goskino eine
Zensurbehörde, in der bereits jedes Drehbuch vorgelegt und
genehmigt werden lassen musste. Kein Wunder, dass mit dem
Zusammenbruch der Sowjetunion auch Goskino 1991 von der Bildfläche
verschwand. Allerdings nicht lange, denn nach einigen chaotischen
Monaten kamen die Filmemacher zu der Einsicht, dass es einer
Organisation bedurfte, die die vielfältigen Aufgaben der
Koordination und des Vertriebes wahrnehmen musste. Auch brauchte
man ein Organ, das sich gegenüber der Regierung Gehör verschaffte,
denn ohne staatliche Subventionen war die Filmindustrie nicht
überlebensfähig. Also wurde Goskino neu gegründet und hat seitdem
die Interessen der Filmwirtschaft nach außen hin vertreten und
Lobby-Arbeit betrieben. Tatsächlich erlebte der russische Film nach
einer Phase des Niedergangs wieder einen kleinen Frühling: Während
Mitte der Neunziger 97 Prozent der Russen überhaupt nicht ins Kino
gingen, ist der Anteil der Kinomuffel im vergangenen Jahr auf 65
Prozent gesunken. Die Regierung hatte der Industrie dabei letztes
Jahr mit umgerechnet etwa 40 Millionen Mark geholfen. Die
Filmemacher sehen nun beides gefährdet: Die Subventionen und den
Erfolg. Die Protestierenden befürchten, dass ohne die im Goskino
konzentrierten Fachleute eine ahnungslose Bürokratie für einen
Qualitätsrückgang bei den Produktionen sorgen wird und die
bescheidenen Gewinne, die die Industrie seit kurzem eingefahren
hat, für andere kulturelle Projekte abgeschöpft werden. Sergei
Lazaruk, der Vorsitzende von Goskino und des unabhängigen
Filmstudios Mosfilm, warnte, dass "alles auseinanderbrechen und es
den totalen Zusammenbruch geben wird. Die Abschaffung des
Ministeriums, gerade zu dem Zeitpunkt, als die russische
Filmindustrie wieder zu Leben erwacht, kann nur als ein mutwilliger
Versuch, das Kino des Landes zu zerstören, interpretiert werden."
Angeführt wird die Protestgruppe von Russlands bedeutendsten und
bekanntesten Regisseur Nikita Mikhalkov (Bild), der den
"Oscar"-Gewinner "Die Sonne, die uns täuscht" gedreht hat. Er sieht
Putins Zug als eine Art staatlicher Gewinnmitnahme: "Vor fünf
Jahren, als der russische Film Not litt und halb tot war, hat sich
um Goskino niemand geschert. Die Regierung ist jetzt bloß darauf
gekommen, weil die Industrie anfing, profitabel zu werden."