"Spiel mir das Lied vom Tod", Kabel1, 22:05 Uhr
Ein geheimnisvoller Fremder mit einer Mundharmonika (Charles Bronson) unterstützt einen berüchtigten Banditen (Jason Robards), der eine Witwe (Claudia Cardinale) vor einem rücksichtslosen Auftragsmörder (Henry Fonda) beschützen will, der für die Eisenbahngesellschaft arbeitet.
"Stellen Sie sich dieses Bild vor", sagte der italienische Regisseur und Drehbuchautor Sergio Leone. "Die Kamera zeigt einen Revolverhelden in Hüfthöhe, wie er seine Waffe zieht und ein davon laufendes Kind erschießt. Die Kamera fährt am Körper des Schützen hoch bis zu seinem Gesicht...und es ist Henry Fonda!"
Wohl selten hat ein Schauspieler so radikal die Seiten gewechselt wie der damals 62-jährige Fonda, der dem Publikum bis dahin eigentlich nur als aufrechter Held bekannt war. Das war ein Reiz, den dieser italienische Western von 1968 zu bieten hatte. Nicht minder ungewöhnlich war die Besetzung des geheimnisvollen Helden der Geschichte: Charles Bronson war bis dahin nur in Nebenrollen besetzt worden und hatte nicht gerade das sympathische Äußere, welches das Publikum mit einem Protagonisten verband. Gerade das reizte Leone genauso wie die Besetzung von Fonda als Schurke - es verlieh der Handlung etwas Doppeldeutiges, weil die Schauspieler nicht automatisch signalisierten, wer hier Gut und Böse ist (auch wenn Henry stilecht ganz in Schwarz gewandet ist). "Bronson hat ein Gesicht, mit dem man eine Lokomotive stoppen kann", erklärte Sergio, der allerdings für seine zweite Wahl - eigentlich wollte er wieder mit Clint Eastwood arbeiten, der aber bereits an einem anderen Streifen arbeitete - bei Paramount Pictures kämpfen musste.
Wäre es nach dem Filmemacher gegangen, hätte es "C'era una volta il West" ("Es war einmal im Westen", so der Originaltitel) gar nicht gegeben. Eigentlich hatte Leone nach seiner Dollar-Trilogie, die 1966 mit dem grandiosen "Il buono, il brutto, il cattivo" ("Zwei glorreiche Halunken") erfolgreich geendet war, keinen Western mehr drehen wollen, sondern hatte ein Projekt über Mafiosi in Amerika im Auge, das schließlich erst 1984 als sein letztes Werk "Once Upon a Time in America" verwirklicht werden sollte. Doch die amerikanischen Filmstudios, die Leone Finanzen und Stars zur Verfügung stellen konnten, sahen keinen Grund darin, ein erfolgreiches Pferd zu wechseln, und wollten einen weiteren Western produzieren. Den Ausschlag, dann doch dem Genre treu zu bleiben, das er geprägt und mit dem er berühmt geworden war, gab die Aussicht, mit Henry Fonda arbeiten zu können.
Doch Leone wollte sich nicht wiederholen, und so legte er sein Werk anders als die "Dollars"-Filme an. Jene waren schrullig und flott, feierten ein bisschen ironisch die Ikonen des Wilden Westen. Für "C'era una volta il West", dessen Titel schon etwas Ausholenderes ("Es war einmal...") impliziert, senkte Sergio das Tempo bis zur Schmerzgrenze - die 13-minütige Eröffnungssequenz kommt ohne Musik und Dialoge aus und steigert die Spannung nur durch die Bilder und den Ton - und widmete sich ernsten Themen. Das langsame Tempo spiegelt sich in der Spieldauer des Streifens, die fast drei Stunden beträgt. Wie in einer Oper sind den verschiedenen Charakteren unterschiedliche musikalische Leitmotive zugeordnet, von denen das Mundharmonika-Motiv jedem bekannt sein dürfte - selbst wenn er den Film nie gesehen hat. Die großartige Musik von Ennio Morricone hat so einen großen Anteil an dem Meisterwerk, das die Gründungsmythen der amerikanischen Geschichte zu einer pessimistischen, oft zynischen Konsequenz treibt.
Die Innenaufnahmen der 5 Millionen Dollar teuren Produktion entstanden in den Cinecittà-Studios in Rom, die Außenaufnahmen in Spanien und für einige Szenen auch im Monunment Valley im US-Bundesstaat Utah.
"C'era una volta il West" erhielt hervorragende Kritiken und wurde in Europa - insbesondere in Frankreich mit fast 15 Millionen Zuschauern - ein großer Erfolg. In den USA hielten Paramount Pictures das Werk für überlang und zu langsam und kürzten es. Damit taten sie dem Film keinen gefallen, der folglich dort floppte. Insgesamt setzte das Werk weltweit rund 60 Millionen Dollar um. Es gewann den Italienischen Filmpreis und wurde 2009 von der US Library of Congress als "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsam" in das National Film Registry übernommen, um es der Nachwelt zu erhalten.
Ein niederländischer Zuschauer schwärmt: "Ich kann kaum die Worte finden, um die pure Brillanz dieses Films zu beschreiben, mit dem Sergio Leone eigenhändig den Westernfilm neu definierte. Die Geschichte unterscheidet sich nicht sehr von der anderer Western, aber es ist die Art und Weise, in der das Ganze präsentiert wird, die ihn so deutlich abhebt. Worte werden durch Blicke ersetzt und Gespräche durch Gefühle. Er zeigt eine Landschaft, die unheimlich, heiß und trocken und in der das Leben billig ist und nur die Starken überleben."
"Sunset Boulevard", 3sat, 23:05 Uhr
Ein Drehbuchautor (William Holden) wird engagiert, um das Skript für einen vergessenen Stummfilm-Star (Gloria Swanson) zu überarbeiten, und findet sich in einer gefährlichen Beziehung wieder.
Für diejenigen, denen "Sunset Boulevard" nur als das Musical von Andrew Lloyd Webber aus dem Jahr 1993 ein Begriff ist, haben hier die Gelegenheit das Meisterwerk zu sehen, auf dem es basiert: Billy Wilder's sarkastische Abrechnung mit Hollywood aus dem Jahr 1950.
Der Sunset Boulevard im Westen von Los Angeles erlangte in den zwanziger Jahren Bekanntheit, als viele Filmstars dort ihre Villen bauen ließen. Für viele der Schauspieler bedeutete der Durchbruch des Tonfilms am Ende des Jahrzehnts indes das abrupte Karriereende. Regisseur und Drehbuchautor Billy Wilder faszinierte Ende der Vierziger der Gedanke, dass in diesen riesigen Anwesen noch immer Darsteller wohnten, deren Stern lang verblasst war und die in Vergessenheit geraten waren. Wie lebten sie nun? Was machten sie den lieben, langen Tag?
Zusammen mit seinem langjährigen Drehbuchschreiber Charles Brackett nahm Wilder diese Überlegungen als Ausgangspunkt für eine bittere Betrachtung der Filmindustrie mit ihrem Jugendwahn und ihrem Erfolgshunger, der diejenigen mitteildslos am Wegesrand zurückließ, die eben nicht mehr jung und erfolgreich waren. Da sich Billy bewusst war, dass seine Sichtweise der Dinge nicht jedermann in Hollywood gefallen würde, ließ er Paramount Pictures, die ihm ein Budget von 1,7 Millionen Dollar zur Verfügung stellten - entspräche heute etwa 17 Millionen Dollar - im Unklaren, wovon das Drama nun genau handeln würde. Da Wilder bereits ein gefragter und erfolgreicher Regisseur war, mischte sich das Studio zu seinem Glück nicht ein und ließ ihm freie Hand.
Einige ehemalige Stummfilmstars sagten aus unterschiedlichen Gründen ab, die Rolle der Norma Desmond ("Ich bin groß. Es sind die Filme, die klein geworden sind!") zu spielen. Es war ein kniffliger Part, denn die Rolle würde natürlich mit der Schauspielerin als vergessene, nun erfolglose Aktrice gleich gesetzt werden. Gloria Swanson, deren Karriere tatsächlich mit dem Tonfilm in den Dreißigern ausgelaufen war, scheute nicht davor zurück und gab nach neun Jahren ihr Leinwand-Comeback.
Für die Rolle des Drehbuchautoren und Erzählers hatte bereits Montgomery Clift unterschrieben, der jedoch kurz vor der Dreharbeiten einen Rückzieher machte. Der Verdacht lag nahe, dass ihm die Vergleiche mit der Realität unangenehm waren, befand er sich doch damals in einer Beziehung zu einer 16 Jahre älteren Frau. Als Ersatz fanden die Filmemacher William Holden, der zu einem von Wilder's Lieblingsschauspielern werden sollte. Der Altersunterschied zwischen dem damals 31-jährigen Holden und der 50-Jährigen Swanson betrug also 19 Jahre.
Billy beschäftigte mit Kostümbildnerin Edith Head, Ausstatter Hans Reid und Kameramann John Seitz herausragende Künstler, die es verstanden, Hollywood teilweise wie aus einem gothic horror wirken zu lassen - verstaubt und aus der Zeit gefallen, überkandidelt und abgewirtschaftet.
Mit Buster Keaton, H.B. Warner, Anna Nilsson, dem Regisseur Cecil B. DeMille und der Klatschjournalistin Hedda Hopper traten Personen als sie selbst auf, was zur Authentizität beitrug. In der Rolle von Norma Desmond's Butler und ehemaligem Regisseur wirkte der deutsche Regisseur Erich von Stroheim mit, der in den Zwanzigern tatsächlich einer der bedeutendsten Regisseure gewesen war und auch mit Swanson zusammen gearbeitet hatte. Ihren Film "Queen Kelly" lässt Norma Desmond an einer Stelle vorführen, womit die Grenzen zwischen Realität und Fiktion weiter verschwammen.
Mit "Sunset Boulevard" gelang Billy Wilder eines seiner besten Werke, womöglich der großartigste Streifen, der sich je mit Hollywood beschäftigt hat - eine sagenhaft unterhaltsame Mischung aus einem Film Noir, Schwarzer Komödie und einer Charakterstudie, meisterhaft inszeniert und photographiert und glänzend gespielt.
Tatsächlich waren nicht alle in Hollywood begeistert über die Reflexion ihrer Industrie. MGM-Boss Louis B. Mayer schimpfte nach einer Aufführung: "Dieser Wilder. Entehrt diejenigen, die ihn gemacht und ernährt haben. Er sollte geteert und gefedert und aus Hollywood rausgeworfen werden." Billy, der mitgehört hatte, entgegnete ihm: "Hallo Mr. Mayer, ich bin Billy Wilder. Und warum verschwinden Sie nicht und ficken sich selber?"
Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg. Und so feierte Hollywood schließlich die angebliche "Nestbeschmutzung", nachdem "Sunset Boulevard" mit 5 Millionen Dollar Umsatz - entspricht heute etwa 50 Millionen Dollar - allein in den USA ein Riesenerfolg geworden war. Nicht weniger als elf Nominierungen für einen Academy Award gab es: Als "Bester Film", für Regie, das Drehbuch, Hauptdarstellerin Gloria Swanson, Hauptdarsteller William Holden, Nebendarstellerin Nancy Olson, Nebendarsteller Erich von Stroheim, Kameramann John Seitz, Komponist Franz Waxman, Schnitt und Ausstattung. Mit dem Oscar nach Hause gingen schließen Wilder und Brackett für ihr Drehbuch, Komponist Waxman und die Ausstatter um Hans Dreier. Bei den Golden Globes gewannen der Film, Regisseur Wilder, Hauptdarstellerin Swanson und erneut Komponist Waxman.
1989 gehörte "Sunset Boulevard" zu der ersten Gruppe von 25 Filmen, die von der US Library of Congress als "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsam" angesehen und ins National Film Registry aufgenommen wurden, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Eine Zuschauerin aus New York City schreibt: "Ein großartiger Film auf so vielen Ebenen. Wunderbar photographiert, mit einem witzigen, klugen und extrem gut geschriebenen Drehbuch, mit einigen der besten Figuren und einigen der besten schauspielerischen Leistungen der Filmgeschichte. Die Haupthandlung und die Nebenhandlungen sind mit geschickter Präzision austariert."
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