"Rosso - Farbe des Todes", Arte, 22:55 Uhr
Nachdem er Zeuge des Mordes an einer berühmten Hellseherin geworden ist, tut sich ein Musiker (David Hemmings) mit einer quirligen Reporterin (Daria Nicolodi) zusammen, um den Mörder zu finden. Dabei müssen sie den Angriffen des unsichtbaren Angreifers entgehen, der sein dunkles Geheimnis bewahren will.
Wie es so manches Mal bei brutalen Filmen ist, wurde dieser italienische Horrorfilm von Dario Argento ("Suspiria") das Opfer von unzähligen Zensurmaßnahmen und existiert in vielen verschiedenen Schnittfassungen, die von 85 bis 126 Minuten reichen. Gekürzt wurden allerdings nicht nur Gewalt und Blut, sondern manches Mal auch humoristische Szenen, die man wohl als überflüssig empfand. In Deutschland sah "Produndo rosso" (Tiefrot, so der Originaltitel) von 1975 nie das Licht einer Leinwand, sondern kam erst 1991 nur auf DVD heraus.
Arte zeigt heute Abend erstmals im Fernsehen die Integralfassung von zwei Stunden mit all der hyperbeweglichen Kameraarbeit und den brutalen, übertriebenen Blut und Gedärme-Szenen, mit denen Argento bekannt geworden ist. Dass diese hier an eine packende und komplexe Handlung gekoppelt sind, macht den in Turin gedrehten Streifen doppelt sehenswert.
"Profundo rosso" ist dabei ein Übergangswerk in der Karriere des damals 34 Jahre alten Regisseurs, der zuvor Kriminalfilme gedreht hatte und später übernatürliche Horrorfilme in Szene setzen sollte. Dieses Werk ist die Scharnierstelle zwischen diesen Richtungen und vereint beide Elemente. An den Spezialeffekten arbeitete Carlo Rambaldi, der später in Hollywood mit seiner Arbeit an "Alien" und "E.T." weltbekannt werden sollte.
Und nicht zuletzt hat der Streifen private Bedeutung für Dario. Er und Hauptdarstellerin Daria Nicoldi wurden hier ein Paar und bekamen zwei Kinder, darunter Asia Argento, die selbst als Schauspielerin bekannt geworden ist.
Ein US-Zuschauer schreibt: "Es ist nicht schwer zu verstehen, warum viele diesen Film für einen von Dario Argento's besten und einen Meilenstein im giallo-Horror-Genre halten. Ein fesselnder Kriminalfall mit vielen seiner einzigartigen Markenzeichen wie einfallsreichen Szenen, cleverer Photographie und toller Atmosphäre. Dazu noch eine der schrecklichsten Mordszenen aller Zeiten und die dynamische Musik von Goblin."
"Das weiße Band", ARD, 00:05 Uhr
Seltsame Unfälle ereignen sich in einem kleinen norddeutschen Dorf vor Beginn des Ersten Weltkriegs, die wie eine rituelle Bestrafung wirken. Wer ist verantwortlich?
Ein phänomenaler Film, der wegen seines langsamen Tempos und seiner Weigerung, die Handlungsfäden zu verknüpfen und zu einem Hollywood Ending zu führen, nicht für jedermann ist. Wer sich aber auf die hypnotischen Schwarzweiß-Bilder einlässt, wird mit einer Seherfahrung belohnt, die ihresgleichen sucht.
Ursprünglich wollte Regisseur und Drehbuchautor Michael Hanecke ("Amour") diesen Stoff als Fernsehmehrteiler vom Österreichischen Rundfunk produzieren lassen, fand aber keinen Geldgeber. Erst als die Berliner Produktionsgesellschaft X Filme sich beteiligte, kam die rund 16 Millionen Euro teure Produktion als Spielfilmprojekt zustande. Für den Part des Pastors war Ulrich Mühe vorgesehen; als dieser jedoch 2007 starb, übernahm Burghart Klaußner den Part.
Gedreht wurde in Netzow und Michaelisbruch in der brandenburgischen Prignitz, die für den fiktiven Ort Eichwald einstanden. Die Innenaufnahmen enstanden im Media City Atelier in Leipzig. Kameramann Christian Berger filmte in Farbe; digital wurden die Bilder ins Schwarzweiß verwandelt und dann extensiv nachbearbeitet, um die Bilder heller, dunkler, kontrastreicher oder schärfer wirken zu lassen. Der im Drama dargestellte strenge Protestantismus fand so seine Entsprechung in den kalten Bildern.
Michael nutzt wirkungsvoll die Anspannung und die freudlose Atmosphäre, um eine zum Nachdenken anregende Untersuchung des entstehenden Faschismus zu inszenieren. Wie hier auf spielfilm.de an anderer Stelle schon einmal festgestellt, war die Nationalsozialistische Partei in der Mehrheit eine der um 1900 Geborenen. Somit wären viele der später Aktiven zur Spielzeit von "Das weiße Band" Kinder und Jugendliche gewesen. Der Untertitel des Films - "Eine deutsche Kindergeschichte" - bekommt so einen ominösen Klang.
Nichts davon wird im Film ausgesprochen, man kann nicht mal sagen, dass es angedeutet wird. Vieles ist impliziert, muss mit- und angedacht werden. "Hanecke sagt immer: Der Film ist die Startrampe, aber abspringen wollen muss das Publikum selbst", erklärte Produzent Stefan Arndt ("Frantz") im Interview. Der Filmemacher selbst erläuterte: "Überall, wo es Unterdrückung, Demütigung, Unglück und Leid gibt, ist der Boden bereitet für jede Art von Ideologie. Deshalb ist dieser Film nicht als einer über den deutschen Faschismus zu verstehen. Es geht um ein gesellschaftliches Klima, das Radikalismus ermöglicht. Das ist die Grundidee."
Nichtsdestotrotz ist es eine deutsche Geschichte, die man sich schwer in der sonnendurchfluteten Toskana vorstellen kann. Der sittenstrengen Protestantismus, der dem Einzelnen ständig Zwänge auferlegt und die Entfaltung der Persönlichkeit behindert, begünstigt in Hanecke's Blick den Übergang vom Wilhelminismus zum Nationalsozialismus. Der Österreicher zeichnet ein bedrückendes, insbesondere für die Heranwachsenden traumatisierendes soziales und zwischenmenschliches Klima, das selbst im engen Familienkreis von Unterdrückung und Verachtung, Misshandlung und Missbrauch sowie Frustration und emotionaler Distanz geprägt ist und unter der Oberfläche ein Gewaltpotential entstehen lässt, das sich in kalkulierten und unkalkulierten Ausbrüchen ein Ventil sucht.
"Das weiße Band" gewann die Goldene Palme in Cannes, erhielt den Golden Globe und den Europäischen Filmpreis, wurde für den Brasilianischen, den Britischen, den Dänischen, den Französischen, den Italienischen und den Spanischen Filmpreis sowie den Academy Award nominiert - wobei im Vorfeld eine Auseinandersetzung getobt hatte, ob das Werk als deutsche oder österreichische Produktion zu bewerten sei (Deutschland setzte sich durch). Kameramann Christian Berger wurde ebenfalls Oscar-nominiert. Bei den Deutschen Filmpreisen gewann der Film zehn Lolas und war für noch drei weitere nominiert. Mit 668 000 Besuchern und einem Umsatz von etwa 4 Millionen Euro wurde der Film, der eher ein Programmkinotitel ist, ein Erfolg.
Kritiker Matt Glasby resümierte: "Wenn man davor sitzt, scheint das Verwischen der minutiösen Details wenig Sinn zu ergeben. Aber wenn man zurück tritt, werden die gewaltigen Absichten unauslöschlich sichtbar."
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