Man müsste einmal die letzten Berlinale-Jahrgänge auf die Programmgestaltung abklopfen. Denn wenn die Erinnerung nicht trügt, sind die jeweils letzten beiden Pressevorführungstage am Donnerstag und Freitag hauptsächlich mit Spielfilmen bestückt gewesen, von denen die Festivalleitung wohl selbst nicht glaubte, dass sie Chancen auf einen Bären besaßen. Es riecht auch in diesem Jahr nach Resteverwertung. Das Beste kommt zum Schluss? Offensichtlich nicht, es sei denn, der Freitag überrascht noch einmal mit zwei Perlen. Der Donnerstag jedenfalls war möglicherweise der schwächste Berlinale-Wettbewerbstag, und das nach einem schon nicht besonders ansprechenden Mittwoch. Läppert sich das bisher starke Filmfestival aus?
Am Morgen ging es im Berlinale-Palast mit dem koreanischen Drama "On the Beach at Night Alone" los. Am Abend wird die Presse geschrieben haben, dass dieser Film von Regisseur und Drehbuchautor Sang-soo Hong "polarisiere". Ja, so sieht das wohl aus, wenn spielfilm.de zum Schluss des Films fast ganz alleine im Oberrang sitzt, während aus dem Parkett Applaus aufbrandet. Das Geklapper der Saaltüren wurde für diesen zum Glück nicht überlangen, aber monotonen Streifen zum begleitenden Soundtrack.
"Bamui haebyun-eoseo honja", so der Originaltitel, erzählt von einer erfolgreichen Schauspielerin, die nach der Affaire mit einem verheirateten Mann erst nach Hamburg reist, um dort bei einer Freundin Abstand zu gewinnen. Dann im zweiten Teil ist sie zurück bei Bekannten in der südkoreanischen Küstenstadt Gangneung. Ab hier besteht der Film, der bis dahin hauptsächlich Gespräche im Gehen gefilmt hat, aus gefilmten Gesprächen im Sitzen. Ein Markenzeichen des Regisseurs ist wohl, dass in seinen Werken das koreanische Nationalgetränk Soju reichlich konsumiert wird, das die Zunge und die Schraube lockert. Und so beginnt Hauptdarstellerin Min-Hee Kim, die derzeit mit dem brillanten "Die Taschendiebin" in den Kinos ist, mit einmal ihre Tischnachbarn anzuschreien und ihre Frustration über ihre gescheiterte Liebesbeziehung zu artikulieren ("Niemand verdient es, geliebt zu werden.")
Es ist eine ermüdende Angelegenheit, denn dem Zuschauer ist die Tragweite der möglichen tiefen Verletzung nicht bewusst, und so lässt ihn die Verbal-Meditation über die Liebe kalt. Und was soll das mit dem Mann mit der Mütze?
Konnte Sang-soo Hong noch polarisieren, so reichte es zur Mittagsstunde dann nicht mal mehr dazu. Den brasilianischen Beitrag "Joaquim" über den brasilianischen Nationalhelden Joaquim José da Silva Xavier alias Tiradentes (Zahnzieher), der im 18. Jahrhundert gegen die portugiesische Kolonialherrschaft und für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte. Das Drama von Regisseur und Drehbuchautor Marcelo Gomes erlitt die definitive Demütigung: Gelächter im Auditorium, und der Film ist keine Komödie.
"Joaquim" fehlt es zuallerst einmal an einer Geschichte, eine Aneinanderreihung wild chargierender Darsteller reicht nicht aus, selbst um nur eineinhalb Stunden zu füllen. Und die Wendung des amoralischen Goldsuchers zum Vorkämpfer für Freiheitsrechte fällt vollkommen willkürlich und unglaubwürdig aus. In einem in diesem Jahr breiten Feld von bärenwürdigen Filmen sind sich die Kritiker bei diesem Streifen einig, dass er garantiert leer ausgehen wird.