So etwas hat es bisher noch nicht auf der Berlinale gegeben: Party-Stimmung.
Verantwortlich für die vollbesetzten Sitzreihen, den aufbrandenden Applaus und den Jubel ist am Mittag im Berlinale-Palast "The Party". Wieder überrascht die Festivalleitung mit einer Komödie, deren einzige Filmfestattitüde darin besteht, dass die Engländerin Sally Potter ("Ginger & Rosa") sie in Schwarzweiß gedreht hat. Ansonsten ist das eigentlich der Anti-Festival-Film: Witzig, Star-besetzt bis hinten gegen - unter anderem mit Kristen Scott Thomas, Bruno Ganz und Cillian Murphy - und mit rund 70 Minuten kurz und knackig. Vielleicht mischt sich unter den Jubel die Erleichterung der versammelten Kritikerschar, mal kein viereinhalbstündiges, elegisches Drama aus Kambodscha durchgestanden haben zu müssen. "Ich wünschte, Filme wären immer so kurz wie dieser", ist dann auch eine Kollegin auf dem Weg aus dem Kinosaal zu vernehmen.
Aber trotz aller Begeisterung: Ist das wirklich preiswürdig? Ein netter, flotter, witziger Spaß, mit einem - das kann jetzt nicht verschwiegen werden - Schuss von Willy Millowitsch (Tür auf, Tür zu, Abfalleimer auf, Abfalleimer zu), ein sympathisches Divertissement, für das der Festivalleitung zu danken ist, aber man wüsste nicht zu sagen, wofür hier ein Bär verliehen werden sollte.
Das sah am Nachmittag im Cinemaxx schon anders aus. Dort lief der Wettbewerbsfilm "Mr. Long" von Sabu, der vor zwei Jahren mit dem recht durchgeknallten "Ten no Chasuke", bei dem gelacht werden konnte, während auf der Leinwand Finger abgebissen wurden, bereits im Wettbewerb vertreten war, aber nichts gewann. Das könnte sich laut unserer Kollegin Julia Nieder nun ändern. Insgesamt ist "Mr. Long", diese Mischung aus Drama und Thriller über einen Auftragsmörder in Tokio, der sich mit einem Jungen anfreundet und mit einem Karren zum Verkauf von Nudelsuppe tarnt, ein solider Beitrag mit Brutalitäten, die man vom asiatischen Kino kennt, und Kampfszenen, welche die Vorliebe des Regisseurs für Bruce Lee-Werke erkennen lassen.
Doch was wirklich heraussticht, ist die Kamera von Koichi Furuya, dessen Bilder nicht nur komponiert, sondern geradezu gemalt wirken. Auf der Pressekonferenz berichtet Sabu, dass er jede Sequenz mit Storyboard-Bildern genau vorausplane, die er auch jeweils selbst zeichne. Die bloße Tatsache, dass die Photographie von den Journalisten erwähnt wurde, zeigt, dass Julia nicht alleine mit ihrer Bewunderung für die Bildsprache steht. Sie meint: "Wenn es einen Silbernen Bären für eine besondere Leistung gibt, dann müsste er an den Kameramann dieses Films gehen."
Für "Mr. Long" gab es Applaus, so wie am Morgen bereits für den ersten von drei deutschen Wettbewerbsfilmen, was insofern einen gelungenen Berlinale-Tag abrundete. "Helle Nächte" von Thomas Arslan ("Gold"), der einen ebenfalls kurzen, nicht unbedingt kurzweiligen Streifen vorlegt. In dem spartanischen Werk, das vor nicht mal einem halben Jahr in Norwegen und in Berlin gedreht worden ist, versucht ein Vater (Georg Friedrich) sich seinem von ihm entfremdeten, bei der geschiedenen Mutter lebenden Sohn (Tristan Göbel) während eines Norwegen-Urlaubs anzunähern.
"Helle Nächte" ist schnörkellos, spartanisch und bietet im gesamten Film so viele Dialoge, wie der polnische Beitrag "Pokot" vom Vortag in fünf Minuten. Aber auch wenn diese wohl tuende Unsentimentalität zu begrüßen ist, so gehört ebenso zur Wahrheit, dass sich das Drama schon mächtig strecken muss, um überhaupt seine etwa 80 Minuten zu füllen. Sicherlich kein schlechter Beitrag, aber es ist schwer vorstellbar, dass eine Jury, der Paul Verhoeven vorsitzt, sich hier bärenhaft beeindruckt zeigen wird.