Tag drei der Berlinale, und schon erste Ermüdungserscheinungen? Auf jeden Fall geht während der mittäglichen Pressevorführung von Stanley Tucci's "Final Portrait" ein hörbares und sich über einen guten Zeitraum des Films erstreckendes Schnarchen eines Journalisten durch den Oberrang, das nur dann und wann von dem Knistern einer älteren französischen Kollegin übertönt wird, die ihr Picknick auszupacken scheint. Dabei ist der englische Beitrag, der außer Konkurrenz im Wettbewerb läuft, gar nicht unbedingt einschläfernd und erhält auch zum Schluss ordentlichen Applaus.
Tucci hat sich bei seinen bisherigen vier Regiearbeiten immer selbst inszeniert, hier nicht. Die Leinwand gehört Geoffrey Rush, der den schweizerischen Bildhauer und Maler Alberto Giacometti mimt, dem in dessen Pariser Atelier der amerikanische Schriftsteller James Lord, den Armie Hammer darstellt, für ein Portrait Modell sitzt.
Rush hat am Abend einen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhalten. Zur Pressekonferenz für "Final Portrait" ist er noch nicht dabei. Rede und Antwort stehen neben Regisseur Tucci und Armie Hammer noch die französische Nebendarstellerin Clémence Poésy Rede und Antwort. "Normalerweise mag ich keine Filmbiographien, aber wenn man sich auf einen bestimmten Zeitpunkt fokussiert wie hier, dann kann man sich auf Details konzentrieren und ein ganzes Leben wie im Mikrokosmos schildern", erläutert der Filmemacher.
Während dank der Star-Namen diese Pressekonferenz voll besetzt ist, sah der Saal wie auch der Kinosaal zwei Stunden zuvor ganz anders aus: Leere Reihen regieren. Für "Félicité" interessieren sich deutlich weniger Journalisten. Der senegalesische Streifen des in Paris geborenen Regisseurs Alain Gomis, der westafrikanische Wurzeln besitzt, ist im Gegenteil mit Debutanten in den Hauptrollen besetzt, die ebenfalls vor der Presse sitzen: Véro Tshanda Beya Mputu spielt die starke, selbstbewusste Titelfigur, Papi Mpaka ihren tapsigen Verehrer.
So ein Festival ist fast die einzige Chance für einen Film wie "Félicité", öffentlichkeitswirksam zu werden. Vielleicht ist das Festival auch der einzige Grund, warum er überhaupt gedreht werden konnte, denn hier hängen auch Gelder des Berlinale World Cinema Fund drin. Das hat ein wenig Geschmäckle, das hier die eigenen Mitproduktionen eingeladen werden. Um ein Publikum zu finden, braucht es aber Bären, und nimmt man die vormittägliche Pressevorführung mit ihrem sehr spärlichem Applaus, sieht es nicht danach aus, als sollte das langatmige, handlungsdünne und überlange Werk etwas reißen. Die Absenz auf der anschließenden Pressekonferenz deutet an, dass die Presse hier keinen Gewinner wittert.
Am Nachmittag endlich mal kein bedeutungsschweres Drama, sondern eine Komödie. Der österreichische Kabarettist Josef Hader gibt mit "Wilde Maus" sein Regiedebut und übernimmt auch selbst die Hauptrolle. Unsere Kollegin Julia Nieder ist froh, dass sie einen der von ihr favorisierten "entspannten Filme" zu sehen bekam. Doch beim Verlassen des Kinosaals kamen ihr auch Stimmen zu Ohr, die fragten, warum so etwas im Wettbewerb und nicht in der Panorama-Sektion starte. Die "Wilde Maus" sei wohl nur wegen des prominenten Namen Haders eingeladen worden.
Aber: Während der Vorführung wurde gelacht, am Ende wurde geklatscht. Was will eine Komödie mehr? Doch trotz ihrer zuneigenden Einstellung meint auch Julia, dass der österreichische Beitrag wohl mit der Bärenvergabe nichts zu tun haben wird.
Am Ende des dritten Tages scheint somit weiterhin der ungarische Beitrag "Testről és lélekről" von gestern der Favorit auf den Bären zu sein, nachdem die nationale und internationale Presse "The Dinner" auf den letzten Platz gesetzt hat.