Eine Afro-Amerikanerin (Whoopi Goldberg) in den Südstaaten versucht ihre Identität zu finden, nachdem sie über vier Jahrzehnte lang von ihrem Vater, ihrem Mann (Danny Glover) und Anderen misshandelt worden ist.
Häusliche Gewalt. Inzest. Pädophilie. Armut. Rassismus. Sexismus. Ein Steven Spielberg Film.
Wie jeder Künstler ist auch Steven Spielberg bestrebt, als solcher ernst genommen zu werden. Weder würde er sich nur auf das Etikett "E.T."-Märchenonkel noch "Indiana Jones"-Popcorn-Filmemacher reduzieren lassen wollen. 1984 war dabei das entscheidende Jahr in der Entwicklung des Regisseurs, der sich damals entschied, nach einem seiner popcornigsten Streifen überhaupt - den er später selbst kritisch beurteilte - "Indiana Jones and the Temple of Doom" einen abrupten Stilwechsel zu vollziehen. Der Kontrast hätte dabei nicht größer sein können: Nach den übergeschnappten Indy-Abenteuern folgte nun mit "The Color Purple" ein düsteres Drama mit all den eingangs erwähnten Handlungspunkten.
Dass der damals 38-Jährige die Adaption des gleichnamigen Briefromans von Alice Walker aus dem Jahr 1982, der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden war, anging, war nicht unumstritten. Einige trauten es Steven schlichtweg nicht zu, das schwierige Material angemessen auf der Leinwand umzusetzen und fürchteten eine schlimme Hollywoodisierung. Tatsächlich sollten die kritischen Stimmen auch nach der Premiere nicht vollständig verebben.
Aber diese blieben in der Minderheit. "The Color Purple" wurde ein Triumph für Spielberg, seinen Stab und seine Besetzung, allen voran die damals 29 Jahre alte Whoopi Goldberg in ihrem Leinwanddebut. "The Color Purple" ist ein gefühlvoller, handwerklich hochklassiger Streifen mit bemerkenswerten schauspielerischen Leistungen, der große emotionale Wahrheiten in der amerikanischen Geschichte offen legt.
Die 15 Millionen Dollar teure Warner Brothers-Produktion, die im US-Bundesstaat North Carolina gefilmt worden war, erhielt hervorragende Kritiken, kam beim Publikum exzellent an und wurde 1985 mit weltweit 142 Millionen Dollar - was heute etwa 315 Millionen Dollar entspräche - ein Riesenerfolg. In den USA kam "The Color Purple" hinter den Popcorn-Titeln "Back to the Future", "Rambo: First Blood Part 2" und "Rocky 4" als vierterfolgreichstes Werk des Jahres ins Ziel. Eine außerordentliche Errungenschaft, einen Film mit so sperrigem Thema so publikumswirksam werden zu lassen. Der Name Steven Spielberg dürfte dabei keine geringe Rolle gespielt haben.
Einen schalen Nachgeschmack dürfte für den Filmemacher im Zusammenhang mit seinem Werk lediglich der Abend des 24. März 1986 haben. Mit elf Nominierungen für einen Academy Award - allerdings umstrittener Weise nicht für Spielberg selbst - war "The Color Purple" bedacht worden - und hatte am Ende des Abends keinen einzigen "Oscar" gewonnen. Der Film, Hauptdarstellerin Whoopi Goldberg, die Nebendarstellerinnen Margaret Avery und Oprah Winfrey, Drehbuchautorin Menno Meyes, Kameramann Allan Daviau, Komponist Quincy Jones, die Ausstatter, die Kostümbildner, die Maskenbildner und der Song "Miss Celie's Blues (Sister)" von Lionel Richie gingen allesamt leer aus, während "Out of Africa" der große Gewinner des Abends wurde.
Ein Zuschauer aus Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania schwärmt: "Ein Film, in dem man sowohl Tränen der Trauer als auch Freudentränen verdrückt, würde wohl als Markstein in der Karriere jedes ganz gewöhnlichen Filmemachers angesehen werden. Für Steven Spielberg ist es auch eine Visitenkarte. Keine Spezialeffekte, keine Schwertkämpfe, einfach nur brillantes Geschichtenerzählen. Spielberg ist oft kritisiert worden für seine Sentimentalitäten oder seine Kindlichkeit, mit der er das Publikum zufrieden stellen möchte. Hier kann man dies nicht bezeugen. Whoopi Goldberg ist fabelhaft, sie spielt einen Menschen, der Liebe braucht und der sie verdient. Der herzzerreißendste Moment ist die Trennung von ihr und ihrer von Akosua Busia gespielten Schwester Nettie. Wer von dieser Szene nicht gerührt ist, sollte seinen Puls fühlen."
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