"Pulp Fiction", 3sat, 23:00 Uhr
Die Leben zweier Auftragsmörder (Samuel L. Jackson und John Travolta), eines Boxers (Bruce Willis), einer Gangster-Braut (Uma Thurman) und zweier Kleinkrimineller (Amanda Plummer und Tim Roth) kreuzen sich in vier Geschichten voller Gewalt und Erlösung.
Das Urteil der Manager bei TriStar Pictures war eindeutig: "Das Drehbuch macht keinen Sinn. Manche sind tot, und dann leben sie wieder. Es ist zu lang, zu brutal und unverfilmbar." Ihr Pech. Durch das Ablehnen des Skripts von Roger Avery und Quentin Tarantino entging dem Filmstudio nicht nur ein Riesengeschäft - bei Produktionskosten von lediglich 8 Millionen Dollar sollte der Kriminalfilm 1994 knapp 214 Millionen Dollar weltweit einspielen - sondern vor allem der Ruhm eines Meisterwerks, das wie kein zweites in den Neunzigern die Kinowelt beeinflusste und vor allem dem Independent-Film neuen Auftrieb gab.
Ganz zu schweigen vom Gewinn der Goldenen Palme bei den Filmfestspielen von Cannes, einem "Oscar" für das Drehbuch und sechs weiteren Nominierungen für den "Besten Film", die "Beste Regie", John Travolta als "Bester Hauptdarsteller", Uma Thurman als "Beste Nebendarstellerin", Samuel L. Jackson als "Bester Nebendarsteller" und für Cutterin Sally Menke.
Freuen konnten sich über den unerwarteten Coup Miramax Films, für die Produzent Harvey Weinstein zugegriffen hatte und der Tarantino als Regisseur alle Freiheiten ließ, sein "unverfilmbares" Drehbuch so auf die Leinwand zu bringen, wie er es für richtig hielt. Der vorangegangene künstlerische Erfolg seines beim Sundance Festival gefeierten Debuts "Reservoir Dogs" im Jahr 1992 hatte das Vertrauen von Weinstein erhöht, dass der damals 30-Jährige wusste, was er tat.
Den ersten Drehbuchentwurf hatte Avery 1990 geschrieben. Über die Jahre arbeiteten er und Quentin immer wieder an dem Skript. Die Idee, einen Kurzfilm zu drehen, wich dem Einfall, einen Episodenfilm mit drei voneinander getrennten Geschichten zu erzählen, und mündete schließlich in den Spielfilm, der vier Handlungsstränge miteinander verwob - in nichtchronologischer Reihenfolge, was zu einem Markenzeichen von Tarantino werden sollte. Im Januar 1993 schließlich war das Drehbuch fertig, und die Dreharbeiten begannen in Los Angeles vor Ort - ohne große Kulissen, um Kosten zu sparen.
Schon der Titel des Films verweist auf den selbstironischen Charakter des Werks, das ebenfalls für Tarantino kennzeichnend ist. "Pulp Fiction" ist das amerikanische Äquivalent der Groschenromane, die meistens mehrere Kurzgeschichten in einem Band umfassen. Der Filmemacher sah sein Drehbuch in der Tradition dieser Stories:
"Solche, die man schon eine Zillion Male gesehen hat – den Boxer, der einen Kampf schmeißen soll, es aber nicht tut; den Mafioso, der die Frau seines Bosses einen Abend lang unterhalten soll; und die beiden Killer auf dem Weg zu einem Job." Nur dass sich diese Killer bisher nicht über BigMacs, Fußmassagen unterhalten und Bibelverse zitiert hatten.
Das war das Genie von Tarantino: Alten Geschichten einen neuen Dreh zu verpassen, in diesem Fall eine wahnwitzige Mischung aus Neo-Noir-Film, vielschichtigen Dialogen, pechschwarzem Humor und Popkultur-Verweisen. Die ironische Distanz zum ganzen Geschehen macht den Streifen zu einem postmodernen Werk - ein Film, der ganz bewusst mit den Klischees spielt, sie intelligent variiert, kommentiert und unterläuft. Dabei kommen - auch dies inzwischen als Tarantino-Merkmal bekannt, wie zuletzt "The Hateful Eight" deutlich zeigte - exzessive und überspitzte Gewaltszenen nicht zu kurz.
Gegen Weinstein setzte der Regisseur durch, dass Travolta für die Hauptrolle verpflichtet wurde, der wie andere Darsteller auf seine übliche Gage verzichtete, um den Film mit seinem schmalen Budget überhaupt erst zu ermöglichen.
Ein englischer Zuschauer schwärmt: "Ich gebe zu, dass dieser Film wegen seiner Brutalität nichts für jederman ist. Aber jeder, der ihn sieht, sollte sich daran erinnern, dass dieser Streifen die Filmgeschichte verändert hat. Nach einem Jahrzehnt voller Action-Filme mit einer Verfolgungsjagd zum Schluss, die man auch selbst hätte schreiben können, behandelte dieses Werk seine Zuschauer als intelligente Wesen. Keine Dialogzeile ist überflüssig, und der Film arbeitet auf mehreren Ebenen, was beim ersten Sehen nicht sofort augenfällig wird. Nicht viele Filme sind nichtchronologisch erzählt, und all diejenigen, die das versuchen, werden niemals 'Pulp Fiction' übertreffen."
2013 nahm die US-Library of Congress "Pulp Fiction" als "kulturell, historisch oder ästhetisch bedeutsames Werk" ins National Film Registry auf.
"Wir waren Könige", 23:35 Uhr, ZDF
Als ein Polizeieinsatz zwei Polizisten sterben, droht ein Pulverfass zu explodieren, denn die Überlebenden der Spezialeinheit kennen nur ein Ziel: Rache, ohne Rücksicht auf das Gesetz.
Regisseur und Drehbuchautor Philipp Leinemann gelang 2014 mit diesem spannenden deutschen Thriller, seinem zweiten Kinofilm, zugleich ein raffiniert aufgebauter Film mit einem hervorragenden Schauspielerensemble (mit neben anderen Ronald Zehrfeld, Thomas Thieme und Frederick Lau). Mit den schnellen Schnitten und der harten Action hebt sich dieses vom Fernsehen (ZDF) mitproduzierte Werk von Fernsehkriminalserien ab und erhielt überwiegend gute Kritiken. Bei den Bayerischen Filmpreisen gewann Christian Stangassinger für seine Kameraarbeit.
Kritiker Hans-Ulrich Pönack lobte im "Deutschlandradio Kultur": "Philipp Leinemann hat einen erstaunlich packenden, verstörenden Thriller gedreht. Das Ensemble funktioniert beeindruckend. Mitunter unübersichtlich in der Figuren-Skala, aber mit deutlicher Präsenz und barschem Ton: Hier verkommen Recht und Gesetz."
"The Crazies", Pro7, 23:55 Uhr
Nachdem ein mysteriöses Gift aus einem abgestürzten Militärflugzeug die Wasserversorgung einer Kleinstadt in Iowa vergiftet hat, verwandeln sich die Bewohner nach und nach in mörderische Irre.
Der Titel sagt schon alles - und dieser Horrorfilm von 2010 braucht nicht lange, um zur Sache zu kommen. Regisseur Breck Eisner, der fünf Jahre zuvor mit dem launigen Abenteuerfilm "Sahara" einen vollkommen anderen Film gedreht hatte, hat es richtig gemacht. Es macht wenig Sinn, Werke neu zu verfilmen, die beim ersten Mal schon gut oder gar hervorragend gelungen waren. Besser ist es, etwas so Mittelmäßiges und einigermaßen Obskures wie "The Crazies" neu zu verfilmen, wo noch deutlich qualitative Verbesserungsluft nach oben vorhanden ist. George Romero hatte 1973 diese Geschichte erstmals verfilmt, die stets von seinen klassischen Zombie-Filmen "Night of the Living Dead" und "Dawn of the Living Dead" überschattet wurde. Nun machte sich Eisner mit namhaften Schauspielern wie Timothy Olyphant und Radha Mitchell und einem wesentlich höheren Budget daran, das Ganze auf eine professionellere Stufe (Mark Isham komponierte zum Beispiel die Musik) zu heben und schaffte das seltene Kunststück: Das Remake übertrifft das Original.
Spannend, gut gefilmt und unerwartet intelligent, gewann "The Crazies" sogar die Mehrheit der Kritiker für sich. An den Kinokassen hinterließ er indes weniger Eindruck - vielleicht weil viele Zuschauer dachten: "Nicht schon wieder ein Zombie-Film." Da half es auch nichts, dass Eisner eben gerade nicht auf Zombies hinauswollte und auch seine Maskenbildner dazu verdonnerte, ein originelles, unverwechselbares und un-zombiehaftes Make-up zu entwerfen. Die Schauspieler mussten dazu jeweils drei Stunden in der Maske zubringen.
Kritiker Sean Means lobte für die "Salt Lake Tribune": "Am Ende sorgen wir uns um die Hauptdarsteller, weil sie lebensechte Charaktere sind, nicht die anonymen, austauschbaren Ziele, die den meisten Horrorschund bevölkern."
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