Aber auch das Programm an sich war 2016 erneut äußerst sehenswert: So ging es gleich am ersten Tag gut los mit Kiyoshi Kurosawas Geisterdrama "Journey to the Shore", das den eher für seine Psychothriller und Horrorfilme bekannten Regisseur von einer ungewohnt romantischen Seite zeigte. Kurosawa wurde zudem dieses Jahr mit dem Nippon Honor Award ausgezeichnet. Dass er auch anders kann, wurde anhand des am folgenden Tages gezeigten Horrorfilms "Creepy" (2015) deutlich. Aber auch am Eröffnungstag wurde mit Gakuryo Ishiis wüsten Thrillerdrama "That's It" noch ein deutlicher Kontrapunkt zu Kurosawas sensiblen Eröffnungsfilm gesetzt. Der experimentelle Film mit starker Punk-Attitüde bewies, dass der einst als Sogo bekannte Filmemacher auch auf seine alten Tage noch kräftig die Synapsen seiner Zuschauer durchspülen kann!
Von einer sehr ungewohnt ruhigen Seite zeigte sich dahingegen das für seine wilden Leinwandspektakel bekannte Enfant terrible Sion Sono mit seinem fast meditativen Schwarzweiß-Sci-Fi-Film "The Wispering Star". In diesem reist ein weiblicher Roboter durch das Universum, um den wenigen einzeln zerstreut lebenden Menschen Pakte mit seltsamen Erinnerungsstücken zukommen zu lassen, deren Sinn sich der Roboterdame verschließt. Am selben Tag gab es neben dem bereits erwähnten großartigen Horrorfilm "Creepy" von Kurosawa noch einen Yakuzafilm von einem weiteren Altmeister des japanischen Kinos zu sehen: Mit "Gonin Saga" führt Takeshi Ishii die Geschichte seines Kultfilms "Gonin" von 1995 in der heutigen Gegenwart fort. Leider muss man sagen, dass dem Filmemacher Im Gegensatz zu seinem Namensvetter Sogo auf seine alten Tage doch ein wenig die Puste ausgegangen zu sein scheint: Trotz einer Reihe schöner skurriler Ideen, dämpft das verschleppte Tempo deutlich den Spaß an diesem Yakuzadrama.
Eine ungewöhnliche Mixtur gab es auch am dritten Spieltag zu sehen: Satoko Yokohamas wunderbar lakonische Komödie "The Actor" kam im ausverkauften Saal des Mousonturms beim Publikum ausgezeichnet an. Auch an diesem Tag gab es in der Spätvorstellung mit dem Mystery-Horror-Thriller "The Inerasable" von Yoshihiro Nakamura einen starken atmosphärischen Kontrast zum Vorgängerfilm. Leider handelt es sich bei dieser Kreuzung aus einer Detektivgeschichte und klassischem J-Horror trotz einer interessanten Prämisse um einen sehr durchschnittlichen Genrebeitrag, der keine großen Wellen schlagen wird.
Am Freitag war in der Sektion Nippon Animation der Sci-Fi-Film "The Empire of Corpses" von Ryotaro Makihara zu sehen. Dieser basiert, wie auch der am Sonntag gezeigte Sci-Fi-Anime "Harmony" von Michael Arias und Takashi Nakamura auf einem Roman des verstorbenen japanischen Sci-Fi-Autors Project Itoh. Allerdings handelt es sich bei "Empire of the Corpses" um den eindeutig schwächeren Beitrag. Denn trotz seiner streckenweise überragenden visuellen Ebene, dämpft die extrem krude Story doch stark den Spaß an diesem retro-futuristischen Animationsfilm. Dafür waren die beiden am Abend gezeigten Experimentalfilme "Cinéma Concret" und "Cinéma Direct" von Takashi Makino umso beeindruckender. Beide Filme waren in 3D, wobei die Musik beim zweiten Live vom Regisseur und von dem britischen Jazz-Musiker Hilary Jeffery gespielt wurde. Während es sich bei "Cinéma Concret" um rein abstrakte Strukturen handelt, die durcheinanderwirbeln und mal in den Raum hineinfließen und sich dann wieder fast in eine Ebene zurückfließen, arbeitet "Cinéma Direct" auch mit realen Versatzstücken, wie Bäumen, Bergen, Wolken und Wellen. Es ist zu hoffen, dass dieser tolle Künstler, der bisher nur das Filmfestival in Rotterdam mit seinen Performances bereicherte auch in Zukunft auf der Nippon Connection in Frankfurt zu sehen sein wird!
Am Wochenende waren im Deutschen Filmmuseum in der Sektion Nippon Retro unter dem Titel "Ghosts & Demons – Scary Tales from Japan" neun klassische japanische Horror- und Geisterfilme aus den 1940er bis 1960er Jahren zu sehen. Darunter war auch Keisuke Kinoshitas Klassiker "The Yotsuya Ghost Story" (1949), der noch heute streckenweise äußerst frisch wirkt und der beweist, dass viele typische Elemente des J-Horrors bereits eine wesentlich längere Tradition besitzen, als vielen Zuschauern heute bewusst ist. Am Abend zeigte Sion Sono mit seinem wie "The Wispering Star" ebenfalls 2015 gedrehten Punk-Musical "Love & Peace", warum er als einer der wildesten Filmemacher seines Landes gilt. Die wahnwitzige Geschichte um einen kleinen, von allen gemobbten Büroangestellten, der zum Superstar wird und einer singenden Monsterschildkröte muss man einfach selbst gesehen haben, um zu verstehen, weshalb sie so schreiend komisch ist. Im Mousonturm erntete der familienkompatible Crowd-Pleaser jedenfalls begeisterten Applaus. Aber auch damit war an diesem Tag noch nicht genug des Guten: Später am Abend verzauberte die japanische Sängerin Cuushe das Publikum im Studio 1 des Mousonturm mit ihrem wunderschönen Dreampop.
Unter dem Motto: "Das Beste kommt zum Schluss" wurde am Sonntag - neben dem schon erwähnten gelungenen Sci-Fi-Film "Harmony" - Takeshi Kitanos neuer Film "Ryuzo and his seven Henchmen" gezeigt. Die Komödie um eine Rentner-Yakuza-Gang, mit der Kitano auf selbstironische Weise sein eigenes Lieblingsgenre durch den Kakao zieht, erntete im bis zum letzten Platz ausverkauften Saal des Mousonturms viel Gelächter und später noch mehr Applaus. Zudem wurde der Film mit dem Nippon Cinema Award 2016 ausgezeichnet. Dies ist auf jeden Fall eine Gute Wahl - obwohl es dieses Jahr auch andere sehr starke Beiträge gab.
Auf diese Weise gelangte die Nippon Connection 2016 zu einem erfreulichen Abschluss. Das Einzige, was bei diesem rundum gelungenen Festival ein wenig traurig macht, ist die Tatsache, dass es erst wieder im kommenden Jahr stattfindet!
Hier nochmal der Trailer zum 16 Festival: