In seinen Romanen fehlt es nicht an deutlichen Schilderungen von
Geschlechtsverkehr und Darmentleerungen.
In seinen Romanen fehlt es nicht an deutlichen Schilderungen von
Geschlechtsverkehr und Darmentleerungen, auch mit Schimpfwörtern
würzte der Schriftsteller seine Prosa. Aber als Mensch soll James
Joyce dennoch eine vorbildliche Erscheinung mit untadeligen
Manieren gewesen sein, wie die Nachkommen des Iren versichern.
Daher sind sie mit der Darstellung ihres Verwandten in dem Film
"Nora" durch den Schotten Ewan McGregor ("High Speed Money")
überhaupt nicht zufrieden. "Nora" basiert auf der 1998 erschienenen
Biographie von Brenda Maddox und schildert die stürmische Beziehung
zwischen Joyce und seiner ungebildeten Frau Nora Barnacle, die von
Susan Lynch ("Lang lebe Ned Divine!") gespielt wird. Im vergangenen
Monat wurde der Film auf dem Dublin Film Festival uraufgeführt und
von der Kritik gepriesen. Miss Maddox äußerte sich in einem
Interview, dass der Film ziemlich von ihrem Buch abweichen würde,
sie aber weitgehend mit ihm zufrieden sei. Die expliziten Sexszenen
des Films hielten dabei neben irischen Literaturwissenschaftlern
auch die Verwandten des 1941 gestorbenen Schriftstellers für
vertretbar. Die Rolle der Molly, Leonard Blooms sexuell freizügiger
Frau in seinem Hauptwerk "Ulysses", soll nämlich hauptsächlich
durch Nora Barnacle beeinflusst gewesen sein, die er an jenem Tag
1904 kennengelernt hatte, an dem er dann seinen "Ulysses" spielen
ließ. Ken Monaghan, der Joyces Neffe und der Vorsitzende des James
Joyce-Kulturzentrums in Dublin ist, meinte dazu: "Nora und James
hatten sicherlich eine sehr sexuelle Beziehung. Das musste so sein,
denn ansonsten hatten die Beiden nicht viel gemein. Ich finde,
Susan Lynch ist genau so, wie Nora sein sollte. Ich selbst habe sie
nie getroffen, weil sie Dublin endgültig verließ, bevor ich geboren
worden war, aber ich habe natürlich viel über sie gehört. Sie
glaubte, dass meine Mutter May, James´ Schwester, sie wegen ihrer
niederen Herkunft verachtete." Wo sich die Geister allerdings
scheiden, ist das Schildern Joyces als einen fluchenden Gesellen,
der Schimpfworte von sich gibt und in einer Szene einem Rivalen um
die Gunst seiner Frau Prügel androht. Der Joyce-Neffe meint, sein
Onkel "hätte dies niemals, niemals getan. Der Film zeigt, wie er
auf einer Brücke nahe ihres Hauses in Triest stehend Verpiss dich!
ruft, was er nie gemacht hätte, trotz seines Rufs, in seinen Werken
Schimpfworte zu gebrauchen." Der größte Gegner des Films, der auch
schon die Biographie ablehnte, ist der Enkel Joyces, Stephen Joyce,
der allein verantwortlich über das literarische Erbe seines
Großvaters wacht. Er hat Regisseur Pat Murphy beschuldigt, das
Ansehen seiner Großeltern dauerhaft beschädigt zu haben. Murphy,
der auch das Drehbuch mit Gerry Stembridge ("Ein ganz gewöhnlicher
Dieb") zusammen verfasst hat, gibt sich gelassen: "Ich wollte auch
alle düsteren Teile ihrer Beziehung beleuchten, aber ebenso die
Momente, die Noras Sinn für Humor widerspiegeln." Ewan McGregor
meint zu der ganzen Debatte: "Jeder wird eine andere Einschätzung
davon haben, wer Joyce war, aber was mich besonders beeindruckt
hat, war, dass Nora kein Drehbuch über Joyce als Schriftsteller
war. Es war eine Liebesgeschichte. Mir gefiel das, denn man bekommt
keine Leute ins Kino, wenn man sie nur mit seinen Romanen
vollstopft."