oder
Die Spotlight-Produzenten mit ihren Oscars für den...Film
Die Spotlight-Produzenten mit ihren Oscars für den Besten Film
© BANG Showbizz

"Oscar"-Resümee: Sei umarmt, Kontroverse!

Politische Academy Awards-Gala endet mit pointiertem Gewinner

Diese 88. "Oscar"-Verleihung wird sicherlich im Gedächtnis bleiben. Weniger wegen der Gewinner und Preise selbst, obwohl es auch hier Bemerkenswertes gab. Aber selten wurden so ungefiltert von der Bühne politische und gesellschaftliche Bekenntnisse abgefeuert wie am Sonntagabend. Wenn man bedenkt, wie viel Tamtam 1993 gemacht wurde, als Richard Gere die Tibet-Frage ansprach und Susan Sarandon und Tim Robbins die US-Regierung anklagten, ein Internierungslager für AIDS-kranke Haitianer auf Kuba zu unterhalten - und die Künstler daraufhin von der Academy zu nicht erwünschten Personen bei den kommenden "Oscar"-Verleihungen erklärt wurden. Die Academy Awards haben sich verändert, und das ist gut so.

Hier die Erkenntnisse des Abends:

1. Die Show war gut
Wesentlich unterhaltsamer und einfallsreicher als die des letzten Jahres, was mit Sicherheit auch am Moderator lag, aber auch an der guten Mischung aus praktischen Gags auf der Bühne und im Saal, Animationen, Gesangsdarbietungen und Einspielern. Die Idee mit den eingeblendeten Danksagungen dagegen machte kaum einen Unterschied: Die Reden der Gewinner unterschieden sich im Tenor nicht von denen der Vorjahre, und mit der Zeit kam kaum niemand aus - oder scherte sich auch nicht drum wie Alejandro Inarritu.

2. Der Moderator war gut
Neil Patrick Harris war blass geblieben im vergangenen Jahr - seine Rückkehr stand daher nie zur Debatte. Zum Glück, denn dass mit Chris Rock ein Afro-Amerikaner der Veranstaltung vorstand, war ein Geniestreich - den niemand vorhersehen konnte, denn zum Zeitpunkt der Bekanntgabe waren die umstrittenen, ganzheitlich weißen Nominierungen ja noch nicht raus. Doch jetzt boten sie Rock die Gelegenheit, das Thema weidlich auszuschlachten.

Er widmete ihm seinen ganzen, 15 Minuten langen Eröffnungsmonolog - und wer dachte, nun sei das Thema durch, sah sich getäuscht. Er tischte es wieder und wieder und wieder auf. Die "The Martian"-Parodie, in der Kristen Wiig und Jeff Daniels sich entscheiden, Chris Rock auf dem Mars zu lassen, weil er halt kein Weißer ist, war genial, ebenso die Interviews vor dem Kino in Compton, bei der Rock seine Schlagfertigkeit unter Beweis stellen konnte. Irgendwann hatte das Ganze eine Dynamik, die unwiderstehlich wirkte, ohne an Schärfe zu verlieren.

3. Die Botschaften stimmten
Wenn Hollywood sich selbst feiert, dann müssen unliebsame Wahrheiten nicht ungesagt bleiben: Es gibt Rassismus, es gibt den durch den Menschen verursachten Klimawandel, es gibt Polizeibrutalität gegen Farbige, es gibt sexuelle Gewalt und das Kartell des Schweigens, es gibt korrupte, durch die Banken und die Wirtschaft legal bestochene Politiker - all das kam offen ausgesprochen auf den Tisch. So nutzt man die Gelegenheit eines weltweiten Millionenpublikums sinnvoll. In dem Sinne war die ernste und selbstkritische Rede der Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs ebenfalls wohltuend.

4. Der richtige Film hat gewonnen
Er mag künstlerisch und technisch nicht so beeindruckend sein wie "The Revenant" oder "Mad Max: Fury Road". Die Academy hat dennoch genau richtig gewählt. Sie hat den Leonardo DiCaprio-Streifen mit drei wichtigen Goldjungen bedacht, sie hat George Miller's furiosem "Film total" mit sechs "Oscars" die mit Abstand meisten Preise des Abends zugesprochen, aber zugleich mit "Spotlight" ein Zeichen für einen politisch bewussten, leisen und "kleinen" Spielfilm gesetzt, der sich auf ein fabelhaftes Drehbuch und ein großartiges Ensemble stützt. Jetzt besteht die Hoffnung, dass viel mehr Zuschauer als sonst diesen hervorragenden Film, der auch bei spielfilm.de mit fünf von fünf Sternen die Höchstwertung erhalten hat, sehen werden.

Hier streamen



Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.