Die 66. Internationalen Filmfestspiele Berlin präsentieren in der Reihe Berlinale Classics insgesamt sechs Filmpremieren mit zwei deutschen und vier internationalen Produktionen, fünf davon in Welterstaufführungen.
Heiner Carows autobiographisch inspirierter Film Die Russen kommen (DDR 1968) erzählt aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Für den 16-jährigen Günter Walcher bedeutet die Niederlage der Nazis eine Katastrophe, den Zusammenbruch seiner Welt. Ein Film über den Faschismus ohne antifaschistischen Helden passte nicht ins Bild: 1968 vor der Fertigstellung verboten, wurde Die Russen kommen erst 1987 vollendet. Eine stark beschädigte Arbeitskopie diente damals als Grundlage für die Rekonstruktion des Films, dessen Negativ nur zu einem kleinen Teil erhalten ist. Digitale Verfahren ermöglichten der DEFA-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv jetzt die Zusammenführung verschiedener, sehr disparater Materialien in einer neuen Restaurierung.
Der amerikanische Film The Road Back von James Whale aus dem Jahr 1937 knüpft auch an deutsche Geschichte an. Er basiert auf dem Buch "Der Weg zurück" von Erich Maria Remarque und erzählt von vier deutschen Infanteristen, denen die Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg ins Zivilleben schwerfällt. Die Verfilmung von James Whale wurde 1939 nach Protesten von deutscher Seite von der Universal-Studioleitung ohne Beteiligung des Regisseurs neu geschnitten. Die originale Kinofassung von 1937 wurde durch The Library of Congress mit der Unterstützung von NBCUniversal und Martin Scorseses The Film Foundation rekonstruiert. David Stenn und das UCLA Film & Television Archive brachten Fachwissen und Filmmaterialien ein.
"Besonders spannend ist, dass zwei Berlinale-Classics-Filme eng mit der deutschen Zensurgeschichte verknüpft sind", kommentiert Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und Künstlerischer Direktor der Stiftung Deutsche Kinemathek. "Heiner Carows Die Russen kommen zählt, wie die sogenannten Verbotsfilme, von denen wir einige im Rahmen der diesjährigen Retrospektive "Deutschland 1966. Filmische Perspektiven in Ost und West" vorstellen, zu den aus politischen Gründen in der DDR zensierten Filmen. Ein aufschlussreiches Beispiel für zensierende Eingriffe ist auch The Road Back: Ein Beleg dafür, dass sich die politische Einflussnahme nationalsozialistischer Stellen nicht auf das eigene Land beschränkte."
Erneut können die Berlinale Classics mit Bakushu (Weizenherbst) die digital restaurierte Fassung eines Films des japanischen Meisterregisseurs Yasujiro Ozu präsentieren. Dessen Film von 1951 um die junge Noriko, die von ihrer Familie verheiratet werden soll, gehört zu Ozus Spätwerken. Gespielt wird Noriko von Ozus Lieblingsschauspielerin Setsuko Hara, die im September 2015 mit 95 Jahren verstarb. Verantwortlich für die Restaurierung in 4K ist die bekannte japanische Produktionsfirma Shochiku. Takashi Kawamata, einst Ozus Kameraassistent, und Masashi Chikamori, Kameramann für Yoji Yamada, leiteten das Projekt.
Ebenfalls aus Asien kommt der taiwanesische Film Ni Luo He Nu Er (Daughter of the Nile) des Regisseurs Hou Hsiao-hsien aus dem Jahr 1987. Der erste Film des Regisseurs, der eine weibliche Hauptfigur in den Mittelpunkt rückt und das moderne Taiwan der 1980er Jahre zeigt. Die digitale Restaurierung basiert auf dem originalen 35-mm-Negativ und wird vom Taiwan Film Institute verantwortet. Der Kameramann des Films, Chen Huai-en, war maßgeblich an der Restaurierung in 4K beteiligt.
Eine weitere digital restaurierte Filmfassung aus den USA in der diesjährigen Berlinale Classics Reihe ist John Hustons Klassiker Fat City aus dem Jahr 1972, meisterhaft fotografiert von Kameramann Conrad Hall. Der junge Jeff Bridges ist in einer seiner ersten Rollen als Boxtalent Ernie zu sehen. Kris Kristoffersons bekanntes Lied "Help Me Make It Through the Night" gibt den Grundton des Films vor. Restauriert wurde der Film in 4K von Sony Pictures unter der Leitung von Grover Crisp von einem originalen 35-mm-Negativ.
Zum Auftakt der Berlinale Classics Reihe wird Fritz Langs Stummfilmklassiker Der müde Tod aus dem Jahr 1921 in der digital restaurierten Fassung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung am 12. Februar 2016 im Friedrichstadtpalast uraufgeführt (siehe Pressemitteilung vom 2. Dezember 2015). Die neue Filmmusik des Komponisten Cornelius Schwehr, eine Auftragskomposition von ZDF/ARTE, wird vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) unter der Leitung von Frank Strobel aufgeführt.
Programm Berlinale Classics:
Bakushu (Weizenherbst)
Von Yasujiro Ozu, Japan 1951
Montag, 15.02.2016, CinemaxX 8
Weltpremiere der digital restaurierten Fassung im Vorführformat 4K DCP
Fat City
Von John Huston, USA 1972
Freitag, 19.02.2016, CinemaxX 8
Internationale Premiere der digital restaurierten Fassung
im Vorführformat 4K DCP
Der müde Tod
Von Fritz Lang, Deutschland 1921
Freitag, 12.02.2016, Friedrichstadtpalast
Weltpremiere der digital restaurierten Fassung im Vorführformat 2K DCP
Musikalische Begleitung: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) unter der Leitung des Dirigenten Frank Strobel
Ni Luo He Nu Er (Daughter of the Nile)
Von Hou Hsiao-hsien, Taiwan 1987
Sonntag, 14.02.2016, CinemaxX 8
Weltpremiere der digital restaurierten Fassung im Vorführformat 4K DCP
The Road Back
Von James Whale, USA 1937
Dienstag, 16.02.2016, CinemaxX 8
Weltpremiere der restaurierten Fassung im Vorführformat 35mm
Die Russen kommen
Von Heiner Carow, Deutsche Demokratische Republik 1968/1987
Samstag, 13.02.2016, CinemaxX 8
Weltpremiere der digital restaurierten Fassung im Vorführformat 2K DCP