"Händler der vier Jahreszeiten", 3sat, 22:50 Uhr:
Ein Obsthändler (Hans Hirschmüller) - der Händler der vier Jahreszeiten, wie die Franzosen ("marchand des quatre-saisons") einen Obsthändler nennen - der wegen einer Prostituierten seinen Dienst als Polizist quittieren musste, scheitert am Unverständnis seiner Umwelt, insbesondere dem seiner Familie.
Morgen wäre Rainer Werner Fassbinder 70 Jahre alt geworden. Der Regisseur, der 1982 an den Folgen seiner Drogensucht bereits mit 37 Jahren starb, wird derzeit mit Retrospektiven und Ausstellungen geehrt. Dieses Drama von 1971 gilt als ein bedeutender Wendepunkt in seinem künstlerischen Schaffen. Waren seine ersten sieben Kinofilme von 1969 nichts für den breiten Publikumsgeschmack, wollte der Filmemacher mit diesem Werk bewusst eine breitere Seherschaft ansprechen. Er beschäftigte sich nach eigenen Angaben intensiv mit den Dramen des deutschen Emigranten Detlef Sierk alias Douglas Sirk ("Solange es Menschen gibt") aus den fünfziger Jahren und mischte Elemente, "von denen ich begriffen habe, dass das Publikum sie mag" unter.
Fassbinder wagte den Spagat, populärer zu werden, ohne sich selbst zu verraten - und triumphierte. Die deutsche Presse überschlug sich vor Lobeshymnen: So schrieb die "Süddeutsche Zeitung" vom "besten Film nach dem Krieg" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung "von einem der wichtigsten deutschen Filme seit Jahren". Das lag wohl auch daran, dass der Regisseur die Figuren mit mehr Sympathie zeichnete, getragen von Trauer, weniger von Verachtung. Sein brillant und präzise inszeniertes Werk schlüsselte ein Alltagsdrama menschlich auf und zeigte die dahinter liegenden sozialen und individuellen Konflikte. Dabei brachte er viele persönliche Erfahrungen mit seiner eigenen Familie und Biographie ein. Familie wird hier als ein System präsentiert, in dem Unterdrückungsmechanismen gnadenlos praktiziert werden und diejenigen, die es zu nichts bringen, auch im Stellenwert der Familie ganz unten bleiben und den Erfolgreichen als warnendes Beispiel dienen. Die Sensibleren sind dabei die Verlierer, die Gefühlloseren die Erfolgreichen, die sich an Status-Bildern orientieren und den persönlichen Vorteil nie aus den Augen verlieren.
Angesiedelt ist die Geschichte zwar offenbar in der Bundesrepublik der ausgehenden fünfziger Jahre, aber Kostüme, Einrichtungen, Frisuren sind eine Mischung aus verschiedenen Jahrzehnten vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart der beginnenden Siebziger. Die Geschichte spiegelt so etwas Universelles der deutschen Gesellschaft wider, der Rainer Werner hier den Spiegel vorhält.
Der innerhalb von elf Tagen in München gedrehte Streifen erhielt bei den Deutschen Filmpreisen die Auszeichnung für den "Besten Film", für Hirschmüller als "Besten Hauptdarsteller" und für Irm Herrmann als "Beste Hauptdarstellerin". Dazu waren noch Gusti Kreissl, Ingrid Caven und Klaus Löwitsch als "Beste Nebendarsteller" nominiert.
Ein englischer Zuschauer schreibt: "Diesen Film vergisst man nicht so leicht und jeder, der sich für einen Kinofan hält, sollte ihn erleben. Es ist kein süßer und angenehmer Streifen, aber man wird kein realistischeres Portrait einer Depression anderswo finden. Definitiv ein Film, der einen länger beschäftigt."
"Gladiator", ZDF, 23:00 Uhr:
Nachdem ein römischer General (Russell Crowe) verraten und seine Familie durch den korrupten Sohn (Joaquin Phoenix) des Kaisers (Richard Harris) ermordet worden ist, kehrt er als Gladiator nach Rom zurück, um sich zu rächen.
Ridley Scott's Karriere in den Neunzigern war nicht gerade berühmt: Seine letzten drei Filme "G.I. Jane", "White Squall" und "1492" waren gefloppt, seit dem starken Beginn des Jahrzehntes mit "Thelma und Louise" hatte kein Streifen mehr begeistert. Die Wahl, einen "Schwert- und Sandalen-Film" zu drehen, von dem Hollywood seit den Sechzigern die Finger gelassen hatte, schien ein weiterer Nagel im Karrieresarg des großen Filmemachers zu sein. Doch so wie in seinem Abenteuerfilm von 2000 ein "Held aufersteht", so bewies auch der Brite seine Größe und landete einen der gigantischsten Erfolge seiner Karriere, kommerziell wie künstlerisch.
Drehbuchautor David Franzoni hatte auf lockeren historischen Fakten (und dem Epos "The Fall of the Roman Empire" von 1964) basierend die Geschichte von Kaiser Commodus und seiner Ermordung im 2. Jahrhundert zu Papier gebracht, und es gelang Dreamworks Pictures, Scott für das Projekt zu gewinnen. Dieser machte sich daran, mit großem Aufwand und einem Budget von 103 Millionen Dollar das antike Rom auf Malta und in Marokko nachzustellen. So baute man unter anderem auf Malta ein Drittel des römischen Kolosseums in einer Größe von etwa 15 Metern nach, und über drei Monate wurden rund 27 000 Waffenteile hergestellt.
Nicht Schritt halten konnte das Drehbuch, das noch während der Dreharbeiten nicht fertig war und von verschiedenen Autoren ständig überarbeitet wurde. Und wenn fertige Seiten den Drehort erreichten, weigerte sich Hauptdarsteller Crowe des öfteren, "diesen Mist zu sprechen" und verließ aus Protest den Set. Laut Crowe startete man nach Marokko mit gerade mal 32 Seiten im Gepäck und dachte sich vieles von dem, was dann an Dialogen und Szenen auf der Leinwand zu sehen war, aus, während man drehte.
Ridley Scott legte viel Wert auf historische Genauigkeit und engagierte Historiker als Berater. Dennoch gründet sich das Geschehen auf der Leinwand mehr auf alten Hollywood-Epen als auf historischer Akkuratesse. Gebäude, Kostüme, Waffen und Gladiatorenkämpfe sind ein bunter Mischmasch aus vielen Jahrhunderten (im Fall der als Steinzeitmenschen herumlaufenden Germanen gar Jahrtausenden) und ganz viel Phantasie und Wellenschlag. Prof. Kathleen Coleman von der Universität Harvard drückte es so aus: "Historische Authentizität scheint eine etwas periphere Überlegung zu sein."
Aber das war wiederum den meisten Kritikern und mit Sicherheit dem Publikum egal, denn es war verdammt gutes Kino, das auch im großen Stil von den neuen Möglichkeiten der computergenerierten Bilder Gebrauch machte und so unter anderem das Kolosseum mit virtuellen Zuschauern auffüllte, CGI-Tiger in die Arena schickte oder den während der Dreharbeiten auf Malta verstorbenen Oliver Reed wieder "zum Leben erweckte". Scott und seine exzellenten Schauspieler brachten die Intensität römischer Gladiatorenkämpfe und der dahinter brodelnden politischen Intrigen erfolgreich auf die Leinwand, tarierten elektrisierendes Spektakel und nicht weniger spannungsvoll aufgeladene intime Momente in ein überzeugendes Gleichgewicht.
Weltweit kamen 458 Millionen Dollar in die Kassen, womit "Gladiator" nach "Mission Impossible 2" der zweiterfolgreichste Film des Jahres wurde. Crowe, durch Filme wie "L.A. Confidental" und "The Insider" zwar schon bekannt, wurde durch diesen Streifen auch dem Multiplex-Publikum zum Begriff und endgültig zum Star. Der größte Triumph folgte dann bei der "Oscar"-Verleihung 2001, als das Epos für zwölf Academy Awards nominiert wurde, von denen es fünf gewann: Als "Bester Film", für Crowe als "Bester Hauptdarsteller", für die "Besten Kostüme", für den "Besten Ton" und für die "Besten Spezialeffekte". Nominiert waren Phoenix als "Bester Nebendarsteller", Scott als "Bester Regisseur", das "Beste Drehbuch", die "Beste Kamera", der "Beste Schnitt", die "Beste Musik" und die "Besten Kulissen". Der Film wurde mit einem Golden Globe als "Bester Film" ausgezeichnet, so wie Hans Zimmer für die "Beste Musik". Bei den Britischen Filmpreisen gewann das Werk als "Bester Film", für die "Beste Kamera", den "Besten Schnitt" und die "Besten Kulissen". Alles in allem erhielt dieses Meisterwerk, das zu den besten Filmen aller Zeiten gerechnet wird, rund 60 Preise.
Ein Zuschauer aus Michigan findet: "Russell Crowe ist so fesselnd und überzeugend als ein General, der von seinen Soldaten verehrt wird, und als Sklave, der vom Volk geliebt wird, dass der Film wirklich funktioniert. Aber der wahre Star des Films sind die unglaublichen Action-Szenen, die den Zuschauer gleich schon mit der Eröffnungssequenz durchschütteln. Die Kameraarbeit innerhalb dieser Sequenzen gibt dem Ganzen eine moderne Wendung, die für die grausigen Szenen wirklich wirkt. Der Film markiert ein triumphales Comeback für die lange vergessenen Epen aus der klassischen Zeit Hollywoods."
"Der englische Patient", ARD, 01:30 Uhr:
Michael Ondaatje's Roman "The English Patient" von 1992 ist kein einfach zu adaptierendes Buch. Die Geschichte eines schwer verwundeten Überlebenden eines Flugzeugabsturzes (Ralph Fiennes), der am Ende des Zweiten Weltkrieges von einer Krankenschwester (Juliette Binoche) in einer verlassenen Villa in der Toskana gepflegt wird, arbeitet hauptsächlich mit Rückblenden. Die vordringliche Aufgabe von Regisseur und Drehbuchautor Anthony Minghella und seinem Cutter Walter Murch war es, die Geschichte mit etwa 40 Wechseln der Zeitebene so zu erzählen, dass die Zuschauer nicht den Überblick verloren.
Das gelang vorzüglich - und von den neun "Oscars", die das Drama gewinnen konnte - gingen zwei an den Regisseur und den Cutter. Nicht nur die Academy schätzte den komplexen, bewegenden und kraftvollen Streifen, sondern auch die Kritik pries das wunderschön photographierte Werk, dem man höchstens die Überlänge ankreidete. Die 27 Millionen Dollar teure Miramax-Produktion kam auch beim Publikum an. Zwar war er in den USA nur mäßig erfolgreich (auch behindert durch die strenge Altersfreigabe "R", die Jugendliche ausschließt, während er in Deutschland schon "ab 12 Jahre" freigegeben wurde), aber international um so erfolgreicher, so dass am Ende 232 Millionen Dollar umgesetzt worden waren.
"The English Patient" gewann rund 50 Preise. Bei den Academy Awards erhielten auch Binoche als "Beste Nebendarstellerin", die "Beste Kamera", die "Besten Kulissen", die "Besten Kostüme", der "Beste Ton" und die "Beste Musik" einen Goldjungen. Nominiert waren darüber hinaus Fiennes als "Bester Hauptdarsteller", Kristin Scott-Thomas als "Beste Hauptdarstellerin" und das "Beste Drehbuch". Bei den Golden Globes gewann das Werk als "Bester Film" und für Gabriel Yared's "Beste Musik". Bei den Britischen Filmpreisen wurde der Streifen ebenfalls als "Bester Film" ausgezeichnet; dazu gab es Preise für das "Beste Drehbuch", Binoche als "Beste Nebendarstellerin", die "Beste Kamera", die "Beste Musik" und den "Besten Schnitt". Auf der Berlinale wurde Juliette Binoche mit einem Silbernen Bären geehrt; ebenso gewann sie einen Preis bei den Europäischen Filmpreisen, so wie Kameramann John Seale.
Eine Zuschauerin aus Oregon findet: "In einer Art und Weise, die an die besten Filme von David Lean erinnert, rauscht diese romantische Liebesgeschichte mit solcher Epik über die Leinwand, dass sie an die riesigen Wüstenregionen erinnert, in denen sie teilweise spielt. Minghella's Film ist filmgewordenes Genie - erschaffen und übermittelt mit poetischer Perfektion. Der Film wirkt wie ein Gemälde von Monet, das zum Leben erwacht. Von den Bildern des Vorspanns an verzaubert Minghella sein Publikum mit einer Geschichte, deren emotionale Schönheit den umwerfenden und pulsierenden Bildern entspricht, die John Seale's bemerkenswerte Photographie einfängt."
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