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Ixcanul mit Maria Mercedes Croy
Ixcanul mit Maria Mercedes Croy
© La Casa de Producción

Berlinale-Tagebuch - Tag 3

Feminin, weiblich, fraulich

Eines kann man der bisherigen Berlinale nun wirklich nicht vorwerfen - das sie das weibliche Element vernachlässigt. Während in Hollywood die Rolle der Frau oft auf das des schmückenden Beiwerks reduziert ist und die Filme eine überwiegend männliche Perspektive einnehmen (schlimmstes Beispiel dürfte Michael Bay sein), haben Dieter Kosslick und Co. bisher überwiegend Werke im Wettbewerb starten lassen, die Frauen in den Mittelpunkt des Geschehens stellen: Nach dem Arktis-Wüsten-Doppel-Whopper aus Juliette Binoche und Nicole Kidman wurde das am Samstag besonders augenfällig.

Der Tag mit einem sehr schönen guatemalisch-französischen Beitrag von Jayro Bustamante. Sein stimmungsvolles Drama "Ixcanul" erzählt von dem 17-jährigen Kakchiquel-Maya-Mädchen María (María Mercedes Croy), das mit ihren Eltern auf einer Kaffeeplantage zu Fuße eines aktiven Vulkans lebt. Ihre Familie hat bereits gepant, dass sie María den Vorarbeiter der Plantage heiraten soll, dem sie Arbeit und Haus verdanken. Aber das Mädchen liebt diesen Mann nicht und sehnt sich danach, die Welt jenseits des Berges kennenzulernent. María verführt einen Kaffeepflücker, der in die USA fliehen will und will mit ihm gemeinsam die Heimat verlassen. Doch die Dinge entwickeln sich auf unvorhergesehene und sehr dramatische Weise.Mit seinem Regiedebüt "Ixcanul" kehrt Regisseur Bustamante in seine eigene alte Heimat zurück. Er zeichnet ein faszinierendes Portrait dieser sehr einfachen indigenen Landbewohner, die von der spanischsprechenden Stadtbevölkerung nur als "arme Indios" bezeichnet werden. Doch ihr Leben ist trotz der sehr einfachen Verhältnisse zugleich sehr reich an einem sehr unmittelbaren Naturbezug, engen Famlienbanden und dem Eingebettetsein in eine sehr alte Kultur und deren magischen Geisterglauben.

Mittags dann das "Diary of a Chambermaid", in welchem Léa Seydoux ein selbstbewusstes Zimmermädchen im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts verkörpert, gefolgt am Nachmittag von der Spanierin Laia Costa als "Victoria", dem ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag.

Zwei dieser drei Filme wurden mit Applaus bedacht - und zumindest bei "Ixcanul" sprechen einige Rezensenten bereits von einer Chance auf den "Goldenen Bären". Das wäre für dieses doppelte Debüt (neben der Tatsache. dass es der erste guatemalische Berlinale-Bewerber ist, handelt es sich auch noch um den Regieerstling von Jayro Bustamante) natürlich ein besonderer Triumph. Auf der Pressekonferenz wurden der Filmemacher, seine Hauptdarstellerin María Mercedes Croy und María Telón, die im Film die Mutter verkörpert, ebenso mit Applaus begrüßt, wie zuvor ihr Film im Kinosaal des Berlinale-Palasts verabschiedet worden war. Aus dem 38-jährigen Regisseur sprudelt es fröhlich heraus, während die in bunte Maya-Tracht gekleideten Damen die meiste Zeit schweigen, dann aber ihrer Freude über die Anwesenheit auf dem Festival Ausdruck verleihen.

Lange Gesichter bei den Berlinale-Veranstaltern, den Journalisten und Autogrammjägern: Kammerzofe Léa Seydoux hat ihr zugesagtes Kommen kurzfristig abgesagt. Angeblich verhindern die Dreharbeiten zum neuen 007-Abenteuer ihre Reise zum Potsdamer Platz. Also bleibt es Regisseur Benoît Jacquot und zwei Produzenten des Dramas "Journal d'une femme du chambre" vorbehalten, sich den Fragen der Presse zu stellen. Die Rezensenten blieben nach Ende des Films auf ihren Händen sitzen, und auch in der Pressekonferenz ist keine überschwängliche Begeisterung für die vierte Verfilmung des gleichnamigen Romans von 1900 zu verspüren.

Hier unsere Kritik zu "Journal d'une femme du chambre"

Freundlicher da schon die Aufnahme von Sebastian Schipper's "Victoria". Zweimal brandet Applaus auf - nach dem letzten Bild dieses in Berlin an einem Morgen entstandenen Dramas und dann nochmals nach dem Abspann. Sicher kein schlechtes Zeichen für diesen Wettbewerbsbeitrag. Auf der Pressekonferenz spricht Schipper davon, dass sein Streifen aus einer "hirnrissigen Idee" entstand (die auch nur im Zeitalter der Digitalkamera so möglich ist): Einen 140 Minuten langen Film zu drehen, der aus einer einzigen Einstellung besteht, also sozusagen "in Echtzeit" an einem Morgen in Berlin am Stück gedreht wurde. Seine ebenfalls anwesenden, "wahnsinnig tollen" Hauptdarsteller, darunter auch Frederick Lau, hätten die meisten Dialoge improvisiert.

Hier unsere Kritik zu "Victoria"

Ein starker Beitrag war auch in der Sektion Berlinale Special Gala zu sehen. Bill Pohlad's "Love & Mercy" widmet sich dem Leben des genialen Beach-Boys-Masterminds Brian Wilson: Die blonde Autoverkäuferin Melinda hält es zunächst eher für einen Scherz, als sich ihr der etwas seltsame Käufer eine Cadillac als Brian Wilson (John Cusack), der ehemalige Bandleader der Beach Boys, vorstellt. Schnell kommen sich das ehemalige Model und der ehemalige Musiker näher. Brian erzählt Melinda von seiner harten Kindheit und von seinem Weg vom Ruhm mit seiner Band bis zu seinen beginnenden psychischen Problemen. Zur Zeit steht Brian stark unter Medikamenten und unter der Aufsicht eines Psychotherapeuten, der zugleich sein Vormund ist.

"Love & Mercy" hebt von anderen Musiker-Biopics ab, dass hier eine Geschichte erzählt wird, die auch ohne den berühmten Protagonisten bereits ausreichend spannend und dramatisch wäre, um die Zuschauer gebannt um den weiteren Handlunsverlauf bangen zu lassen. Hinzu kommen durchgänig hervorragende Schauspielerleistungen und eine Inszenierung, die unter anderem keativ mit verschiedenem Filmmaterial und Filtern spielt. Auch wenn der Film das Genre nicht komplett neuerfindet, wird er doch so sehr seinem exentrischen Protagonisten gerecht, dass man am Ende meint Brian Wilson tatsächlich ein Stück weit verstanden zu haben.

Zum Abschluss des Tages gab es mit "The Forbidden Room" in der Forum-Sektion einen sehr surrealen und recht abwegigen Film zu bestaunen. Die Gemeinschaftsarbeit der kanadischen Regisseure Guy Maddin und Evan Johnson basiert auf einem Projekt, bei dem Schauspieler in eine Art Trance versetzt wurden, um imaginierte Szenen aus verlorenen Filmen zu spielen. Das so entstandene Material wurde derart verbunden, dass stets eine Erzählung in die nächste greift, welche in eine dritte übergeht und so weiter. Es beginnt mit einer U-Boot-Mannschaft, der unter Wasser gerade die Luft auszugehen droht, als sie Besuch von einem mysteriösen Holzfäller erhalten. Jener war kurz zuvor dabei, die schöne Margo in den dunklen Wäldern von Holstein-Schleswig aus den Klauen der Bande der Roten Wölfe zu befreien..

Das Ganze ist im Stil alter Filme, insbesondere der Stummfilmzeit, gehalten. Die digitalen Aufnahmen wurden in der Art alten, bereits stark angegriffenen Filmmaterials verfremdet. Ein Großteil des besonderen Witzes des Films entsteht aus dem Widerspruch zwischen dem sehr gut getroffenen Tonfall der alten filmischen Vorbilder und der völlig abstrusen Handlung. Das Ergebnis ist ein wirklich einzigartiger extravaganter Experimentalfilm, der deshalb nicht jedem gefällt.

Organisatorisch lässt sich übrigens noch einiges auf der Berlinale verbessern. Mehrmals ließ eine Mitarbeiterin die Zuschauer vor "Victoria" die Hände heben, um freie Sitzplätze zu signalisieren und um schließlich selbst durchzuzählen, weil noch so viele Zuschauer vor den Türen stehen würden. Passieren tat dann nichts - die Plätze zumindest in dem vorderen Drittel blieben auch nach dem zweiten Durchzählen immer noch unbesetzt. Bedenkt man das Chaos gestern beim Andrang bei "Queen of the Desert", bleibt zu hoffen, dass im Berlinale-Palast wirklich alle Kinosessel besetzt waren. Sonst wäre es für die abgewiesenen Journalisten im Nachhinein noch mal ärgerlicher.

Der dritte Wettbewerbstag brachte drei völlig unterschiedliche Filme, die eins gemein haben: Im Mittelpunkt stehen Frauenrollen. Mit "Ixcanul" und "Victoria" wurden dabei zwei Produktionen aus Guatemala und Deutschland sehr positiv aufgenommen.

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