Video, TV, Musik: alles digital. Nur in den deutschen Filmtheatern
flimmert nach wie vor der analoge 35mm-Film. Das sollte eigentlich
längst anders sein, doch Studios, Kinos und Verleiher haben den
globalen Trend zum digitalen Bild verschleppt, und im Gegensatz zu
Nordamerika gibt es in Deutschland für den digitalen "Roll-Out"
noch kein brauchbares Geschäftsmodell.
Im Prinzip kennt digitales Kino nur Gewinner: Die großen
Hollywoodstudios erkennen im Wegfall teurer 35mm-Filmkopien ein
Einsparungspotenzial von 500-600 Mio. Dollar pro Jahr. Gleichzeitig
ermöglicht die digitale Distribution den Kinos die Gestaltung eines
flexiblen, zielgruppenspezifischen Programms. Die digitale
Projektion sorgt außerdem für störungsfreie Bilder (auf Wunsch auch
in 3D), erlaubt Live-Übertragungen und bietet nicht zuletzt die
Möglichkeit, mit selektiver Kinowerbung - je nach Tageszeit und
Filmthematik - unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen.
Trotzdem steht "D-Cinema" hierzulande immer noch am Anfang. Denn in
den Kinos selbst ist der Spareffekt vergleichsweise gering, die
Umrüstung jedoch sehr teuer. Ein mit dem Hollywoodstandard DCI
konformer digitaler Vorführraum kostet gut 100.000 EUR (bzw. etwa
1000 EUR monatliches Leasing), und weil ein gutes Drittel der mehr
als 4800 in Deutschland betriebenen Kinosäle weniger als 75.000 EUR
Jahresumsatz erwirtschaften, schrecken viele der 1200 deutschen
Kinounternehmen vor dieser Investition zurück. Doch nur ein
flächendeckender "Roll-Out" kann die gewünschten Spareffekte
bringen, also ist eine Quersubventionierung durch die Filmverleiher
nötig. Im Prinzip ist man sich darüber einig, die Kinos aber wollen
Herr im eigenen Hause bleiben und verhindern, dass Hollywood ihnen
erst das teure Equipment überlässt - und später das Programm
diktiert.
Die deutsche Filmförderungsanstalt (FFA) bot sich mittlerweile als
Vermittlungsstelle an, um einen herstellerunabhängigen,
standardisierten, offenen und flächendeckenden Roll-Out zu
gewährleisten. Sie beauftragte eine Unternehmensberatung mit der
Ausarbeitung eines auf die hiesigen Verhältnisse zugeschnittenen
Business-Modells, das den Geldfluss zwischen Kinos, Werbung,
US-Majors und deutschen Verleihern regeln und gleichzeitig den
Kulturauftrag der Filmtheater sichern soll. Eile ist geboten: Denn
Kino ist das letzte analoge Bildermedium und läuft Gefahr, den
Anschluss an HDTV und DVB, Video-On-Demand, DVD, Internet-TV,
iTunes und Handy-Fernsehen zu verlieren.
Wolfram Weber wollte denn auch nicht mehr warten. Der Betreiber es
Nürnberger Kinokomplexes Cinecittà installierte in neun von zwanzig
Sälen DCI-konforme digitale Kinoprojektoren - auf eigene Rechnung
und ohne Subventionen durch die Filmverleiher. Sein Publikum, so
Weber, sei eben ganz besonders qualitätsbewusst und zahle gerne
einen "Digitalzuschlag" von 50 Cents pro Vorstellung, wodurch sich
die Investition am Ende rechne.
Rico Pfirstinger/RICOPRESS