oder

Sundance Filmfestival

Inmitten der wilden Gebirgszüge Utahs feierte Robert Redfords Sundance Filmfestival im Januar sein 25. Jubiläum. Ein Rückblick auf Independent-Filme, Gucci-Sonnenbrillen und Jet-Set-Partys im Schnee

"High Life im Mormonenstaate"Wenn es den Jet-Set in die Kälte zieht, dann in die Kleinstadt Park City im Bundesstaat Utah. "Happy Sundance" heißt es dort es alljährlich. Dann verdoppelt sich die Einwohnerzahl, die Zimmerpreise verdreifachen sich, Pelz- und Juwelierhändler haben Hochsaison, und selbst der New Yorker Luxusclub Marquee öffnet in der kleinbürgerlich anmutenden Hauptstraße seine Pforten. Paris Hilton kommt extra zum Shoppen vorbei, schmeißt eine flauschige Society-Party, und wegen der vielen geschlossenen Veranstaltungen beschwert sich selbst Josh Hartnett, er habe in dutzenden von Restaurants vergeblich nach einem Platz gesucht.

Kein Wunder also, dass das ursprünglich als Bastion gegen den Kommerz konzipierte Sundance-Filmfestival seit einigen Jahren auch heftiger Kritik ausgesetzt ist. Vom Ausverkauf des ursprünglichen Independent-Gedanken ist die Rede, Schampus und Gourmethäppchen seien wichtiger als die Qualität der einzelnen Programmfilme. Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum hagelt es also Kritik von Cineasten, und als Festival-Gründer und -Präsident Robert Redford zum Pressetermin antritt, merkt auch er, dass er Stellung beziehen muss: "Wenn Sie an Partys und Stars interessiert sind, werden Sie das mit Sicherheit finden", gesteht der inzwischen 68-Jährige ein. "Aber das ist eben nur die eine Seite: wenn Sie sich nämlich wirklich auf die Filme konzentrieren wollen, bieten wir Ihnen dafür die beste Plattform. Aus unserer Sicht hat sich daran nichts geändert. Wir bieten talentierten Filmemachern ein interessiertes Publikum. Es ist ein Ort der Entdeckung - für Zuschauer wie für Künstler."

Vom beschaulichen "Zwei Kino"-Festival in einen öden Schneelandschaft entwickelte sich Sundance in den letzten 25 Jahren zu einer regelrechten Maschinerie: Ingesamt 120 Spielfilme und Dokumentationen aus 32 Ländern standen dieses Jahr auf dem Festivalprogramm, das von Nicole Holofceners "Friends with Money" eröffnet wurde. Jennifer Aniston diskutiert sich in der prominent besetzten Ensemble-Komödie gemeinsam mit ihren Freundinnen durch die Menopause, hat zwischen Wollmäusen und Putzutensilien Sex im knappen Mini und jammert über nicht vorhandenes Geld. Im wirklichen Leben sieht die steinreiche Schauspielerin ihr Verhältnis zu materiellen Dingen eher gelassen: "Die schlimmste Versuchung ist, seinen Reichtum nicht ausgeben zu wollen".

Von zu wenig Schlaf kann auch der deutsche Schauspieler Christian Oliver ein Lied singen. Erschöpft von seiner Hauptrolle in der deutschen TV-Serie "Alarm für Cobra 11", ging der heute 33-Jährige nach Hollywood und produzierte nach zahlreichen kleineren Filmauftritten seine eigene Interpretation von Horror: "Subject Two", die Story um einen verrückten Professor in den Bergen Aspens, eröffnete die Mitternachtsreihe und feierte seine Premiere im Traditionskino "Egyptian", in dem vor Jahren bereits das "Blair Witch Projekt" den Durchbruch schaffte. "Eine Achterbahn der Emotionen" nennt Christian Oliver seinen derzeitigen Gemütszustand, und so manch einer kann die anhaltende Spannung vor Ort am eigenen Leib nachvollziehen.

Denn irgendwie versucht hier jeder, sein Glück zu finden: Ein junger "Selfmade-Man" macht sich mit einem Video-iPod auf die Suche nach Geldgebern für seinen Erstlingsfilm, ausgehungerte Journalisten jagen die Star-Meute, und Metallica-Fans zahlen den Premierengästen des Films "Darwin Awards" bis zu 500 Dollar pro Karte, um das Privatkonzert der Heavy-Metal-Band Metallica miterleben zu dürften. Einfacher hätte man es da bei der "Homos Away From Home Party": haben können: Das Codewort "Mickey" verschaffte Zutritt zur schillernden Party in der "Queer Lounge", die untertags als Panelforum für schwule Filmemacher fungierte und als fester Bestandteil des Festivals die Integration homosexueller Thematiken fördern sollte.

Bei soviel High Life im Mormonenstaate Utah wirkte die Auswahl der Siegerfilme fast schon wie ein regulierendes Element: Gewonnen haben schließlich nämlich doch die kleinen Produktionen mit Herz, wie etwa Richard Glatzers und Wash Westmorelands Underdog-Drama "Quinceanera" oder die packende Dokumentation "God Grew Tired of Us", die junge sudanesische Bürgerkriegsopfer auf ihrer Reise ins übersättigte Amerika folgt. Dass letztgenannter Film nur unter Produzentendeckung von Blockbustergarant Brad Pitt enstehen konnte, sei hier nur am Rande erwähnt. Man will den immanent präsenten Independent-Traum dieses Festivals ja nicht unnötig zerstören.

Johannes Bonke / RICOPRESS


Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.