Noch mehr Historienschinken: Hollywood setzt auf Piraten,
Kreuzritter und Samurai. Außerdem: Wie sich Russell Crowe um seine
Oscar-Chancen schimpfte
Hongkong-Import John Woo steckt in der Krise: Nach krassen
Fehltritten wie "Windtalkers" und "Paycheck" wird der einstige
Kultregisseur ("The Killer") nicht nur von den meisten
Filmkritikern, sondern auch von vielen seiner (ehemaligen) Fans
geschnitten. Der 57-Jährige ist von der Traumfabrik frustriert -
und blickt über den großen Teich Richtung Europa.
In einem Punkt erfüllt John Woo das Klischee eines typischen
Chinesen: immer lächeln, freundlich sein und Sanftmut
demonstrieren. Selbst dann, wenn das, was er zu sagen hat, sehr
unerfreulich ist: "Ich bin von Hollywood frustriert", klagt Woo,
und fast könnte man Mitleid haben mit dem Mann, der "Hard Boiled",
"A Better Tomorrow" und "The Killer" auf dem Konto hat -
stilisierte Gewaltorgien mit einer herausragenden Choreographie, in
Hongkong angesiedelt, jedoch durchsetzt mit abendländischer
Symbolik. Die deutschen Jugendschützer haben ihn dafür verabscheut,
die Kritiker gelobt, die Fans geliebt. Quentin Tarantino und
Konsorten importierten und kopierten seinen Stil, und Hong Kong war
dem Filmemacher bald zu klein: Woo zog es Richtung Hollywood. Auf
"Harte Ziele" folgten dort Hits wie "Operation: Broken Arrow", "Im
Körper des Feindes" und das Sequel von "Mission Impossible". Die
Kritiker rümpften bei "M:I-2" zwar schon die Nase, dem Publikum
aber war es einerlei. Das Weltkriegsspektakel "Windtalkers" mit
Nicolas Cage (Woos West-Inkarnation seines Lieblingsdarstellers
Chow Yun-Fat) wurde dagegen zum Millionengrab, und auch der
Sci-Fi-Streifen "Paycheck" mit Ben Affleck, der nun in den
deutschen Kinos läuft, enttäuscht auf breiter Front. Dabei soll der
Film ja eigentlich eine Hommage an Alfred Hitchcock sein.
Von Hollywood hat Woo die Nase mittlerweile voll: "Über all die
Jahre hat sich nichts an dem System geändert. Man will mir
vorzuschreiben, wie ich etwas zu machen habe, und sie schicken mir
irgendwelche Leute an den Set, die sich anmaßen, mir in meine
Arbeit reinzureden. Das Ganze kostet sehr viel Kraft und Energie,
die ich eigentlich in die Dreharbeiten investieren sollte. Und wenn
der Film dann floppt, sind natürlich immer nur die anderen schuld."
Kein Zweifel: Woo hat sich seine Arbeit in der Traumfabrik ein
wenig anders vorgestellt: "Manchmal sehne ich mich danach, kleinere
Filme zu drehen - vielleicht sogar in Europa."
Pädagogische Absichten
Doch Woos Scheitern ist zum Teil auch hausgemacht. Denn der John
Woo aus China hat mit John Woo aus Hollywood nicht viel gemeinsam.
"In Hongkong handelten meine Filme von tragischen Helden, in
Hollywood geht es mir um die Beziehung der Menschen zueinander."
Mit anderen Worten: Romanze statt Gewalt - doch die Fans ziehen
nicht mit. Woos neuer Hang zur Konventionalität paart sich zudem
mit pädagogischen Absichten: "Auf der Welt passieren momentan
schreckliche Dinge. Krieg, Tod und eine lahmende Wirtschaft nehmen
vor allem asiatischen Jugendlichen die Hoffnung auf ein glückliches
Leben. Deshalb finde ich das Thema von 'Paycheck' so interessant.
Der Film soll zeigen, dass es Hoffnung gibt. Dass man nicht
aufgeben darf." In Hollywood sind solche Phrasen keine Seltenheit -
doch Woo meint sie am Ende sogar ernst und merkt dabei nicht mal,
dass er längst zwischen allen Stühlen sitzt.
Nachdem der selbst erklärte Technikhasser ("Ich hatte nie keinen
Computer") das "Paycheck"-Projekt vom ursprünglich dafür
vorgesehenen Regisseur Brett Ratner ("Rush Hour") übernommen hatte,
strich er sogleich 80 Prozent der im Drehbuch vorgesehenen Visual
Effects. Effektspektakel sind John Woo ein Greuel: "Die wirken
meistens unmenschlich und zeigen eine graue Zukunft ohne Hoffnung."
Auch die Action-Szenen sind bei ihm deshalb noch echte Handarbeit.
"Ich verzichte auf Computereffekte, weil sie zu perfekt aussehen.
Außerdem will ich echte, lebensnahe Reaktionen der
Schauspieler."
Seinen verbliebenen Fans steht einiges bevor: "Ich möchte eine
richtig gute Love-Story im Stil von 'Doktor Schiwago' drehen",
droht der Regisseur. Außerdem auf der Wunschliste: Ein
Action-Musical mit Tanzeinlagen sowie das im 19. Jahrhundert
angesiedelte Immigrantendrama "The Divide" mit Woos Lieblingen Chow
Yun-Fat und Nicolas Cage.