Der fünfte Tag bei der Berlinale. Es ist immer noch kalt, erste
Ermüdungserscheinungen sind festzustellen und die Grippe breitet
sich langsam unter den Journalisten aus. Außerdem setzt sich bei
den Wettbewerbsfilmen der Trend der letzten Tage zur weiblichen
Hauptfigur fort.
Der Tag begann eine halbe Stunde früher mit dem rumänischen
Wettbewerbsbeitrag "Mutter und Sohn", in dem Regisseur Calin
Peter Netzer von einer komplizierten Mutter-Sohn-Beziehung erzählt.
Die wohlhabende Cornelia (Luminita Gheorghiu) würde gerne mehr Zeit
mit ihrem Sohn Barbu (Bogdan Dumitrache) verbringen, aber er hält
sie auf Distanz. Dann verursacht er einen Autounfall, bei dem ein
Junge stirbt. Bei einem Prozess droht ihm eine Gefängnisstrafe von
15 Jahren. Also setzt Cornelia alle Hebel in Bewegung, ihrem Sohn
eine Verhandlung zu ersparen. Als Mitglied der rumänischen
Oberschicht verfügt sie über gute Kontakte und Geld, die sie
geschickt einsetzt. Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen enthüllt
Calin Peter Netzer nach und nach die verschiedenen Facetten der
einzelnen Charaktere, so dass ein komplexes Psychogramm einer
Beziehung zwischen einer dominanten Mutter und einem bequemen Sohn
entsteht.
Auch in "Layla Fourie" geht es um eine Mutter, ihren Sohn
und einen folgenschweren Unfall. Die titelgebende Layla (Rayna
Campbell) will ihrem kleinen Sohn ein gutes Leben in Johannesburg
bieten und bewirbt sich daher bei einer Lügendetektoren-Firma. Ihr
erster Auftrag führt sie in ein Casino, aber auf dem Weg dahin
überfährt sie mitten in der Nacht einen Mann. Sie versucht noch,
ihn zu retten, legt ihn aber letztlich auf einer Müllhalde ab.
Dadurch verstrickt sie sich zusehends in ein Netz aus Lügen, das
auch die Beziehung zu ihrem Sohn belastet. Nach einem atmosphärisch
dichten Einstieg verlieren sich Regisseurin Pia Marais und
Drehbuchautor Horst Markgraf zusehends in einer Geschichte, die
nicht nur Thriller, sondern auch ein gesellschaftliches Abbild
Südafrikas sein will. Zusammen mit dem langsamen Erzähltempo und
der aufdringlichen Musik geht dadurch aber zu viel Spannung
verloren.
Außer Konkurrenz lief außerdem noch mit "Before Midnight"
die lange erwartete Fortsetzung von "Before Sunrise - Zwischenstopp in Wien" und
"Before Sunset". Vor 17 Jahren haben sich Céline (Julie Delpy) und
Jesse (Ethan Hawke) in einem Zug kennengelernt, neun Jahre später
begegneten sie sich in Paris wieder. Jesse blieb daraufhin in
Paris, lebt mittlerweile mit Céline zusammen und sie haben zwei
Kinder. Am Ende eines Urlaubs in Griechenland verbringen sie einen
Abend erst mit Freunden, dann alleine in einem Hotel. Hier brechen
alle Konflikte der vorigen Jahre wieder auf - und führen zu einer
amüsanten, schwierigen und interessanten Diskussion über
Beziehungsarten, Frauenbilder und die Liebe. Aus der romantischen
Vorstellung der Liebe auf den ersten Blick ist mittlerweile eine
realistische und ehrliche Romanze geworden – und vielleicht
ist "Before Midnight" noch nicht der Abschluss. Ein weiteres
Wiedersehen mit Céline und Jesse ist jedenfalls laut Regisseur
Richard Linklater nicht ausgeschlossen.
Der fünfte Tag brachte vor allem starke Frauenfiguren, die allzu
oft im Kino fehlen. Morgen geht es dann unter anderem mit dem
iranischen Beitrag "Pardé" (Closed Curtain) und Steven Soderberghs
"Side Effects" ebenso abwechslungsreich weiter.