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FBW-Bewertung: Wunderschöner (2024)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die Fortsetzung des grandiosen Kassenerfolges WUNDERSCHÖN von und mit Karoline Herfurth heißt WUNDERSCHÖNER und ist ebenfalls eine Episodengeschichte. Und dazu in den Augen der Jury auch noch einmal eine echte Steigerung.
Ging es 2022 noch vor allem um das Gefühl der Figur Sonja, als Mutter und Ehefrau den (Selbst)Ansprüchen nicht mehr zu genügen, überfordert zu sein und sich selbst als nicht mehr sexy genug zu empfinden, ist jetzt das Themenfeld noch umfangreicher, ohne dass der Zuschauer dabei den Überblick verlieren würde: In einer großen Altersskala von 16 bis 80 wird anhand von weiblichen Lebenswirklichkeiten in der Gegenwart verhandelt, wer aus welcher Perspektive die Attraktion einer Frau bestimmen sollte, dass Frauen die Scham und gesellschaftliche Tabuisierung der weiblichen Genitalien überwinden sollten, der Mut, einem sexualisierten Angriff mit einem selbstbewussten ?Nein? begegnen zu können bis hin zur Diskussion, ob Prostitution selbstbestimmt möglich sein könnte (was unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen verneint wird). Das leicht angestrengte Gendern wird komödiantisch, aber doch auch mit Ernsthaftigkeit behandelt. Was Partnerschaften anbelangt, wird der Umgang mit Scheidung und Scheidungskindern thematisiert sowie die Frage nach psychologischen Voraussetzungen einer gelungenen Paarbeziehung: all das geschieht auf Augenhöhe und unter Eingestehen eigener Schwächen und dem Abschied vom Perfektionismus.
Um dies bewältigen zu können, ist hervorragende Drehbuch- und Regiearbeit geleistet worden. In einer gewissen sprunghaften Dynamik wird der Zuschauer in drei Paarbeziehungen, davon zwei mit Familie geworfen, die alle drei belastet sind (bereits getrennt oder in einer Krise befindlich). Aber nach kurzer Zeit wird das Beziehungsgeflecht ? auch ohne den Vorgängerfilm WUNDERSCHÖN zu kennen ? deutlich, elegant und spannend durch verschiedene Krisen und Entscheidungssituationen geführt, um am Ende ? ohne alle Fragen endgültig zu lösen ? zu einem stimmigen Schluss zu führen, der den Zuschauer optimistisch entlässt.
Dieser filmische Zusammenhalt gelingt auch durch Raffinessen des Schnitts und der Bildfindung, wenn ? trotz häufigem Szeneriewechsels ? überraschende Ortsähnlichkeiten oder aufgegriffene Bilder (ähnlicher Fensterblick, der Rummelplatz als Doppelschauplatz, viele der Figuren übergeben sich aus unterschiedlichsten Gründen) ? assoziative Anschlüsse ergeben. Auch der wellenartige Wechsel zwischen ernsten und komödiantischen Szenen wirkt organisch.
Allenfalls ansatzweise gab es in der Diskussion Einwände, dass das bourgeoise, ökonomisch sorglose Milieu allzu große Härten vermeidet oder dass manche Gesellschaftsdiskussion etwas zu penetrant formuliert sei, obwohl es die Geschichte und Bilder bereits erklärt hatten.
Originell dagegen ist der Jury aufgefallen, wie der spanische Fußballskandal um den einer Spielerin aufgedrängten Kuss durch einen Funktionär sehr aktuell aufgegriffen wurde.
Der Einwand, dass zu größten Teil nur Frauen im Bild sind und ihre Meinung artikulieren, greift hier ins Leere, da genau Weiblichkeit und ihre Probleme durch Gesellschaftsstrukturen ja das Thema sind. Die gilt umso mehr, da auch Jungen und Männer überwiegend einfühlsam gezeichnet werden. Das verunsicherte? Teenietum? vor allem bei Jungs, die nicht mehr wissen, wie sie das ?Coolsein-Wollen?, starke Gefühle und Rücksichtnahme auf Frauen oder Mädchen vereinen können, ist fair und mit Achtung vorgeführt. Auch Herfurth selber als Zentralfigur ist weder charakterlich noch moralisch ihrem Ex-Partner (Friedrich Mücke) überlegen gezeichnet. Überhaupt begegnen Männer ihren Fehlern durch Eingeständnis bis hin zur Bitte um Verzeihung.
Fair in der Darstellung der Geschlechterkonflikte ist auch, dass Arbeitsmilieus, in denen Frauen in Chefpositionen sind, nicht im Geringsten als fairer oder gendergerechter, sondern ebenfalls als toxisch gezeigt werden.
Dass bei alledem ein sehr heteronormatives Milieu gezeigt wird und die Lösungen der Komödie eher konservativ ausfallen, ist dabei nicht störend, sondern auch der Massentauglichkeit des Filmprojekts geschuldet.
Sehr gerne vergibt die FBW-Jury dem Film WUNDERSCHÖNER das höchste Prädikat ?besonders wertvoll?.



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