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Parthenope (2024)

In seinem neuen Drama feiert der Italiener Paolo Sorrentino seine Heimatstadt entlang des Lebens einer schönen Frau.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 5 / 5
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In Neapel wird exakt in der Mitte des 20. Jahrhunderts das Mädchen Parthenope im Meer geboren. Die Tochter aus wohlhabendem Hause verdreht bereits als junge Frau (Celeste Dalla Porta) den Männer den Kopf. Sandrino (Dario Aita), der beste Freund ihres Bruders Raimondo (Daniele Rienzo), hat ebenso ein Auge auf Parthenope geworfen, wie Raimondo seine Augen nicht von seiner Schwester lassen kann. Ein gemeinsamer Sommerurlaub des Trios auf Capri, währenddessen Parthenope die Bekanntschaft des US-Schriftstellers John Cheever (Gary Oldman) macht und von einem Millionär umschwärmt wird, endet in der Tragödie.

Nach beendetem Urlaub lässt Parthenope ihr begonnenes Anthropologie-Studium vorerst ruhen, um eine Schauspielkarriere zu verfolgen. Doch eine Begegnung mit der Filmdiva Greta Cool (Luisa Ranieri) öffnet ihr die Augen. Der bewegende Abend mit der neapolitanischen Ikone endet schließlich an der Seite des Mafioso Roberto (Marlon Joubert) in einer aufwühlenden Nacht, die wiederum die nächste folgenschwere Entscheidung nach sich zieht. Parthenope kehrt an die Universität zu ihrem Mentor, Professor Marotta (Silvio Orlando), zurück, tritt dessen Nachfolge, wie von ihm gewünscht, allerdings nicht an, sondern landet in Trient. Erst mit Beginn ihres Ruhestands sieht Parthenope (jetzt: Stefania Sandrelli) ihre Heimatstadt wieder.

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"Parthenope": Meerjungfrauen küsst man nicht

In seinen schönsten Momenten ist das Kino mehr Laterna magica als Camera obscura. Denn wer in die Dunkelheit des Kinosaals eintaucht, der will sich im Schein des Projektors auch verzaubern lassen. Kaum einem Regisseur gelingt das derzeit so gut wie Paolo Sorrentino, dessen Filmen noch etwas anderes glückt. Sie verzaubern und verführen ihr Publikum nicht nur, sondern fangen das italienische Lebensgefühl in potenzierten Dosen ein. Wie gelungen oder misslungen das ist, darüber lässt sich trefflich streiten.

Wo Sorrentinos größte Kritiker nur glänzende Oberflächen, sexistischen Voyeurismus und auf die Spitze getriebene Stereotype sehen, begreifen seine Apologeten den 1970 geborenen Neapolitaner als würdigen Epigonen Federico Fellinis (1920–1993). Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Sorrentinos jüngster Film macht einmal mehr aber unmissverständlich klar, dass auch bei ihm das durch Fellini sprichwörtlich gewordene süße Leben nur mit Vorsicht zu genießen ist. So opulent und fabulierend seine vignettenhaften Dramen auf der visuellen und narrativen Ebene auch sein mögen, was die emotionale Ebene anbelangt, sind sie wahrhaftig. Liebe ist bei Sorrentino nicht ohne Trauer, Freude nicht ohne Schmerz und das Schöne nicht ohne das Hässliche zu haben.

Ist das Leben nicht schön?

Einmal mehr ist die Schönheit bei Sorrentino weiblich. In Gestalt der jungen Parthenope steigt sie zu den lyrischen Klängen von Wojciech Kilars (1932–2013) "Exodus" im Jahr 1968 aus dem Meer, in dem sie 18 Jahre zuvor geboren wurde. Wie die Sirene, auf deren Namen sie getauft ist, verdreht sie den Männern reihenweise den Kopf, ist aber nicht nur makellos wie eine griechische Göttin, sondern auch nicht auf den Mund gefallen. Zwischen dem Comandante, einem betuchten Freund ihrer wohlsituierten Familie, und Parthenope entspannt sich noch recht früh in der Filmhandlung folgender Dialog, als der alte Mann die junge Frau beim Sonnenbaden bewundert:

"Parthe, wäre ich 40 Jahre jünger, als ich es bin, würdest du mich dann heiraten?"
"Die Frage müsste anders lauten, Comandante."
"Und wie?"
"Wäre ich 40 Jahre älter, als ich es bin, würden Sie mich heiraten wollen?"

Gerade erst erwachsen geworden, ist sich Parthenope der Vergänglichkeit ihres Äußeren bewusst. Die Rudermannschaft, die mit ihrem Boot jeden Morgen einem Umweg einschlägt, um vom Meer aus einen Blick auf Parthenopes Balkon zu erhaschen, wird irgendwann nicht mehr dort Halt machen. Die Verehrer wie beispielsweise der Millionär, der Parthenope während eines Capri-Urlaubs in seinem Helikopter umschwirrt wie eine Motte das Licht, werden irgendwann ausbleiben. Und das Publikum wird wie bei Greta Cool, einer von der Welt ernüchterten Filmdiva, auf die Parthenope an einem verhängnisvollen Silvesterabend trifft, irgendwann keine Tickets mehr lösen. Weshalb sich Parthenope nach einem kurzen Irrweg auch gegen eine Schauspielkarriere und für eine Universitätslaufbahn entscheidet. Und in welchem Fachgebiet könnte diese besser angesiedelt sein als in der Anthropologie? Geht es bei Paolo Sorrentino doch wie bei jedem guten Regisseur, etwa dem im Film zitierten Billy Wilder (1906–2002), abseits aller Tragik und Komik letztendlich um den Menschen.

Das Leben ist ein Wunder

Mit "Parthenope" setzt Paolo Sorrentino seinen mit "La Grande Belezza" (2013) begonnenen Zyklus, einzelne Aspekte des Lebens zu befragen und virtuos in Szene zu setzen, fort. Kreiste "La Grande Belezza" um die Frage, was die Schönheit ausmacht, wo wir sie finden und was sie tief in unserm Innern auslöst, zirkulierte "Ewige Jugend"(2015) darum, was das Leben ausmacht, wie wir in Würde altern und was wir hinterlassen und "Die Hand Gottes" (2021) darum, was die Familie ausmacht und wie sie uns ein Leben lang prägt, dann dreht sich "Parthenope" darum, sich fallen zu lassen und ein selbstbestimmtes, anfänglich von den eigenen Impulsen und später von der Vernunft geleitetes Leben zu führen. Ihr älterer Bruder Raimondo fordert die Titelheldin wiederholt dazu auf, nimmt das Fallenlassen selbst allerdings zu wörtlich. Was in die erste große Katastrophe dieses Dramas mündet – und Parthenope nach der Vergänglichkeit der eigenen Schönheit auch die Vergänglichkeit des Lebens schmerzlich vor Augen führt. So sorgenfrei und reich ihr Heranwachsen auch ist, wie jedes Leben ist selbst dieses privilegierte nicht vor Kummer und Verlust gefeit. Und so wundervoll Paolo Sorrentino durch das Objektiv seiner Ehe- und Kamerafrau Daria D'Antonio seine Heimatstadt Neapel nach "Die Hand Gottes" ein weiteres Mal in Szene setzt, er blendet die Schattenseiten dieser flirrenden Metropole nicht aus.

Nach dem Inhalt seines Films befragt, hebt Paolo Sorrentino übrigens ein anderes Motiv hervor: das Heilige. Worunter der Regisseur und Drehbuchautor all jenes versteht, "was wir von unserer eigenen Lebensgeschichte nie vergessen werden". "Parthenope" sei in erster Linie ein Film über dieses Heilige. "Über all die Dinge, die eine Frau in dreiundsiebzig Lebensjahren nicht vergessen konnte", sagt Sorrentino und zählt eine lange Liste von Dingen auf, die in seinem jüngsten Film allesamt Platz finden – und von Daria D'Antonio in strahlenden Breitwandbildern in all ihrer Schönheit und Unerbittlichkeit auf die Leinwand gezaubert werden. Wie schon so oft bei Sorrentino, vor allem aber in der von ihm erdachten Fernsehserie "The Young Pope" und deren zweiter, unter dem Titel "The New Pope" veröffentlichter Staffel geht das Heilige dabei stets mit dem Profanen einher. Weltliche Gegenstände werden wie sakrale verehrt, auf der Suche nach einem Wunder setzt sich Parthenope wie eine Ikone in Szene und geht einem Scharlatan im Dienste der Kirche, einem Dämon in Soutane auf den Leim.

Liebesgrüße aus Neapel

Den klugen Aussagen über seinen eigenen Film möchte man dennoch widersprechen. Denn in erster Linie ist "Parthenope" ein Liebesbrief an und ein Liebesgruß aus Neapel; auch wenn Sorrentino in seiner Heimatstadt freilich an jeder Ecke ein Wunder erkennt. Seine Titelheldin ist dabei mehr als nur eine gottgleiche Erscheinung aus dieser Stadt, sie verkörpert die Stadt selbst. "Ich war traurig und ungeniert, wild entschlossen und doch lustlos, so wie Neapel", fasst es Parthenope am Ende des Films, aber noch nicht ganz am Ende ihres Lebens angekommen zusammen.

Auf dem Weg dorthin entführt uns Paolo Sorrentino einmal mehr in seine eigene, fantasievolle, vor purer Fabulierlust überbordende Welt. Dass es den Figuren seiner Filme bisweilen an Tiefe mangelt, liegt an Sorrentinos Erzählstruktur, die dem Anekdotischen stets mehr Raum gewährt als der erzählerischen Geschlossenheit. Dabei kommt man jedoch nicht umhin, seinen Einfallsreichtum zu bewundern. Auch "Parthenope" ist wieder so übervoll an originellen Ideen, dass sich gleich mehrere Filme damit füllen ließen. Exemplarisch sei auf den Filmbeginn verwiesen, an dem eine antike Kutsche wie in einem Film von Theodoros Angelopoulos (1935–2012) übers Wasser gleitet. Sie stammt aus dem Königshof von Versailles und wird Parthenope erst als Krippe, später als Bett dienen. Schöner lässt sich die Metapher, dass dieses Mädchen mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, nicht in Filmbilder übersetzen. Wer solche Kreativität schätzt, wird in "Parthenope" fürstlich belohnt.

Fazit: Die Arbeiten des italienischen Autorenfilmers Paolo Sorrentino sind ästhetische Meisterwerke, die bisweilen jedoch die Figurentiefe vermissen lassen. "Parthenope" bildet keine Ausnahme. Wer visuell betörendes Kino liebt, von dessen anekdotischer Erzählstruktur man sich mitreißen und treiben lassen muss, der wird in diesem Drama über eine wunderschöne Frau und eine schillernde Stadt fürstlich belohnt.




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Besetzung & Crew von "Parthenope"

Land: Italien, Frankreich
Jahr: 2024
Genre: Drama, Fantasy
Länge: 136 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 10.04.2025
Regie: Paolo Sorrentino
Darsteller: Gary Oldman, Luisa Ranieri, Stefania Sandrelli, Celeste Dalla Porta, Silvio Orlando
Verleih: Alamode Film, Wild Bunch

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